(02. Juni 1888 29. Juli 1932.)
In der Erntezeit wurde am Fuße und im Angesichte des Switschinberges auf dem heimatlichen Friedhofe von Oberprausnitz der Pfarrer dieses Ortes zur letzten Ruhe gebettet, dessen reiches Leben ein unheilbares Leberleiden zerbrochen hatte, bevor noch die sieghafte Höhe erreicht war. Und dennoch: ein Kosmos wirbelnder Sonnen, ein Meer ruhlos wogender Unrast war ausgelöscht und versiegt. Aus goldenen Kindheitserinnerungen an den meißelkundigen Vater, der früh verstarb, mit der schönen Welt des räumlichen Scheins in Formen und Farben empfindend und schaffend vertraut, nach der strengen Art der Mutter dem gedanklichen Zauber, der löst, aber auch bindet, erblich verhaftet, an die Wende zweier Zeiten und an die Grenzscheide zweier Völker gestellt, hatte er seine Lehr-, Wander- und Meisterjahre kaum außer Bannweite des heimischen Switschin verbracht: Volksschule des Heimatortes, Tschechischjahr in Belohrad, Gymnasium in Arnau, Seminar in Königgrätz, Kaplanzeit in Oberprausnitz, Arnau, Administrator in Tschermna und wiederum Kaplan in Trautenau. Und es zog ihn heim mit tausend klammernden Organen: nach dem politischen Umsturz, der für ihn eine bedeutungsvolle geistige Peripetie darstellt, wurde er durch Opfer und Entsagung zum Heimatpfarrer und zum strahlenden Bespiel und Vorbild eines solchen. In Schule und Studium stets der Erste, jung auf eigene Füße gestellt und unglücklich, wenn er keine Arbeit vor sich sah. Der durch den Ausgang des Weltkrieges herbeigeführte Umschwung der Dinge setzte an die Stelle philosophischer und exotisch-philologischer Bemühung und an die Stelle geduldig-zeichnerischer Übung und lenauischer Stimmungsträumerei die selbsttätige, auf historischer Forschung aufgebaute Gestaltung seiner Wirksamkeit im Dienste der ihm anvertrauten Gemeinde und des ganzen Gaues. Sein organisatorisches Talent, bereits während des Krieges in karitativer Kleinarbeit geschult, vollbrachte nun Dinge, die schier unmöglich schienen, mit der größten Leichtigkeit. Ihm gelang, woran er glaubte, und der Glaube war wohlgegründet auf nüchternste Berechnung, in welcher Sachen und Menschen mit ihrer entsprechenden Wertigkeit gleicherweise eingesetzt waren, so schuf er die Buchdruckerei "Heimat" in Trautenau, so die gleichnamige heimatkundliche Beilage des "Volksbote" in Trautenau; so schuf er, der Patronatsgesetzgebung vorgreifend und zur Selbsthilfe schreitend, das Dauerdach seiner Pfarrkirche; so baute er in der redlichen Gemeinde seines Sprengels der Landschaft eine neue Kirche ein. Das sind die weithin sichtbaren Zeugen seiner Wirksamkeit. Dass er hiebei Anreger und Helfer hatte, ist klar. Und wie im Großen, so im Kleinen, wie im Materiellen, so im Geistigen. Was irgendwie geeignet schien, bodenständiger Kultur zu dienen, umfasste er mit gleicher Liebe. Kinderlied und -spiel, Sage und Märchen, Brauch und Spruch, Hausrat und Tracht, Bauwerk und Denkstein, Natur und Landschaft und die Heimatmenschen und ihre Arbeit, ihre Sorgen und Mühen und ihre Freuden in Gegenwart und Vergangenheit: das war seine Welt, immer suchte er die Überlieferung für das Leben nutzbar zu machen, ob es sich um eine weltliche oder geistliche Singweise handelte oder um ein farbenzartes Stickmuster oder um die Aufpfropfung elektrischer Birnen aus einen Urväterleuchter: in seiner Schau gewann versunkenes Sein neuen Sinn sub specie aeternitatis, er war immer Seelsorger in des Wortes schönster und vollster Bedeutung. Er machte es den Bienen nach und den Rosen seines Gärtchens. Das gilt namentlich von seinen Quellenforschungen und historischen Studien. Was er in fleißigen Stunden sommerlicher Ferientage gesammelt, das formte er in besinnlichen Stunden schweigender Nächte beim Klange fernhergetragener, völkerver-bindender Musik. Entdeckungsfrohe Einzelheiten werden unermüdlich in der bereits genannten "Heimat", im "Volksbotenkalender", im Jahrbuch des Deutschen Riesengebirgsvereines veröffentlicht. Aus dem großangelegten Gemälde einer Heimatgeschichte ist nur ein Kapitel vollendet worden, aber sicherlich das menschlich ergreifendste, das die Jahre der Rekatholisierung zum Gegenstand hat und das soeben in dem gegenwärtigen Hefte der "Mitteilungen" abgeschlossen wird. In der ursprünglichen Fassung war es als Dissertation zur Erlangung der theologischen Doktorwürde eingereicht worden und hatte große Hoffnungen erweckt. Einer der Begutachter der Arbeit, der nunmehr gleichfalls verewigte August Naegle, war es, auf dessen ausdrücklichen Wunsch ich diese Zeilen des Gedenkens schreibe ; wohl konnte ich das arbeits- und erfolgreiche, Wärme und Begeisterung ausstrahlende Leben nur schlagwortartig und gleichnisweise erfassen, immerhin aber mag es und soll es Ansporn und Vorbild sein.
