Bergbauden des Riesen- und Isergebirges

von Karl-Heinz Drescher, Leipzig


– Fortsetzung –

Das nächste Ziel ist das Schlesierhaus auf dem Koppenplan. Die erste kurze Wegstrecke führt hinter der Teichbaude auf schlechten Geläuf bis zur Hampelbaude, der ältesten und bedeutendsten Baude im schlesischen Riesengebirge. Wie bereits erwähnt, spielt sie in der Artikelserie leider keine Rolle. Daher verzichten wir, wenn auch nur ungern, auf eine Einkehr und wandern nun wieder auf der befestigten Straße unserem Ziel entgegen, welches wir nach ca. 45 Min. erreichen.

Schlesierhaus / Dom Slaski
früher
heute (Foto: Hans Schulz)

Auch hier lassen wir wieder Hans Schulz unter der Überschrift, "Wo sich im Riesengebirge die meisten Wanderer treffen", in der üblichen Art zu Wort kommen:
Auf dem Kamm steht das Schlesierhaus (Dom Slaski).
Wahrscheinlich stand hier schon im 17. Jahrhundert eine Baude, die den zur Schneekoppe Wandernden Schutz gewährte. Das heute bestehende Bauwerk stammt aus den Jahren 1921/22. Beachtenswert ist der in Rundholzblock-Bauweise errichtete Wandersaal mit Veranda. 1947 begann das Schlesierhaus als eines der ersten nach dem Krieg mit der Beherbergung und Verpflegung der Touristen. Wegen der hier meist starken Winde wurde 1924 ein Windkraftwerk gebaut. Leider überlebte es den ersten Winter nicht. Der sich an den Konstruktionsteilen festsetzende Rauhreif zerstörte es. Hier oben befindet sich übrigens die "verkehrsreichste" Stelle des Kammweges, ist es doch nur noch eine halbe Stunde bis zum Gipfel der Schneekoppe (Sniezka).
Dabei kann man wählen zwischen dem rot markierten steilen, steinigen, durch eine Steineinfassung und Kette gesicherten Zickzackweg oder dem längeren, dafür bequemem Jubiläumsweg, der zum 25-jährigen Bestehen des Riesengebirgsvereins 1905 eröffnet wurde. Letzterer empfiehlt sich eher für den Abstieg.
Das Schlesierhaus befindet sich damit an der zentralen Stelle des Riesengebirgskammes und wird als letzte Einkehrmöglichkeit vor dem Aufstieg zur Schneekoppe von allen Touristen, gleich aus welcher Richtung sie kommen, geschätzt. Dies bestätigen auch Henry und Anna Czarsey, die diese Gebirgsbaude seit über 20 Jahre leiten: "Im Sommer ist es ein einziges Kommen und Gehen. Im Winter kehren die Skitouristen ein". Allerdings kann man im Schlesierhaus nicht übernachten. Dafür sind die Spezialitäten gefragt: Gulasch, Klöße und Salat für 17,50 Zloty (4,50 Euro) oder Bigos mit Bratwurst für 10 Zloty (2,50 Euro).
Soweit die Wirtsleute und Hans Schulz.

Wie üblich auch hier wieder meine Anmerkungen:
Hugo Teichmann, Spross einer alten Laborantenfamilie aus Krummhübel, die später die Schnurrbartbaude und das weit über die Grenzen von Schlesien hinaus bekannte Berghotel "Teichmannbaude" besaßen, war der Erbauer dieses Berghotels. Im Rieseführer Grieben von 1922 und Storm 1925 wird besonders hervorgehoben: Massiv erbaut, behaglicher Speise- und Tanzsaal, Gesellschaftszimmer und Wandersaal für 200 Personen. Eigene Konditorei und Eismaschine. 40 Ein- und Zweibettzimmer für 80 Gäste standen zur Verfügung. Es gab Zentralheizung und als Besonderheit und Neuheit eine Heißluft-Kleidertrockenanlage. Nasse Kleidung wurde beim Betreten der Baude abgegeben und beim Verlassen erhielt man die getrockneten Kleider zurück. Eine eigene Rodelbahn über 8 km führte bis nach Krummhübel.
Heute ist das Haus auf Selbstbedienung eingestellt und das Bier erhält man im Plastebecher. Bei der von Hans Schulz erwähnten Baude an dieser Stelle, handelte es sich um eine Schutzhütte, die Graf Schaffgotsch, während der Bauarbeiten zur Laurentius-Kapelle, zum Schutz der Koppenreisenden gegen das Wetter hatte errichten lassen. Wegen Kälte und heftiger Stürme wurde die Baude abgerissen und an geschützter Stelle, in der Nähe der Hampelbaude, als Geistliche Baude, neu errichtet. Während der Gottesdienste in der Kapelle, diente sie den Klostergeistlichen als Unterkunft.


