In der Sächsische Zeitung, Samstag, 18. Juni 2005 und weitere Ausgaben wurden 17 Bauden im Riesengebirge vorgestellt. Herr Karl-Heinz Drescher aus Leipzig hat dazu eine Kommentierung für die "Bergwacht" geschrieben, die hier mit seiner freundlichen Genehmigung veröffentlicht wird. Er stellte auch aus seiner privaten Sammlung die abgebildeten Ansichtskarten zur Verfügung.

Bergbauden des Riesen- und Isergebirges

von Karl-Heinz Drescher, Leipzig

Unter dem Titel "Zu Besuch in den Bergbauden des Iser- und Riesengebirges" stellte die Sächsische Zeitung im Internet unter www.sz-online.de (ABO erforderlich) im Zeitraum vom Juni bis Oktober 2005 siebzehn Bauden beiderseits der Grenze vor.

Während Eva Jeschkova die Bauden auf böhmischer/tschechischer Seite vorstellt, hat die gleiche Aufgabe Hans Schulz auf schlesischer/polnischer Seite übernommen.

Die Beiträge sind weder alphabetisch noch geographisch geordnet, sondern erscheinen in loser Folge. Prioritäten der Bauden wurden nicht gesetzt, denn die ältesten und bedeutendsten Bauden des Riesengebirges, die Wiesenbaude/Lucni bouda- und die Hampelbaude/Schronisko "Strzecha Akademicka", werden nicht vorgestellt.

Das Interessante dieser Beiträge, besonders für die vertriebenen Bewohner des Riesen- und Isergebirges, dürfte nicht die Vorstellung der Bauden schlecht hin, ihr Standort und ihre Umgebung sein, denn das ist den meisten Lesern noch hinreichend bekannt und in lieber Erinnerung.
Interessant dürften die heutigen Eigentumsverhältnisse, ihre neuen Besitzer bzw. Betreiber sein. Noch wichtiger, man lässt sie zu Wort kommen. Sie sprechen nicht nur über das Tagesgeschäft, über Erfreuliches, Sorgen und Nöte, sie geben auch Auskunft über die Perspektiven des Tourismus im Gebirge allgemein und die damit verbundenen Zukunftsaussichten der Bauden. Die Historie kommt auch nicht zu kurz, wobei manches schlecht recherchiert, falsch und daher berichtet werden muss. Ansonsten eine Einladung ins Riesengebirge der etwas anderen Art.

Wer aber unser Riesengebirge kennen lernen will muss es erwandern, "O Täler weit, O Höhen" – was die Kammwanderung von Oberschreiberhau bis zu den Grenzbauden dem Auge des Wanderers bietet, war und ist in keinem anderen deutschen Gebirge zu finden.
Daher möchte ich für den interessierten Leser der Bergwacht die Vorstellung der Bauden mit dieser Wanderung verbinden.

Unsere Wanderung beginnt in Schreiberhau bei der Josephinenhütte, die heute stillgelegt ist und führt in 40 Minuten zum Zackelfall. Oberhalb des Falles überschreitet der Weg bei der Schleuse den Bach und durch den Wald, mäßig ansteigend, vorbei an einem Felsen "Rübezahls Würfel", kommt man nun steil ansteigend am Ende der Baumregion, nach vielleicht 1,5 Std. zu unserer ersten Station, der Neuen Schlesischen Baude / p. Schronisko "Na Hali Szrenickiej".