Dr. Anton Blaschka.
In einem Doppelband zusammengefaßt
1. "Das Riesengebirge und sein Vorland zur Zeit der
Rekatholisierung"
2. "Heimatgeschichte Nordböhmens im 17. Jahrhundert".
Das Buch umfaßt 482 Seiten. Format: DIN A5. Jeder Band enthält ein eigenständiges Inhaltsverzeichnis und Indexverzeichnis. Bindung: Kaltverleimung im festen Karton.
Verkauf: Peter Schulz, Anton-Freytag-Str. 55, D-30 823 Garbsen (Selbstverlag)
Ein kleiner Auszug aus der Vorarbeit zu seiner Doktorarbeit "Materialien zur Heimatgeschichte Nordostböhmens im 17. Jahrhundert" die er kurz vor seinem Tode schrieb:
Die übersichtliche Darstellung des Zustandes unserer Heimat im Zeitalter der katholischen Reformation, also gegen Ende und unmittelbar nach dem Dreißigjährigen Kriege, aus der Feder unseres so früh verewigten Heimatforschers, Pfarrer Dr. Kuhn, erschien in den "Mitteilungen des Vereines für Geschichte der Deutschen in Böhmen", 70. Jahrgang, Prag 1932, im Umfange von 150 Seiten unter dem Titel: Das Riesengebirge und sein Vorland zur Zeit der Rekatholisierung. Da es den Lokalforschern und Ortschronisten jedoch willkommen sein dürfte, die der Gesamtdarstellung zu Grunde liegenden Einzeldaten Herrschaftsweise gesammelt zur Hand zu haben, werden wir in unserer heimatkundlichen Beilage fortlaufend das von dem unvergesslichen Heimatpfarrer für die Zwecke seiner Hauptarbeit zusammen gebrachte Baumaterial in jener Form zum Abdruck bringen, in welcher es der nimmermüde Sammler zu Herrschaftsbildern vereinigt hat, in der bewussten Absicht, den Lokalgeschichtsfremden zu dienen. Möge die edle Absicht des selbstlosen Autors volles Verständnis finden und reichste Frucht bringen. - Die Schriftleitung.
Herrschaft Adersbach, Herrschaft Oberwekelsdorf, Herrschaft
Niederwekelsdorf, Herrschaft Johnsdorf, Herrschaft Starkstadt, Herrschaft Bischofstein,
Herrschaft Krinsdorf, Herrschaft Schatzlar, Herrschaft Altenbuch und Marschendorf,
Herrschaft Trautenau, Herrschaft Wildschütz,
Herrschaft Arnau mit Cista und Oels-Neuschloß, Herrschaft Hermannseifen,
Herrschaft Cista, Herrschaft Ober- und Unter-Tscherma, Herrschaft Forst,
Herrschaft Weißpolitschan, Herrschaft Oberketzelsdorf, Herrschaft Niederketzelsdorf,
Herrschaft Gradlitz-Hermanitz, Herrschaft Schurz,
Herrschaft Welehrad-Dubenetz, Herrschaft Littisch, Herrschaft Königinhof,
Herrschaft Jaromiersch, Herrschaft Großbock, Herrschaft Kleinbock,
Herrschaft Chwalkowitz, Herrschaft Hohenelbe, Herrschaft Branna und Stežern,
Herrschaft Lomnitz, Herrschaft Starkenbach, Herrschaft Petzka, Herrschaft Nachod
1. Die Geschichte der
Herrschaft Oberwekelsdorf finden wir bei Bilek und Sedlácek a. a. O.