Wir verlassen die Baude und könnten nun den Gipfelsturm auf die Koppe in Angriff nehmen, aber es gilt noch der Geiergucke einen Besuch abzustatten. Also wenige Meter auf dem Kammweg zurück und nach Überschreiten der Grenze dann links in Richtung Wiesenbaude. Auf dem gut ausgebauten in instandgehaltenem Weg, früher hieß er Rotterweg, kommen wir nach 30 Min. zur Wiesenbaude, der ältesten im Riesengebirge. Seit einiger Zeit wieder gut bewirtschaftet lohnt es sich einzukehren. Ein gutes Speisenangebot, dazu ein frisch gezapftes Budweiser im Wappenglas erfreuen den Wanderer.

Wie schon erwähnt wird sie nicht vorgestellt. Daher geht es nach kurzer Rast weiter über die Weiße Wiese zum Sattel des Brunnberges. Links am Weg die Kapelle zum Gedenken der Bergopfer. Dann geht es abwärts zum Aussichtspunkt Geiergucke.

Vyrovka / Geiergucke
als Erfrischungsbaude – früher
als Herbergsbaude – früher



Vyrovka / Geiergucke – heute (Foto: Hans Schulz)

Ganz in der Nähe das Hotel "Vyrovka", welches uns Eva Jeschkova unter dem Titel, "Wo Gäste nur schwer hinauf zu locken sind", vorstellt.
Das Riesengebirgshotel Vyrovka, was übersetzt eigentlich Uhu-Nest heißt, das im Deutschen aber unter dem Namen Geiergucke-Baude bekannt ist, ist ein moderner Holzbau. Um dort hinauf zu kommen, ist aber ein fast sechs Kilometer langer Anmarsch aus Pec pod Snezkou (Petzer) notwendig. Im Sommer ist das möglich, im Winter gelingt es nur erfahrenen Skiläufern.
In der Umgebung ist auch keine Abfahrtsgelegenheit. "Das ist leider ein Elend, die komfortablen Unterkunftsmöglichkeiten sind im Jahr nur zu 15 Prozent ausgelastet. Gerade jetzt beginnen die Ferien, und unsere Betten bleiben fast leer", ärgert sich Hotelchef Jaroslav Makovicka.
Die Vyrovka ist eines der wenigen Hotels im Riesengebirge, das nicht in Privatbesitz ist. Sie gehört dem Klub tschechischer Touristen. Während sich andere Gebirgsbauden bemühen Gäste anzulocken, sehen hier die Betreiber die Zukunft schwarz. "Vielleicht wenn der Riesengebirgs-Naturschutzpark an die Auflösung ginge ...", überlegt der Wirt, "dann wäre es besser". Immer neue Verbote, sagt er, würden die Baude nur immer schlechter zugänglich machen. Voriges Jahr zum Beispiel hätten die Naturschützer sogar das Spuren der Langlaufstrecken in der Umgebung verboten. "Und wir bleiben dann ohne jedes Geschäft", sagt Makovicka verzweifelt. "Im Winter ist es manchmal ganze zwei Wochen lang kein Mensch zu sehen".
Die Vyrovka liegt in nordwestlicher Richtung oberhalb von Pec pod Snezkou. Sie entstand schon im 18. Jahrhundert. Aus dieser Zeit muss sie auch ihren Namen bekommen haben:
Die Zöllner, so erzählt man, hätten sich hier oben, "wie die Geier" auf die Schmuggler gestürzt. Während des Zweiten Weltkrieges hatten die Deutschen in der Baude Ausbildungszentrum eingerichtet. Das Objekt wurde später Opfer eines Brandes. An seiner Stelle wuchs ein provisorischer hölzerner Bau, der Ende der 80er Jahre durch das heutige moderne Holzgebäude ersetz wurde.
Um die Beförderung der Gäste kümmert sich das Hotel mit eigenem Wagen, ebenso bemühen sich 6 Angestellte um ihre Zufriedenheit, denn die Vyrovka ist eine Luxusbaude. Die Zwei- und Vierbettzimmer sind mit Dusche, Toilette und Rundfunk ausgestattet. Die Besucher finden einen Klub- und Sportraum, Sauna und Sommerterrasse mit Schnellbedienung.