Neue Schlesische Baude / Schronisko pod Labskim Szcytem
früher
heute (Foto: Hans Schulz)

Unter der Überschrift "Wo sich im Winter die Skiläufer tummeln", schreibt Hans Schulz u.a. folgendes:
Das Gebäude hieß zu damaliger Zeit "Kranichbaude", später "Neue Schlesische Baude". Jener Name galt bis 1945. Zunächst war die Bedienung von Touristen für die Baudenbewohner nur eine Nebenbeschäftigung. 1846 entstand jedoch ein zweites Gebäude, die Sommerbaude, das als Berghütte für Wanderer diente. 1937 erhielt die Baude die heutige Gestalt, den jetzigen Namen 1950, nachdem der Polnische Verband für Touristik und Landeskunde entstanden war. Seit der Renovierung 1961/1962 ist sie die größte Baude auf der schlesischen Seite des Riesengebirges. Jan Zielinski ist seit 1992der Leiter. Touristen können in Doppel-, Dreibett- und Vierbettzimmern übernachten. Anspruchsvollen Gästen stehen Appartements mit Dusche, WC und Fernseher zur Verfügung. Preiswerter sind Übernachtungen in Schlafräumen für sechs, acht, zehn und zwölf Personen. Außerdem bietet die Baude Vollverpflegung an. Im Winter tummeln sich vor der Baude Abfahrtsläufer, denn die Kranich- oder auch Grenzwiese ist Teil des Ski- Gebietes "Ski Arena Szrenica".

Für Freunde des Riesengebirges, die etwas mehr über die Geschichte der Baude erfahren möchten, wäre noch in Kurzform hinzuzufügen, dass alles mit einer Viehbaude anfing. Schwiegersöhne des verstorbenen Baudenmannes Franz Hallmann bezogen die Baude. Einer von ihnen, Wenzel Krause aus den Krausebauden, wird 1787 im Schreiberhauer Kirchenbuch als Pächter der "Neuen Baude" bezeichnet. Später übernimmt er die "Böhmische Grenzbaude", die spätere Wosseckerbaude (1790). Ein weiterer Schwiegersohn, diesmal aus der Alten Baude, Johann Paul Adolph übernimmt dann die Baude. Von ihm stammen die Adolphs, die bis 1945 die Baude bewirtschaftet haben. Aus bescheidenen Anfängen heraus wurde 1869 mit dem Bau des Weges von Schreiberhau (Zackenfall), aus der Viehbaude ein besuchtes Berggasthaus. 1875 gab es schon echtes Bier aus Bayern. 1909 übernimmt Heinrich Adolph die Baude. In dessen Zeit fällt der Umbau durch die Architekten Gebrüder Albert, die auch später die Reifträgerbaude erbauten, zum modernen Berghotel. 30 Zimmer mit 80 Betten waren im Angebot. Neben der Baude befand sich noch ein Badeteich für die Gäste. Das Wasser wurde auch zum Antrieb einer Turbine genutzt, denn die Baude erzeugte ihre Elektrizität selbst.
Heinrich war ein echter Wintersportler. Er war nicht nur der Gründer des ersten Schneeschuhvereins, er trug auch den Ruhm des winterlichen Gebirges in die Welt hinaus. Nach seinem Tod wurde ihm zu Ehren der Heinrich-Adolph-Gedächtnislauf alljährlich zu Ostern ausgetragen.
Nach 1945 hat es auch hier und zwar im Dachstuhl gebrannt, so das heute im Mitteltrakt ein Stockwerk fehlt.


Wir setzen unseren Weg fort und kommen in die Knieholzzone. Nach wenigen Minuten gehen wir nach links auf dem Seydelweg in Richtung Pferdekopfsteine und gelangen zu unserem nächsten Ziel, der Reifträgerbaude / p. Schronisko "Szrenca".

