In unserem Serial von Landkarten des
Riesengebirges haben wir den Leser schon mit vielen kartographischen handschriftlichen
und gedruckten Arbeiten bekannt gemacht. Erst am Ende des 18. Jahrhunderts,
als das höchste böhmische Gebirge schon dem wissenschaftlichen Interesse
und dem Wandererstrom geöffnet war, entstanden Landkarten, die wir als
Vorgänger der für Orientierung und Wanderbewegung im komplizierten
Gelände des Riesengebirges bestimmten Karten ansehen können. Die erste
ausführliche Landkarte entwarf Josef Karl Eduard Hoser, Autor der berühmt
gewordenen und bisher unübertroffenen Monographie "Das Riesengebirge
in einer statistisch-topographischen und pittoresken Übersicht", deren
erste Ausgabe in den Jahren 1803 - 1804 herauskam. Das Konservationslexikon
von Otto nennt J. K. E. Hoser als Geograph und Ethnograph, Kunstkenner und Sammler.
Die beiden letzen Prädikate verdiente er sich durch eine große Kollektion
von Bildern, die er im Jahr 1844 der Gesellschaft der vaterländischen Kunstfreunde
in Prag schenkte, die Grundlage unserer Nationalgalerie wurde (siehe Krkonoše
5/1996).
Josef K. E. wurde am 30. Jänner 1770 als Sohn eines Rentmeisters in Ploskovice
/ Ploschkowitz geboren. Er studierte zuerst die Rechte und dann Medizin, und
als er im Jahr 1798 den Doktor-Grad erreichte, wurde er praktischer Arzt in
Prag. Aber schon zwei Jahre später trat er in die Dienste des russischen
Generals Durasov und kurz darnach des Österreichischen Heerführers
Erzherzog Karl als sein Leibarzt. Der Feldzug nach Westeuropa befriedigte seine
Reisesehnsucht, der er schon früher jede freie Zeit widmete. Noch in der
Zeit seiner Studien nach seiner ersten Riesengebirgsreise im Herbst des Jahres
1793 entschied er sich, alle bisher verstreuten Erkenntnisse zusammenzufassen
und Interessenten am höchsten Böhmischen Gebirge ein Kollektivwerk
seiner Natur und Bewohner darzubieten. In den Jahren 1794 1796 setzte
er das Kennenlernen des Riesengebirges fort und bereitete die Herausgabe einer
Monographie vor, deren Bezeichnung auch nicht im Entferntesten den Reichtum
ihres Inhaltes ausdrückt. Die Art, mit der er den Stoff des Buches gliederte
und verarbeitete, die Enzyklopädien fast aller heutigen Fächer der
Natur- und Gesellschaftswissenschaft einbeziehend, zeugt nicht nur von seinem
unermeßlichen Talent und von aufgeklärter Bewunderung des Lebens
der Gebirgsbewohner. Wenn einer der Anlässe für Hosers Bestrebung
der Mangel an Lehrwerken über das Riesengebirge und des Kennens überhaupt
war, so bezog sich diese Tatsache auch auf seine Landkarten-Abbildung. Gleich
wie das Buch ist auch seine Kartenbeilage eine Durchbrucharbeit.
In einer Übersicht über alte kartographische Arbeiten stellt Hoser
fest, daß keine das ganze Riesengebirge umfaßt und daß ihre
Bearbeitung wenig detailliert, und ungenau ist. In der Einleitung zum ersten
Teil der Monographie charakterisiert er: "Von mir selbst mittels neuester
Ortsbestimmung und bester Hilfsmittel mit größtmöglichster Genauigkeit
gezeichnet, und von einem der besten Graveure Herrn Junker in Wien
gestochene Landkarte kommt unzweifelhaft mit dem zweiten Teil zur Oster-Großmesse
in Leipzig heraus. Sie hat die Größe eines Papierbogens mittleren
Formates und ist im grundlegenden Plan nach dem Muster der neuesten Landkarten
Italiens und der Schweiz ausgeformt. Sie stellt die Fläche von dreißig
deutschen (preußischen) Quadratmeilen dar (im Maßstab der Karte
fallen auf 1 Meile 3 Zoll), von welcher Fläche die größere Hälfte
durchgearbeitet, die übrige dagegen nur angedeutet ist." Gehen wir
von den Angaben des Autors aus, dann umfaßt die Karte ein Gebiet von den
Seiten annähernd 45 x 37,5 km, womit sie sich sehr den gleichzeitigen touristischen
Karten im Maßstab 1:100 000 nähert, gleichgewichtig die böhmische
und schlesische Seite des Riesengebirges mit dem westlichen Teil des Isergebirges
und dem Bergzug Landeshuter Kamm (RUDAWY JANOWICKE) bildlich darstellend. Welche
im Vorwort der Karte genannte "beste Hilfsmittel" benutzte Hoser?