2. In der Zeit der Abfassung der Steuerrolle wird als Besitzerin Marie Šenkys
genannt. Es sei darauf hingewiesen, dass Eleonora Marie von Náchod, die
zweite Gattin des Johann Peter Dobrenský, Ritter von Dobrenitz und auf
Tunéchody, der 1629 wegen seiner Religion mit seiner Familie nach Schlesien
übersiedelt war, mit Johann Georg Šenkys von Šenkys verheiratet war.
3. Es ist das dieselbe, die in der Steuerrolle als Besitzerin genannt wird.
4. Zu dieser Herrschaft gehören nur 2 Ortschaften, Oberwekelsdorf und Hottendorf
mit 67 Anwesen. Davon sind 3 in Hottendorf verwüstet und zwar 3 Chalupner
mit 11¼ Strich Ackerland. Das sind 1.9 %.
Die Felderergiebigkeit wird bei Oberwekelsdorf mit mittelmäßig und
bei Hottendorf mit unfruchtbar angegeben. Die Steuerrolle gibt folgendes Verteilungsbild
des ackerbaren Grundes nach Abzug der Wüstungen: 188¼ Strich (31.7%)
Wintersaat, 203¾ Strich (34.3%) Sommersaat und der Rest 190¼ Strich
(32.1%) Brache. Es ist also hier beinahe die Dreifelderwirtschaft gewahrt.
Hinsichtlich des Zugviehes belehrt uns die Steuerrolle, dass die Bauern 1 bis
2 Zugtiere hatten, so dass die Durchschnittsziffer 1.5 beträgt. Bei Chalupnern
bleiben auch hier Zugtiere eine Ausnahme.
Der Viehstand ist auf derselben Höhe wie bei andern Herrschaften. Die Bauern
haben durchschnittlich 3 Melkkühe und mindestens 1 Stück Jung- und
Mastvieh, die Gärtler durchschnittlich eine Kuh. Schafzucht und Schweinezucht
wird nicht betrieben.
Die Durchschnittsgröße der Bauernanwesen beträgt 20 Strich,
die der Chalupnerstellen durchschnittlich 4¾ Strich. In Oberwekelsdorf
sind die Anwesen etwas größer als in Hottendorf.
Über die Zinsungen und Verpflichtungen melden die herangezogenen Quellen
nichts.
Über die Rekatholisierung erfahren wir aus den zeitgenössischen Quellen
folgendes:
5. Die Kirche von Wekelsdorf ist nach einem Berichte aus dem Jahre 1635 dem
heiligen Paulus geweiht und war eine Filiale von Trautenau. Der Dezem dieser
Kirche betrug 16 Scheffel Korn und ebensoviel Hafer.
6. Im Jahre 1641 war die Pfarre Wekelsdorf vakant und wurde vom Trautenauer
Dechant als dem nächsten Pfarrer administriert.
7. Im Jahre 1642 hatte der Prager Erzbischof den Jakob Fribel, Kanonikus vom
heiligen Grabe, zum Administrator der Pfarreien Wekelsdorf, Merkelsdorf, Starkstadt
und Wernersdorf bestimmt für die Zeit, bis von den Patronen genannter Pfarreien
ein Pfarrer präsentiert und bestätigt sei.
8. Dass die religiösen Verhältnisse für den Katholizismus traurig
waren, lässt sich zum Teil aus der Oppositionellen Stellung der Grundherrschaft
zur Rekatholisierung erklären, zum Teile aus der ganz ungenügenden
Pastorisierung dieser Gegend. So dürfen wir uns nicht wundern, wenn das
Untertanenverzeichnis vom Jahre 1651 nur 4 Katholiken aufzählt, was bei
einem Stande der Bevölkerung von 88 Untertanen, wobei 23 Kinder unter 12
Jahren nicht mitgezählt sind, einen Prozentsatz von 4.5 vom Hundert entspricht,
wobei freilich noch zu Bedenken ist, dass diese 4 Katholiken nur in Oberwekelsdorf
sind, während in Hottendorf überhaupt niemand katholisch ist. Freilich
ist auch hier jedenfalls das Untertanenverzeichnis nicht vollständig, denn
auf 67 Anwesen (1654) würden, wenn für jedes auch nur 2 Personen gerechnet
werden, mindestens 130 Untertanen aufgezeichnet sein müssen. Doch ist nach
dem Berichte des Untertanenverzeichnisses, das die Brüder Buchwald (Bohuchval?),
Jaroslaus und Georg Friedrich Dobrensky von Dobrenitz am 06.04.1651 verfasst
haben, die Hoffnung vorhanden, dass in beiden Orten alle den katholischen Glauben
annehmen werden, da sie einen sehr braven und vorbildlichen Pfarrer haben. Die
Wekelsdorfer Kirche wird hier zum Unterschiede von dem Berichte aus dem Jahre
1635 als dem heiligen Michael geweiht genannt. Nach den Angaben der Quelle war
immer seit 25 Jahren ein katholischer Pfarrer hier (also seit 1626). - Es ist
etwas Feld bei der Pfarre und von diesem und dem Zehent kann der Pfarrer gerade
leben, dass er keine Not leidet. An außenstehenden Schulden stehen unter
den Leuten gegen 300 Gulden, aber wegen ihrer Armut können sie nicht zahlen.
