Bergbauden des Riesen- und Isergebirges

von Karl-Heinz Drescher, Leipzig


– Fortsetzung –

Wir verlassen den Koppenkegel in östlicher Richtung und erreichen nach kurzen, aber steilen Abstieg den Riesenkamm und wandern auf dem früheren Faltisweg über die Schwarze Koppe zur Emmaquellenbaude / t. Jelenka.

Emmaquellenbaude / Jelenka
Innenansicht – früher
heute (Foto: Eva Jeschkova)

Hier lassen wir wieder Eva Jeschkova zu Wort kommen und lesen was sie unter der Überschrift, "Wo Rehe äsen und Hirsche röhren" uns u.a. zu sagen hat:
Die Riesengebirgsbaude Jelenka, die im deutschen Emmaquellenbaude heißt, war ursprünglich eine Jägerhütte. Vor allem die Grafen Jaromir Cernin-Morzin aus der Marschendorfer Herrschaft nutzten sie regelmäßig. Heute grasen ringsum allmorgendlich Rehe auf den breiten Wiesen. Oft kann man dort auch Hirsche röhren hören.
"Ungefähr 20 Prozent unserer Gäste sind Deutsche", sagt Pavel Hofman, der Besitzer der Baude. Zudem sei die Hütte nahe der polnischen Grenze auch von Polen gut besucht. Die Jelenka bietet nicht nur gutes Essen, sondern müden Wanderern auch eine preiswerte Unterkunft. In der erst vor kurzem rekonstruierten Herberge mit ganzjährigem Betrieb können bis zu 26 Leute in vier Mehrbettzimmern unterkommen. Übernachten kann man schon ab 120 Kronen (rund vier Euro).
Zur Baude Jelenka machen sich vor allem echte Wanderer auf, die sich einen eigenen Schlafsack mitbringen und denen auch eine Nacht im Doppelstockbett nichts ausmacht. Eine bequemere Unterkunft mit Halbpension kostet 350 Kronen (rund vier Euro).
Pavel Hofman ist seit fünf Jahren Besitzer der Emmaquellenbaude. Zuerst hatte er sie nur vermietet und betreiben lassen, ist aber, wie er selbst sagt, "nicht auf verlässliche  Leute gestoßen". Hofman war mit der Bewirtschaftung ziemlich unzufrieden. "Entweder haben sie mir die Miete  nicht bezahlt, oder sie waren zu den Gästen nicht aufmerksam genug", sagt er. Seit zwei Jahren kümmert sich Hofman mit seiner Frau selbst um alles. Das hat sich herumgesprochen: Bis zu 100 hungrige Gäste sind in der Saison jetzt täglich zu bewirten, freut sich Pavel Hofman. Zu den beliebtesten Gerichten gehören übrigens Quarkknödel mit Aprikosen und panierter Käse mit Kartoffeln oder auch süße Palatschinken mit Marmelade.

Die positiven Veränderungen der Baude, von denen der Wirt spricht, kann ich nur aus eigenem Erleben bestätigen.
Nicht nur die Baude hat innen und außen ein neues Gesicht erhalten, auch der Platz an der Emmaquelle ist neu gestaltet. "Emmin Pramen" steht auf der einen und "Emma Quelle" auf der anderen Seite des neuen Obelisk. Namensgeber für Baude und Quelle war die Mutter des damaligen Grundherrn Graf Czernin-Morzin.


Hätten wir eine Kammwanderung gemacht, dann wäre sie in einer reichlichen Stunde in den Grenzbauden / Pomezni Boudy beendet. Wir haben aber noch eine letzte Baude im Riesengebirge und die liegt im Melzergrund. Der kürzeste Weg wäre wohl vom Koppenplan in den Melzergrund. Dazu müssten wir auf fast gleichem Weg wieder zurück. Wir aber wollen möglichst viel vom Riesengebirge kennen lernen und wählen den Weg durch den Eulengrund nach Wolfshau und von dort in den Melzergrund. Dazu gehen wir auf dem Kammweg weiter ostwärts, bis zur Einmündung oder Einsenkung, wie es in alten Reiseführern geschrieben steht. Heute heißt er Eulenpass / p. Przelecz Sowia.
Der Pass ist auch Grenzübergang. Zwischen 8.00 und 18.00 Uhr kann die Grenze zu touristischen Zwecken passiert werden, so steht es am Rastplatz. Der urwüchsige Eulengrund ist nicht nur uraltes Bergbaugebiet, Erze, Edelsteine, Gold und Silber wurden bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhundert abgebaut, sondern wegen seines Pflanzenreichtums interessant für Botaniker. Der Eulengrund wird forstwirtschaftlich genutzt, daher der Weg in einem guten Zustand. Hinter dem Keuligen Berg biegen wir nach Wolfshau ab und wandern an der Kleinen Lomnitz, auf recht beschwerlichen Weg, dann wieder nach oben und erreichen unser letztes Ziel im Riesengebirge, die Melzergrundbaude.