Wir können uns vorstellen, daß er ebenso wie bei der Reise ins Isergebirge
die Angaben für das Festsetzen der Höhe über dem Meer mit dem
Reise-Barometer gewann, das für ihn selbst der Abbé Gruber, Teilnehmer
an der ersten Riesengebirgs-Expedition im Jahr 1786 anfertigte. Er ging aber
auch von den neuesten Daten einer Reihe von Geographen aus, die er ausdrücklich
anführt, unter ihnen auch Martin Alois David, von dem er die Höhe
der Schneekoppe und von Hohenelbe übernahm. Zur Orientierung im Gelände
diente ihm ein Kompaß, dessen Nadel aber an einigen Örtlichkeiten
nicht nur die Abweichungen, jedoch vollständig umgekehrt anzeigte. Wenn
er für grundlegende Entwürfe ältere Karten-Unterlagen benutzen
konnte, mußte er sich bei der detaillierten Gestaltung wie er selbst sagt,
auf eigenes Beobachten, Vormerkungen, Zeichnungen und Wirklichkeit stützen.
Da die erste Ausgabe der Karte Hoser´s für uns unzugänglich
ist, reproduzieren wir ihre zweite Ausgabe, die im Jahr 1806 herauskam. Zu ihr
hinterließ Hoser im Besucherbuch der Hampelbaude folgendes Zeugnis: "Auf
meiner achten Sudeten-Reise besuchte ich 6. Dezember 1806 früh zum
sechsten Mal diese Baude, als ich, abgesehen von vielen Hindernissen, die mir
die ungünstige Witterung diesmal in den Weg stellte, am Ende überdies
fast vollständig meinen Zweck erfüllte die Revidierung meiner
Riesengebirgskarte." In den Vermerk fügt er hinzu, daß diese
Landkarte bereits in der Buchhandlung Treutler in Hirschberg und Korn der Jüngere
in Breslau und bei Hosers Bruder Johann in Trautenau erhältlich sei und
daß sie in kurzer Zeit auch auf der Wiesenbaude und vielleicht auch der
Hampelbaude zu haben sein würde.
Für die bildliche Gliederung des Gebirgsgeländes benutzt Hoser unabhängig
von militärischen Karten, Strichelungen und Schraffierung, womit er Gestalt
und Neigung der Gebirgskämme und Gipfel kennzeichnet. Vielleicht gerade
hier übernimmt er das Beispiel jener neuesten Schweizer und italienischer
Karten, niemals aber auf der Grundlage genauer Messungen, sondern nur als gewandter
Zeichner, der seine Beobachtungen auf dem Weg durch die Gebirgsgegend festhielt.
Darüber hinaus gelang es Hoser die Landschaft des Riesengebirges nicht
nur in seiner Ausformung abzubilden, sondern auch mit bedeutender Genauigkeit
in den Entfernungen, die dem gegebenen Maßstab entsprachen, zwischen der
Höhe einzelner Örtlichkeiten auf dem Gebiet des eigentlichen Gebirges,
die Hoser im Text der Monographie mit Siedlungen begrenzt - auf der böhmischen
Seite von der lser beginnend mit Gablonz, Wittkowitz, Hohenelbe, Schwarzental,
Freiheit und Schatzlar, auf der schlesischen Seite mit Oppau, Städtisch
Hermsdorf (Jarkowice), Schmiedeberg (Kowary), mit den Dörfern Steinseifen
(Sciegny), Seidorf (Sosnowka), Hermsdorf unterm Kynast (Sobieszow) mit der Burg
Kynast (Chojnik), Petersdorf (Piechowice) und Schreiberhau (Szklarska Poreba).
Den schwierigen Teil des lnhaltes der Hoser´schen Karte ste11en Orts-
und Umgebungs-Bezeichnungen dar. Die größte Menge ist in der bisherigen
Riesengebirgskartographie (mit Ausnahme der ältesten Bildkarte) enthalten.
