von Alois Tippelt
In der zweiten Hälfte des 19.
Jahrhunderts wurde im alten Österreich die Erforschung der Heimat nach
Ländern und Bezirken von den höchsten staatlichen Stellen angeregt
und gefördert. Nebst verschiedenen Vereinigungen für Heimatpflege
waren es "Historische Vereine" bzw. Gesellschaften, die das Land bzw.
die Bezirke und Landschaften planmäßig nach Natur, Geschichte, Volkstum,
Wirtschaft, Kunst, Wissenschaft, Literatur und Geistesleben publizistisch bearbeiteten.
Diese Bestrebungen fanden ihren Niederschlag in zahllosen heimatkundlichen Schriften,
Publikationen; Zeitschriften und Büchern, die heute noch großen Wert
haben. Erinnert sei nur an das im Jahre 1896 erschienene 24bändige Monumentalwerk
"Die österreichische ungarische Monarchie in Wort und Bild",
das großartigste heimatkundliche Werk, das jemals erschienen ist und das
kein geringerer als der sz. Kronprinz Erzherzog Rudolf von Habsburg persönlich
auf das tatkräftigste gefördert hat. Neben den Landeskunden erschienen
noch für alle Bezirke von Arbeitsgemeinschaften erstellte Bezirkskunden, vortreffliche Bücher,
von einmaligem Werte. Leider gingen die deutschböhmischen Bezirkskunden
durch die Vertreibung fast zur Gänze verloren bzw. konnten nur in ganz
wenigen Exemplaren gerettet werden.
Auch in den Riesengebirgsbezirken ging man daran, das Gebirge in "Wort
und Bild" festzuhalten und es war der sehr rührige, aus dem Bezirk
Starkenbach stammende Privat-Jugenderzieher Eduard Petrak, der in der Heimaterforschung
und -pflege wertvollste Pionierdienste geleistet hat. Geboren am 22. 11. 1855
zu Branna im Bezirk Starkenbach, wollte er zuerst Kaufmann werden und ging nach
Wien in die Lehre. Auf Grund seiner Begabung und seines Fleißes bildete
er sich als Autodidakt weiter und vermochte seine Privatstudien sogar mit dem
Abitur (Matura) abschließen. Zurückgekehrt ins Riesengebirge nahm
er nach vorübergehender Tätigkeit in Oberhohenelbe und Krausebauden
die Stelle eines Privaterziehers beim Fabrikanten P. Piette in Freiheit / Marschendorf
I. an. Als begeisterter Naturfreund liebte er die Schönheiten der Riesengebirgslandschaft
über alles und sein Sinnen und Trachten ging dahin, einen großen
Riesengebirgsverein zu gründen. Schon anfangs April 1880 erließ er
in allen Tagesblättern von Reichenberg bis Braunau einen diesbezüglichen
Aufruf, dessen Ausführungen und Bitten darin gipfelten, dass:
der Reiseverkehr im Riesengebirge zu erschließen und zu fördern
sei, insbesondere durch die Herstellung und Instandhaltung von Wegen, Anlagen,
Baulichkeiten, Wegweisern, Rastplätzen etc., daß weiter
neue Wanderziele zu erkunden seien, Betreuungs- und Auskunftsstellen für
die Touristen zu schaffen wären, Büchereien anzulegen sind, Vorträge
in allen Gemeinden gehalten, Museen und Archive gegründet und schließlich
heimatkundliche Zeitschriften herausgegeben werden.
Hohenelbe als die schönste und die am tiefsten im Riesengebirge gelegene
Stadt sollte, der Sitz des neu zu gründenden Vereines sein, zumal in dieser
Stadt bereits eine Sektion des sz. "Gebirgsvereines für Böhmen"
bestand. Dank der materiellen Unterstützung durch Herrn P. Piette, den
Herr Petrak zu einem eifrigen Förderer seiner Bestrebungen gewinnen konnte,
liefen die erforderlichen Vorarbeiten rasch an und so konnte in kürzester
Zeit der "Hohenelber Gebirgsverein" vereinsrechtlich in "Österreichischer
Riesengebirgsverein" (ÖRGV.) umbenannt werden.
Herr Eduard Petrak ist aber nicht nur der Gründer und der erste Geschäftsführer
des Riesengebirgsvereines, sondern auch der Schöpfer und erste Redakteur
der heute noch sehr gesuchten Zeitschrift "Das Riesengebirge in Wort und
Bild", die er 1880, also in seinem 25. Lebensjahr, erstmalig herausgab.
Diese Zeitschrift, die i. d. H. streng wissenschaftliche Studien und Aufsätze
zum Inhalt hat, genießt heute noch die gleiche Wertschätzung wie
in den Jahren ihres Erscheinens 1881 1897. Zum Beweis dafür kann
ich anführen, daß sie aus dem Archiv des "Heimatkreises Trautenau"
von vielen volkskundlichen Instituten, ja selbst von Universitäten, laufend
angefordert wird, nachdem ihre Beiträge, was Gründlichkeit, Aktualität
und Niveau anbelangt, von keiner späteren Publikation über das Riesengebirge
übertroffen wurden.
Herr Petrak hat insbesondere das Bergbauwesen an der oberen Elbe, also um Spindelmühle
und St. Peter gründlichst erforscht, zumal ihm das gesamte Quellenmaterial
der Bergbauämter in Hohenelbe zur Verfügung stand, wie überhaupt
dem Elbgebiet seine besondere Liebe galt.
Darüber hinaus erarbeitete er auch die ersten grundlegenden Wegekarten
des Riesengebirges nach seiner vorher durchgeführten farbigen Wegemarkierungen,
und er war es auch, der im Jahre 1888 den ersten wirklich vollwertigen "Führer
durch das Riesengebirge" redigierte und dessen Herausgabe veranlaßte.
Sein Reiseführer ist keine bloße Beschreibung der Riesengebirgslandschaft,
der Dörfer und Städte, sondern eine meisterhafte kleine Heimatkunde
im wahrsten Sinne des Wortes.
Herr Petrak hat sich für die Erschließung und Erforschung des Riesengebirges
größte Verdienste erworben, nicht zuletzt war er auch einer der ersten
Förderer der Touristik und des Wintersports.
Wir wissen nicht, warum er im Jahre 1896, also mit 41 Jahren, das Riesengebirge
verließ und nach. Prag, Königliche Weinberge, übersiedelte,
wo er bis zum Jahre 1924 als Direktor für die Bildung der Jugend tätig
war. Bestimmt hätte er noch unendlich viel für die Riesengebirgsheimat
tun können, wenn ihm vielleicht hier die ihm zusagende berufliche Lebensstellung
geboten worden wäre.