Melzergrundbaude / Schronisko nad Lomniczka
früher
heute (Foto: Hans Schulz)

Hier lassen wir wieder Hans Schulz zu Wort kommen, der uns unter der Überschrift, "Wo die ruhige Berg-Atmosphäre noch erlebbar ist", u.a. folgendes wissen lässt:
In 1 002 Metern Höhe, am linken Ufer der Kleinen Lomnitz (Lomniczka), lädt die Melzergrundbaude/ (Schronisko nad Lomniczka) zur Rast und Imbiss ein. Der erste Bau war an dieser Stelle eine Jagdhütte vom Beginn des 19. Jahrhunderts. 1890 baute Michael Melz aus Erdmannsdorf (Myslakowice) diese Hütte in eine Herberge um. Gleichzeitig richtete er einen Pfad zum Pass unterhalb der Schneekoppe ein. Wahrscheinlich wurde zu diesem Zeitpunkt die alte Hütte durch das jetzige Gebäude ersetzt. Ein Stein mit der Jahreszahl 1886 belegt diese Möglichkeit.

In anderen Aufzeichnungen kann man nachlesen, dass in der Melzergrube eine 1902 errichtete Baude gestanden hat, die aber noch vor der Eröffnung mit einer etwa eineinhalb Kilometer langen Lawine abgerissen wurde. Niemand wagte sich, diese an der selben Stelle wieder aufzubauen.
Etwas unterhalb, nahe der einstigen Jagdhütte, entstand ein neues Gebäude, die jetzige Baude. Nach Informationen der heutigen Leiterin Danuta Partyka wurden im Juni 1905 die ersten Gäste empfangen. 1947 erfolgte die Übernahme durch den PTTK (Polnischer Verband der Touristik und Landeskunde).
Ab diesen Zeitpunkt erfüllte das Gebäude wieder als Herberge. Bis in die siebziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts bot die Baude noch Übernachtungsmöglichkeiten. Heute ist ein Büfett mit Imbiss in Betrieb. Viele Stammgäste machen hier gern eine Pause oder wählen diese Baude als direktes Wanderziel. So auch das Rentnerehepaar Christl und Otto Kühnel aus Ebersbach im Oberland.: "Trotz nur eines Imbiss-Angebotes schätzen wir diese Einkehrmöglichkeit sehr, weil hier die ruhige Atmosphäre einer Berg-Herberge erhalten geblieben ist."
Danuta Partyka bedauert, dass der Betreiber, der polnische Touristikverband, seit Jahren keine wert-erhaltenden Maßnahmen vornimmt. Sie würde das Haus gern kaufen, doch dafür fehle das Geld.
Soweit die Ausführungen von Hans Schulz.

Wenn man in Krummhübel geboren ist und sich für Heimatgeschichte interessiert, gehört der Melzergrund zum unmittelbaren Einzugsgebiet der Heimatforschung. Die Ausführungen von Hans Schulz, besonders das Wirken des Michael Melz, in Verbindung mit der Jahreszahl 1890 und einer Herberge, versetzten mich in ein nicht gerade geringes Erstaunen. Ich habe bei Hans Schulz nach den Quellen dieser Aussage nachgefragt. Herr Schulz teilte mir schriftlich mit, das ihm ein polnischer Heimatforscher und Mitglied des PTTK (Polnischer Verband der Touristik und Landeskunde) ihm diese Mitteilungen als neueste Nachforschung in einem persönlichen Gespräch mitgeteilt habe.