Diese finden wir auch in den "Naturschönheiten des Riesengebirges
benannten Kapiteln und in der ABC-Übersicht beachtenswerter Orte im Riesengebirge.
Während der erste Aufsatz begeistert mit poetischem Blick für das
Relief des Riesengebirges schildert, das die Karte abbildet, ist der zweite
ein ortsbeschreibendes Wörterbuch der Städte, Dörfer, Bauden
und ihrer Ansiedlungen, ausgewählter Gipfel und Wasserläufe.
Außer Benennung, die in überwiegendem Maß in die spätere
Terminologie überging, enthält er auch untergegangene Namen, deren
Bedeutung bis zur Kenntnis historischer Zusammenhänge reichen kann. Zum
Beispiel oberhalb von Glasendorf am Rehorn findet sich die Bezeichnung Freyberg,
die hier freigemachter Goldstollen bedeutet. Der Namen Bomesberg oberhalb von
Niederhof ist eine phonetische Ähnlichkeit zum Namen Pomesberg, schon bekannt
aus Hüttels Karte für den Auerhahngipfel, vielleicht den Boden am
Rand einer Fläche bezeichnend, die nicht abgeteilt war. Die St. Laurenz-Kapelle
auf dem Gipfel der Schneekoppe, durch deren Mitte die Böhmisch-schlesische
Grenze verläuft, heißt "Grenzkapelle" und mit einem Kreuzchen
ist offenbar überhaupt zum ersten Mal die Lage des Kapellchens auf dem
Brunnberg gekennzeichnet. Für den nach Osten vom Kessel verlaufenden Kamm
gebraucht sie den tschechischen Namen Krkonoš. Hosers Karte enthält gleichwohl
zahlreiche Ungenauigkeiten und Irrtümer, die man ebenso wie undeutliche
und verstümmelte Umgebungsnamen, mit kritischer Nachsicht, mit Begreifen
der Möglichkeiten des Autors zu beurteilen muß. In Bemerkungen der
Monographie zu Haupttexten versucht Hoser durchaus etymologische und präzisierende
Erklärungen einiger Namen. Wollen wir den Inhalt der Karte studieren und
erklären, so ist das nur gleichlaufend mit den zugehörigen Passagen
der Hoser´schen Monographie möglich.
Noch im Jahr 1812 kam die Karte in dritter Auflage heraus und nach dem Historiker
Heinrich Rohkam "bauten alle von diesen wenigen Karten, die in folgenden
Jahrzehnten entstanden, auf Hoser´s Arbeit auf." Ihre lithographische
Kopie mit einfacher Zeichnung des Geländes und wie in Eile aufgeschriebenen
Bezeichnungen gab der bekannte Verleger Carl Mattis im Schlesischen Schmiedeberg
heraus.
Das Riesengebirge war Hoser´s lebenslängliches Steckenpferd und Liebe.
Außer gedruckten Karten arbeitete er auch eine Reliefkarte aus, die er
in die Sammlungen des Nationalmuseums schenkte. In den Siebzigerjahren des vergangenen
Jahrhunderts forschten nach ihr vergeblich MUDr. Ludwig Schmid und der Autor
dieses Artikels. Es erhielt sich nur eine ausführliche Beschreibung des
Reliefs von Uni-Professor Josef Burkert. Das Modell von Ausmaß 109 x 74
cm war aus einem einzigen Stück Lindenholz gearbeitet und mit schwarzem
Lack bemalt. In west-östlicher Richtung stellte die Karte das Gebiet von
der Linie des Neuwelter Passes zum Liebauer Sattel dar, im Süden begann
das Riesengebirge mit Hohenelbe, im Norden reichte es bis zum schlesischen Warmbrunn.
Wohnorte und Siedlungen kennzeichneten nicht farbige Figuren oder Zeichen, sondern
ihrer Größe entsprechende Messing-Stechnadeln. Außer Kammbauden
traten gelbe Köpfchen zum Beispiel auch auf der Teufelswiese an der Stelle
der jetzigen vier Sommerwohnungen der Baudler.
Es bleibt zu hoffen, daß dieses kartographische Werk Hosers in eines der
vielen Depositarien des Nationalmuseums in Prag entdeckt wird.