Zu Wekelsdorf gehört auch die Hälfte des Bräuhauses und eine
Mühle. Der Müller Andreas Hon ist nicht Untertan. Er sowie seine Frau
und der Sohn sind nicht katholisch.
9. Im Jahre 1655 wird Christof Klose, ein Braunauer Benediktiner, Pfarrer in
Oberwekelsdorf. Er war ein Priester von unbescholtenem Lebenswandel. Eifrig
in der Verbreitung des Glaubens und hatte wegen der nahen Grenze oft Gelegenheit,
mit den Irrgläubigen aus Schlesien zusammen zu kommen.
10. In den Jahren 1655 bis 1657 war Oberwekelsdorf besetzt, es wirkte hier der
Benediktiner P. Jakob Hippner von Braunau als Missionär durch einige Zeit.
11. Im Jahre 1662 ist Wekelsdorf unbesetzt. Es war zwar schon ein Pfarrer präsentiert,
aber die kirchliche Bestätigung (Konfirmation) stand noch aus.
Auch bei dieser Herrschaft konnte nur Geduld und die Zeit den Erfolg der Rekatholisierung
verbürgen.
Anmerkungen
zur Herrschaft Oberwekelsdorf:
1. Bilek Thomas: Dejiny Konfiskaci v Cechách po roce 1618
(Prag 1882), Seite 77. Sedlácek, Hrady, Tvrzy a Zámky v
Cechách, Band V, Seite 169-174. Sommers Topographie, Das Königreich
Böhmen, statistisch-topographisch dargestellt, 4. Band, Königgrätzer
Kreis (Prag 1836), Seite 164-166.
2. Sedlácek a. a. O. Seite 174.
3. Erzbischöfliches Archiv C 109 XXXII 51 Bericht des Christof Klose O.
S. B. 11.10.1650.
4. Steuerrolle 1654 Herrschaft Oberwekelsdorf Band 13 Folio 1419/1422 im Landesarchiv
in Prag.
5. Erzbischöfliches Archiv C 109 XXXII 54. Consignatio seu descriptio unius
partis districtus Reginae Hradecensis 1635.
6. Siehe Abschrift des erzbischöflichen Archives im Landesarchiv in Prag.
Arch. archiep. Prag, rec. Ab anno 1641 ad 16.05.1641. Martinus Karas Archidiaconus
Regino Hradecensis officiali archiepiscopali refert de parochiis vacantibus
haereticis et praedicantibus in districtu Reg. Hrad.
7. Siehe Abschrift des ertbischöflichen Archives im Landesarchiv in Prag.
Arch. archiep. Prag. Emanata 1642/1643 Konc. F. 42 Wekelsdorf, Merkelsdorf,
Starkstadt, Wernersdorf 04.08.1642.
8. Siehe das Untertanenverzeichnis der Herrschaft Oberwekelsdorf vom Jahre 1651
im Archiv des Ministeriums des Innern in Prag.
9. Siehe Abschrift des erzbischöflichen Archives im Landesarchiv in Prag.
Arch. archiep. Prag. Registrata fasc. VIII (1655 bis 1658) orig. Verzeichnis
der Dekante und Pfarreien ab 19.09.1655.
10. Siehe Abschrift des erzbischöflichen Archives im Landesarchiv in Prag.
Arch. archiep. Prag. Soc. Jes. fesc. III. orig. misiones. 1655 und 1657.
11. Siehe Abschrift des erzbischöflichen Archives im Landesarchiv in Prag.
Arch. archiep. Prag. Registrata fasc. X (1662 bis 1663) orig. Trautenau ad 15.
Februar 1662.