Schriftlich konnte ich Hans Schulz folgende Informationen übermitteln.
Bereits 1511 wurden im Riesengrund von "Meißner" Bergleuten Stollen eingeschlagen, um nach Erzen zu suchen. Nun wurde in der "Nachbarschaft", im Melzergrund, Eulengrund, am Tafelstein und am Zimmerberg gegraben. Auf der zwischen 1674 – 1676 entstandenen Karte vom Khünovius führt der Melzergrund die alte Bezeichnung "Maeltzgrund" oder "Maeltzgrube". Das Wort maeltzen oder melzen bedeutet soviel wie schmelzen oder weich machen. Hier haben also ehedem Schmelzöfen gestanden, in denen die aus mehreren Stollen gewonnenen Erze gleich verhüttet wurden. Auf der Karte ist auch eine "Kohlgrube" eingezeichnet. Hier gewann man den nötigen Heizstoff, die Holzkohle.
Der Melzergrund war seit dieser Zeit in Richtung Kamm begehbar. In der Nähe der heutigen Baude wurde bereits vor 1880 eine Schutz- und Jagdhütte der Gräflich Schaffgotschen Forstverwaltung erwähnt. Das Gebiet wurde von der Försterei Wolfshau West, welche dem Grafen Schaffgotsch gehörte, bewirtschaftet. Die Hütte lag abseits vom Weg und konnte von Touristen nicht genutzt werden.
Ein Unwetter hat am 17. Juli 1882 einen großen Teil des Grundes zerstört und auch den Weg unbrauchbar gemacht. Bereits 1884 wurde ein neuer Weg von der Gräflich Schaffgotsch´schen Forstverwaltung angelegt.
Der Reiseführer Grieben 1892 kann u.a. folgendes berichten: "Der Weg ist jetzt der beliebteste, bequemste und nächste Aufstieg zur Koppe von Wolfshau bis zur Riesenbaude 2 Std. der R.-G.-V. hat für Ruheplätze, Bänke und Tische Sorge getragen; eine Erfrischung mit sich zu führen, dürfte sich empfehlen".
Touristenführer Leipelt und Brieger, beide vor 1901 berichten ähnlich bzw. erwähnen keine Herberge.
Erst 1901, die "Schlesische Zeitung" vom 03. April 1902 nennt das Jahr 1900, (nachzulesen bei Kasper "Mythos Schneekoppe"), wurde von Emil Pohl, Wirt beider Bauden auf der Schneekoppe, am Lomnitzfall ein Einkehrhaus eröffnet. Am 31. März 1902 wurde das Haus durch eine Lawine zerstört. Reste der Grundmauern sind noch erkennbar. Von der Baude und dem Unglück besitze ich Fotos bzw. Kopien.

Melzergrundbaude / Schronisko nad Lomniczka
Das Einkehrhaus am Lomnitzfall

1905 wurde an heutiger Stelle, in lawinensicherem Gebiet, von dem Grafen Schaffgotsch die Melzergrundbaude errichtet. Das war auf Grund der steigenden Besucherzahlen notwendig geworden. Wirt, für 360 Mark Jahrespacht, wurde August Vogt aus Krummhübel / Karpacz. Die Baude wurde am 14. Juni 1905 für die Festgäste, die zum 25. Jubiläum des RGV den Jubiläumsweg auf der Schneekoppe einweihten, eröffnet. Der Stein mit der Jahreszahl von 1886 stammt von der alten Jagdhütte.

Unsere Wanderung durch das Riesengebirge ist beendet. In einer Stunde können wir wieder in Karpacz / Krummhübel sein. Viele Hotels und Pensionen erwarten uns. Nach dieser "anstrengenden" Wanderung wird ein gutes Abendessen und ein weiches Bett Wunder an unseren strapazierten Körpern bewirken.


Die Bergbauden im Isergebirge

Ausgangspunkt einer Wanderung zu zwei Bergbauden ist Bad Flinsberg / p. Swieradow Zdroj.
Viele Wege führen nicht nur nach Rom, sondern auch zum Heufuder. Am kürzesten eine Art Trampelpfad auf direkten Weg nach oben, wesentlich kürzer als die Straße. Für Wanderfreunde geeignet, der Weg über Bad Schwarzbach. Am bequemsten die Fahrt mit dem Taxi.

Heufuderbaude / Schronisko "Na Stogu Izerskim"
früher
heute (Foto: Hans Schulz)

"Wo sich die Wasserwege in Nord- und Ostsee trennen", schreibt Hans Schulz: Das 1 108 Meter hohe Heufuder (Stog Izerski) liegt im interessantesten Teil des polnischen Isergebirges- im hohen Iserkamm und gehört zu den attraktivsten Aussichtspunkten. Der Panoramablick reicht bis in das Riesengebirge, auf Bad Flinsberg, ins Queistal und weit in das schlesische Gebirgsvorland hinein. Der Gipfel bildet übrigens auch die Wasserscheide zwischen der Nord- und Ostsee. Unterhalb des Gipfels wurde 1924 auf Initiative der Familie Schaffgotsch und Dr. Josef Siebelt, der als damaliger Kurarzt zur Entwicklung des Kurortes beitrug, eine Einkehrstätte errichtet – die Heufuderbaude (Schronisko "Na Stogu Izerskim"). Sie hat bis heute viel von ihrem ursprünglichen Aussehen bewahrt. Besonders der große Speisesaal mit seiner Holztäfelung ist fast unverändert.