Reifträgerbaude / Schronisko na Szrenicy
früher
heute (Foto: Hans Schulz)

Unter der Überschrift "Wo es den schönsten Rundblick ins Gebirge gibt", kann man folgendes lesen:
Die auf dem höchsten Gipfel stehende Reifträgerbaude auf schlesischer Seite wurde als "Trotzhaus" errichtet. Der deutsche Pächter Endler stritt mit der Verwaltung der Herrschaft Starkenbach (Jilemnice) um den neuen Pachtvertrag über die Wosseckerbaude (Vosecka bouda). Er war bestrebt die Pacht zu erneuern, aber seine Bemühungen blieben erfolglos. Die Baude nahm der tschechische Legionär Hercik in Pacht. Von den deutschen Bewohnern wurde Geld für eine neue Baude gesammelt. Nach Plänen der Gebrüder Albert entstand 1921/1922 in wenigen Wochen in unmittelbarer Nähe auf dem Gipfelgrat des Reifträgers eine neue, große, speziell für den Wintersport bestimmte Herberge, die nach dem Willen ihrer Gründer den Namen Deutsch-Böhmerhaus erhielt, aber im Volksmund Reifträgerbaude genannt wurde. Sie war vor allem wegen ihrer gemütlichen Atmosphäre bekannt. Von hier aus hat man den schönsten Rundblick im westlichen Riesengebirge, in das Hirschberger Tal und auf das Iser- sowie Lausitzer Gebirge.
1968 fiel das Gebäude einem Brand zum Opfer, wurde jedoch wieder hergestellt. Und 1992 als privat bewirtschaftete Baude von Ewa und Wojciech Klopotowscy wieder eröffnet. Sie steht Touristen auch zur Übernachtung zur Verfügung. Gäste loben insbesondere die Hausmannskost. Erfreulich, dass der gebirgstypische Charakter einer Berghütte erhalten geblieben ist. Soweit Hans Schulz.
Unter www.szrenica.pl teilen die Wirtsleute in Polnisch, Deutsch und Englisch mit, das die Baude, als einzige Baude im Riesengebirge eine Kategorie besitzt. Sie bieten 90 Betten an. Der Preis im Doppelzimmer pro Person beträgt ca. 9,00 Euro. Ein Zweizimmer-Appartement kostet 45,00 Euro. Die Preise für Speisen betragen zwischen 1,00 und 5,00 Euro. Spezialitäten sind Eierkuchen mit Quark und Heidelbeeren mit Sahne.

Auch hier einige Korrekturen:
Die Baudengründung ist nicht mit einem fehlenden Pachtvertrag zwischen Endler und der Herrschaft Starkenbach allein zu erklären. Hier macht es sich Hans Schulz sehr einfach. Für die Vertreibung von Endler aus Tschechien und der Neugründung gab es handfeste politische Gründe. Mit dem Zusammenbruch der österreichischen Monarchie bildete sich die Tschechoslowakische Republik. Eine ihrer ersten Entscheidungen war die Durchführung einer Bodenreform, die vor allem den Großgrundbesitz im Grenzgebiet betraf. Da Franz Endler keinen gültigen Kaufvertrag hatte, wurde von staatlicher Seite alles unternommen, um ihn letztendlich zu vertreiben und einen Tschechen als Verwalter einzusetzen. Im Grunde ging es letztlich um die Tschechisierung in dem vorwiegend von Deutschen bewohntem Gebiet. Die Herrschaft Starkenbach spielte am Ende nur eine untergeordnete Rolle. Vater Franz Endler erlebte den Aufstieg der Baude nicht mehr. Er hat die Vertreibung aus der Wosseckerbaude nie überwunden. Einer seiner Söhne, Kurt Endler, wurde einer der erfolgreichsten deutschen Wintersportler und hat durch seine Siege das winterliche Riesengebirge in der Welt bekannt gemacht.



Kurt Endler (* 23.12.1897)

Wir verlassen den Reifträger und erreichen an den Sausteinen wieder den Kammweg. Auf ebenen Weg geht es weiter bis zu den Quargsteinen. Danach, am Grenzstein Nr. 123, biegen wir rechter Hand ab und erreichen nach wenigen Minuten die Wosseckerbaude / Vosecka bouda.