Einige Anmerkungen:
Das von Eva Jeschkova erwähnte Gebäude aus dem 18. Jahrhundert ist das, aufmerksamen Lesern der Bergwacht hinreichend bekannte, da schon oft gedruckt, sogenannte "Hotel Geiergucke", wo ähnlich wie bei der "Blassen" Milch. Käse, Branntwein und Erfrischungen verkauft wurden. 1926 kam es dann zum Bau einer größeren Baude, in der später das tschechische  Militär stationiert war, welches für den Bau der Befestigungsanlagen im östlichen Riesengebirge verantwortlich war. 1938, nach der Okkupation der Tschechischen Republik durch Nazi-Deutschland, wurde die Baude den Gebrüdern Bönsch, als Ausgleich für die vom tschechischen Militär abgebrannte Wiesen- und Rennerbaude, übereignet. 1947 und 1948 kam es dann zu zwei Bränden und zur endgültigen Vernichtung der Baude.


Unser Weg führt weiter talwärts bis zu den Richterbauden / Richtrovy Boudy. Dort, am Beginn des Waldes, biegen wir links ab und wandern auf schattigem Weg in den Blaugrund / Modry dul und gleich weiter bis zum Riesengrund / Obri dul. Die Riesengrundbaude lassen wir rechts liegen und wandern leicht ansteigend bis zum "Gasthaus im Riesengrund" / Pod Snezkou, früher auch Grossmannbaude geheißen. Wenige Meter dahinter die kleine Bergkapelle, wo der Opfer der Steinlawine von 1897 gedacht wird. Nun geht es auf gewundenen Weg nach oben. An der Stelle, wo früher die fast legendäre Bergschmiede / Kovarna gestanden hat legen wir eine Rast ein. Seit einiger Zeit ist hier wieder ein Stollen zu Besichtigung freigegeben. Nun geht es steil nach oben bis zur Waldgrenze. Am ehemaligen Pumpwerk der Schneekoppenbauden machen wir eine erneute Rast und genießen den Blick zum Aupafall, Rübezahls Lustgarten und Brunnberg. Am Dix-Kreuz vorbei erreichen wir kurze Zeit später wieder den Koppenplan. Reichlich 3,5 Stunden haben wir für unsere Rundwanderung gebraucht.
Aus den Steinen der ehemaligen Riesenbaude / Obri bouda, abgebrannt 1982, wurde ein Aussichtspunkt geschaffen, der herrliche Blicke in den Riesengrund gestattet.
Die Schneekoppe erklimmen wir über den recht steilen "Zickzackweg" am Westhang des Berges. Die Schneekoppe, Höhepunkt jeder Kammwanderung, mit 1602 Metern höchster Berg des Riesengebirges, einst höchster Berg Preußens, heute Tschechiens höchste Erhebung, ist erreicht.
Nach dem Abriss der Böhmischen Baude ist die Laurentius-Kapelle nun das einzige Gebäudes des uns einst so vertrauten Anblicks des Koppengipfels.