Seit vier Jahren kümmern sich Grazyna und Piotr Bielewicz um das Wohl der Gäste. Zu ihren Spezialitäten gehören das typische Bigos (12 Zloty), Schnitzel (20 Zloty) und Maultaschen (7 Zloty). Für den Aufstieg aus Swieradow Zdroj (Bad Flinsberg) benötigt man rund zwei Stunden. Kurgästen, denen der Weg zu beschwerlich ist, können die Dienstleistung der Baude nutzen und sich für 20 Zloty pro Person mit dem Linien-Taxi nach oben bringen lassen. Anruf in der Baude genügt.

Die Heufuderbaude wird neben den polnischen auch von tschechischen und deutschen Gästen gut angenommen. Besonders die im Ort weilenden Kurgäste zieht es immer wieder herauf. Durch die von der Leitung organisierte motorisierte Auffahrt, können auch Touristen, die nicht so gut zu Fuß sind, die Atmosphäre und den Panoramablick genießen.
Übernachtung: 50 Betten in Zwei- bis Vierbettzimmern und einem Schlafsaal für 14 Personen. Preise: Übernachtung ohne Frühstück: 25 Zloty (rund 6 Euro) pro Person, Frühstück für 12 bis 15 Zloty (3 bis 4 Euro).

Das nächste Ziel ist das Wittighaus auf der anderen Seite der Grenze. Auf holprigem Weg, blaue Markierung, geht es zum Grenzübergang, der für touristische Zwecke genutzt werden kann. Auf dem nun gut ausgebauten und ausgeschilderten Weg erreichen wir in kurzer Zeit die Tafelfichte 1.124 Meter. Die Berggaststätte Tafelfichte und Aussichtsturm sind irgendwann nach 1945 abgerissen worden. Seit ca. zwei Jahren ist ein neuer Aussichtsturm erbaut und ein hochaufgerichteter Stein mit eingelassener Schrifttafel und Bildnis erinnert an Theodor Körner der 1809 hier weilte.


Von hier führt ein herrlicher Wanderweg, zuerst blaue, später rote Markierung, zum Wittighaus / Smedava.

Wittighaus / Smedava
früher
heute (Foto: Hans Schulz)

Hier lassen wir Hans Schulz zum letzten Mal zu Wort kommen. Unter der Überschrift, "Wo die ersten Rodelwettkämpfe Böhmens stattfanden", kann er uns u.a. folgendes berichten:
Vermutlich schon zur Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert entstand im Isergebirge am Zusammenfluss der Schwarzen und Weißen Wittig (Cerna und Bila Smeda) die Bergeinöde Wittighaus (Smedava). Die älteste Erwähnung stammt aus dem Jahre 1814. Erste Bewohner waren wohl Holzfäller und Köhler, die daneben Baudenwirtschaft und Rinderzucht betrieben. Mit der Entwicklung des Tourismus in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zählte dieser Nebenerwerb zunehmend zur eigentlichen Quelle des Lebensunterhaltes. Im Jahre 1895 wurde die Straße von Bily Potok (Weißbach) zum Wittighaus gebaut und zwei Jahre später bis nach Sous (Darre) verlängert.

Schon vor einhundert Jahren war die Baude ein verlockender Anziehungspunkt für Ausflügler- und das nicht nur im Sommer, sondern auch im Winter. Beim Personal konnte man Hörnerschlittenfahrt nach Bily Potok bestellen. Nicht uninteressant ist, dass hier 1895 die ersten Rodelwettkämpfe in Böhmen stattfanden. Das alte Wittighaus fiel in den Abendstunden des 16. Juni 1932 einem verheerenden Brand zum Opfer. Innerhalb von drei Jahren wurde eine neue Herberge errichtet, die sich bis heute baulich kaum verändert hat. Seit zwölf Jahren bemüht sich Zdenek Hrib mit seiner Familie um das Wohl der Gäste: Heute kommen die Besucher aus allen Himmelsrichtungen auf Fahrrädern, im Winter auf Skiern oder motorisiert hierher. Die Hütte ist wegen ihrer zentralen Lage sehr gefragt.
Deutsche Touristen bevorzugen traditionell Gulasch mit Knödel (Preis ca. 5,50 Euro). Zu den Spezialitäten des Hauses gehört der Smedava-Schmaus für 5,50 Euro (Schweinekeule, große Gemüsebeilage, Spiegelei, Schinken, Champions, Meerrettich). Es kann auch übernachtet werden.

Unsere Wanderung endet hier. Wer mit dem Auto nach Bad Flinsberg gereist ist, muss nun auf fast gleichem Weg zurück. Gute Wanderer gehen je nach Lust und Laune bzw. Kondition weiter nach Schreiberhau / Szklarska Poreba, Harrachsdorf / Harrachov oder verbleiben im Isergebirge.


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