Wosseckerbaude / Vosecka bouda
früher
heute (Foto: Eva Jeschkova)

Unter der Überschrift, "Wo abends um zehn das Licht aus geht", kann uns Eva Jeschkova u.a. folgendes mitteilen:
Die Baude ist nicht nur eine bekannte Herberge im Riesengebirge, sondern auch ein beliebtes Ausflugsziel
Gegründet wurde sie schon Mitte des 18. Jahrhundert als Unterschlupf für Holzarbeiter. Sie wurde auch "Neue Tschechische" oder "Frantiskanska Baude" genannt. Zur Herberge wurde sie im Jahre 1896 und 1900 als Besitz des Fürsten Jan Harrach erweitert. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde sie rekonstruiert und erneut erweitert. Heute gehört die Baude dem Klub tschechischer Touristen. An dem Haus beginnt der Weg der tschechisch-polnischen Freundschaft, der den Gebirgsrücken zu beiden Seiten der Grenze verfolgt.

"Hier gibt es offensichtlich das teuerste Bier und Essen im ganzen Riesengebirge", sagt der müde Tourist Jiri Slocar aus Liberec (Reichenberg), "aber was lässt sich machen, wenn man von einem mehr als zweistündigen Anstieg aus Harrachov kommt". Für einen halben Liter Bier zahlt man hier oben 39 Kronen (1,30 Euro). "Wir sind teuer, das stimmt, aber nicht, weil wir die Einkehrenden übers Ohr hauen wollen", sagt der Leiter der Baude, Petr Hronvsky. "Die Baude ist schwer erreichbar, und die Lebensmittel hier herauf zu schaffen, kostet sehr viel Geld". Auf der Wossecker Baude muss sogar der Strom mit einem Dieselaggregat hergestellt werden. Nach 10 Uhr abends wird ausgeschaltet. Danach leuchtet nur noch im Erdgeschoss ein Notlicht, in den Stockwerken und auf Zimmern ist es dunkel. Eben eine echte Gebirgsbaude. Die Touristen stört das nicht, die wollen sich hauptsächlich ausruhen. Die Baude hat 46 Unterkunftsplätze in Zwei- und Dreibettzimmern. Die Übernachtung kostet 230 Kronen (acht Euro). Viele Stimmen sind kritisch. Sie klagen nicht nur über die Preise, sondern auch über unfreundliches Personal. Dafür schmeckt das Essen: Die Spezialität ist russischer Bortsch für 68 Kronen (zwei Euro).

Zu ergänzen wäre, das der Name Wossek- Wasserecke von den sumpfigen Kranichwiesen abgeleitet wurde. Baudenleute aus den Krausebauden weideten hier im Sommer ihre Tiere. Wenzel Krause, den wir bereits von der Neuen Schlesischen Baude her kennen, erwirkte 1790 von der Herrschaft Starkenbach die Genehmigung zum Bau einer Sommerbaude, die den Namen Neue Böhmische Baude erhielt bzw. in Anlehnung, das sich ein Mönch dort aufgehalten hat, auch "Franziskaner Baude" hieß.
Eva Jeschkova irrt, wenn sie von der "Neuen Tschechischen" oder "Frantiskanska Baude" spricht. 1790 hieß dieser Landesteil Böhmen, gehörte zu Österreich und wurde fast ausschließlich von deutschsprachigen Menschen bewohnt. Wie sollten sie auf die Idee kommen, die Baude als "tschechisch" zu bezeichnen, das hatte damals nichts mit Vorurteilen oder Rassismus zu tun.

Es ist jetzt leider üblich, das man im Nachbarland das Wort "Böhmisch" durch das Wort "Tschechisch" ersetzt. Es ist nur schwer zu verstehen, das z.B. auch im Falle der Böhmischen Baude auf der Schneekoppe, welche 1868 von Blaschke aus den Grenzbauden erbaut wurde und bis 1945 unter diesen Namen bekannt war und auch in die Literatur eingegangen ist, plötzlich Tschechische Baude heißen soll. Es handelt sich wohl dabei um einen etwas übertriebenen Nationalismus.


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