Schneekoppe / Sniezka
früher (Lithographie von E. W. Knippel, Schmiedeberg/Rsgb.)
Koppenhäuser vom Flugzeug gesehen – früher




heute (Foto:Archiv SZ)

Unter der Überschrift, "Wo das Riesengebirge am höchsten ist", übermittelt uns Hans Schulz u.a. folgendes Wissenswertes:
Zunächst war die Schneekoppe Ziel religiöser Pilgerfahrten, an denen große Menschenmengen teilnahmen. Nachdem 1850 (auf schlesischer Seite) die erste Herberge erbaut worden war, wählten viele Touristen die Koppe zum Ziel ihrer Wanderungen, zumal ab 1868 auch auf böhmischer Seite eine Baude zur Einkehr und Übernachtung einlud. Beide Bauden hatten zu damaliger Zeit eine Übernachtungskapazität für 120 Nachtgäste.
Der steigende Touristenstrom machte es erforderlich, nach neuen Möglichkeiten zu suchen. 1974 entstand im Zusammenhang mit dem Neubau des Meteorologischen Hochgebirgs-Observatoriums das "Restauracja na Sniezce" (Gasthaus auf der Schneekoppe). Der alte hohe Bau von 1900 wurde abgetragen. Das jetzige Gebäude erinnert in seiner Form an übereinander angeordnete Untertassen (im Volksmund Ufo). Das Büfett wird seit über 10 Jahren von Teresa Czarnecka geleitet, die das ganze Jahr über hier wohnt. Touristen aus aller Welt geben sich die Klinke in die Hand. Zu den Spezialitäten gehören Bigos (8 Zloty) und Gulasch (10 Zloty). In unmittelbarer Nachbarschaft befinden sich die Laurentius-Kapelle, ein Kiosk auf tschechischer Seite sowie die Bergstation des Sesselliftes aus Pec (Petzer) über den Ryzova hora (Rosenberg). Besucher können auch einen Blick in die Wetterstation werfen oder von der Aussichtsplattform das einmalige Panorama genießen. Auch das gilt es zu bedenken: Der Gipfel ist im Durchschnitt an 296 Tagen im Jahr teilweise in Wolken und Nebel eingehüllt. An rund 122 Tagen im Jahr schneit es. Die Baudenwirtin Teresa Czarnecka zeigt sich optimistisch: Obwohl der Gipfel zu den windexponiertesten Europas gehört, die mittlere Temperatur nur bei 0,1 Grad liegt, gehört der höchste Berg des Riesengebirges zu den beliebtesten Wanderzielen. (Schluss)
Das Büfett ist 9 bis 17 Uhr geöffnet. Übernachtung: Zwei Zwei-, ein Fünf- Bettzimmer für 50 bzw. 40 Zloty p.P. ohne Frühstück.
So weit die Ausführungen von Hans Schulz.

Berge haben Menschen von jeher angezogen, so war es nicht verwunderlich, das Koppenwanderungen schon seit dem 16. Jahrhundert zu den touristischen Höhepunkten, insbesondere zur Beobachtung des Sonneaufganges stattfanden. Die von Graf Schaffgotsch gestiftete und 1665 oder 1668, es gibt unterschiedliche Angaben in den verschiedenen Quellen, erbaute Laurentius-Kapelle wurde am 10. August 1681, dem Tag des Heiligen geweiht und war eine Folge dieser Koppenwanderungen. Goethe bestieg die Koppe am 15. September 1790. 1810 wurden dann die Gottesdienste eingestellt und die Kapelle diente ab sofort als erste "Restauration" auf der Koppe. 1850, vielleicht schon 1840, auch hier gibt es unterschiedliche Angaben, kam es dann zu der, von Hans Schulz erwähnten Baude.
Zwei Bauden, die "Preußische", später auch "Deutsche" genannt, von 1862 und die "Böhmische" von 1868 waren dann, mit nur einer kurzen Unterbrechung, im Besitz der Familie Pohl. Neben den 120 Betten (keine Massenlager) bot allein der Saal der Preußischen Baude 300 Gästen Platz. Ganztägig geöffnet. Zitherspiel und Tanz sorgten für Stimmung. Die Bauden im Riesengebirge wurden immer an ihrer Gastlichkeit gemessen. Gastlichkeit und Baudenzauber auf der Schneekoppe waren weit über die Grenzen Schlesiens hinaus bekannt und beliebt.
Ein überdimensioniertes Bauwerk mit einem Selbstbedienungsrestaurant, welches um 17 Uhr schließt, wird an diese Traditionen von vor 1945 leider nicht anknüpfen können.


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