Quelle: "Veselý Výlet" ("Ein lustiger Ausflug") in Horní Maršov, Winterausgabe 2002

Miloslav Bartoš

von Antonin Tíchý

Ich bin nicht der Einzige, für den Mila Bartoš die letzte Rettung ist, wenn ich in der Historie des Riesengebirges tappe. Hinter den Türen seines Arbeitszimmers sind Anfragen in allen drei Riesengebirgssprachen zu hören – in Tschechisch, Deutsch und immer öfter auch in Polnisch. Seine ganze bisherige Schaffensphase widmete er dem Riesengebirgsmuseum in Vrchlabi / Hohenelbe. Dabei versucht er, die abgesteckte Grundidee des bedeutenden Sammlungsverwalters aus der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts, von Dr. Karl Schneider erfüllen, nach dem das Museum die Rolle eines regionalen Kultur-, Dokumentations- und Forscherzentrums zu spielen sollte. Die Institution mit einem achtungsgebietenden Renommee auch außerhalb der Grenzen der Republik, feiert in Kürze 120 Jahre ihres Bestehens. Es sollte nicht vergessen werden, dass ein ganzes Drittel davon die "Ameise" Bartoč mit von der Partie war. Gebürtig aus Horni Branná, wo er 1939 in einer Familie mit Legionärstradition und linksgerichteter Gesinnung geboren wurde, machte er 1956 sein Abitur in der Stadt Vrchlabí / Hohenelbe. Mit seinem zweiten Abitur, einem Fachabschluss, schloss er ein Studium an der Kulturschule in Prag ab. Nach der Armeezeit nahm er am 21. Dezember 1961 seine Arbeit im Riesengebirgsmuseum auf. Er ahnte damals sicher nicht, dass es für ganze vierzig Jahre sein sollte. Er hatte das Glück, von der sprichwörtlichen Pike auf zu dienen, durch ein systematisches Aufarbeiten der registrierten Museenfonds. Die pedantische Genauigkeit der "Gründer-Väter" aus dem Riesengebirgsverein war im Zuge der Nachkriegskonfiszierungen in ein Chaos verwandelt worden. Emil Flégl an der Spitze des Museums widmete sich mehr der politischen Öffentlichkeitsarbeit und ganz im Sinne der Zeit stellte er die Interessen der Arbeiterbewegung und der unfehlbaren kommunistischen Partei in den Vordergrund. Das gab Mila die Gelegenheit, inzwischen jeden der Museumsgegenstände in die Hand zu nehmen und jede Archivale zu studieren. Neben seiner Arbeit begann er an der berühmten Karlsuniversität in Prag Völkerkunde zu studieren, ohne allerdings das Studium zu beenden. Zum einen schreckte ihn die formelle Einstellung der damaligen Pädagogen zu Fernstudierenden ab, vor allem aber begriff er, dass die wahre, und durch nichts zu ersetzende Schule des Lebens im Archiv und der reichhaltigen Museumsbibliothek zu finden war. Mit der gleichen Anstrengung, mit der er bisher nur Schachbrettsituationen zu lösen pflegte, nahm er nunmehr ein intensives Deutschstudium in Angriff, das zum Begreifen von historischem Schriftgut aus der Region unerlässlich ist. Seine Lebenspartnerin fand er in den Sudeten bei Žaclér / Schatzlar und dass in der Familie deutsch gesprochen wurde, kam ihm dabei sicher zugute.

Ungeachtet der beruflichen Funktionen, die er inne hatte – in den Jahren von 1995 bis 2000 saß er auch im Direktorensessel – schätzt Mila die in den Siebziger Jahren im Terrain durchgeführte völkerkundliche Erstforschung besonders hoch ein. Außenstehende sind dankbar für seine grundlegenden und inhaltsreichen Artikel aus seiner intensiven Publikationstätigkeit. Schon zehn Jahre lang trägt er seinen Teil zur regionalen Monatsschrift Puls in Form von interessanten Artikeln aus der Geschichte der Stadt Vrchlabí / Hohenelbe bei. Die Geschichte der Arnošt-Hüttenwerke und der Grubentätigkeit bei Ponikla im Sammelband Opera Corcontica, die ausgezeichnete Serie über Landkarten, oder Artikel wie "Riesengebirg´sche Schneeschuhe" oder "Hohenelber Kupferstecher" und viele weitere Artikel in der Zeitschrift Krkonoše sind für viele Forscher bis heute eine wahre Fundgrube. Mit dem Kollegen Luštinec erarbeitete er die Studie "Die Anfänge des Skifahrens im Böhmerland", er beteiligte sich auch am Text zum zauberhaften "Album alter Ansichtskarten aus dem Riesengebirge und dessen Vorland", seine Beiträge sind im Lesebuch des östlichen Riesengebirges des ökologischen Zentrums SEVER in Maršov zu finden, sowie in einer neuen erzählerischen dreisprachigen Publikation über Kunstwerke, welche die Schneekoppe zum Thema haben, "Rund um den großen Berg" genannt. So brachte er den Lesern auch die gelungene, von Zdena Nováková realisierte Rekonstruktion der ältesten Bilderlandkarte des Riesengebirges von Simon Hüttel näher, seine Unterschrift ist aber auch im schmalen Sammelband über die größte Überschwemmungskatastrophe im Riesengebirge im Jahre 1897 zu finden. Über Jahre hinweg arbeitet er an der Übersetzung der Hüttelchronik der Stadt Trutnov vom Ende des 16. und Anfang des 17. Jahrhunderts. Dank seiner Initiative entwickelte sich im letzten Jahrzehnt mit Erfolg die lange tabuisierte Zusammenarbeit mit den in der Nachkriegszeit ausgesiedelten Landsleuten aus Vrchlabí / Hohenelbe, die sich zu einem Freundeskreis des Riesengebirgsmuseums in Marktoberdorf in Bayern zusammenschlossen, sowie die zeitweilig vernachlässigten Kontakte zu den polnischen Museumsleuten aus Jelena Gora / Hirschberg. Reziproke Informationen und Literaturaustausch sind nicht nur wesentliche Beiträge für das Museum selbst und für einen breiten Interessentenkreis, sondern auch wichtige Meilensteine auf unserem Weg nach Europa. Ein wichtiger Bestandteil der Arbeit von Herrn Bartoš ist es, den einzigartigen Museumsfond der Öffentlichkeit auf Ausstellungen zugänglich zu machen. Nach langjährigen Bemühungen gelang es ihm erst nach 1989 durchzusetzen, dass neben dem naturkundlichen Teil auch die Geschichte der Besiedlung des Riesengebirges Bestandteil des Hauptausstellungsthemas des Museums wurde. Im Kreuzgang des Augustinerklosters, in dem das Museum in Vrchlabí / Hohenelbe seinen Sitz hat, installierte er zusammen mit seinen Mitarbeitern die ständige Exposition Mensch und Berge, zu der er auch einen netten Museumsführer verfasste.

Bestandteil des Museums ist auch ein von Mila erkämpfter, ansprechender Raum für kurzzeitige Ausstellungen mit der Zielrichtung Völkerkunde und bildende Kunst. Der Rentner Miloslav Bartoš ist voller Elan und es gelingt ihm auf einzigartige Weise, sich in den unendlichen Inspirationsquellen zu orientieren, die Museenfonds, Archive und Büchereien darstellen. Genug Arbeit für viele Jahre hinaus. Zum Glück für uns Leser tut Mila auch weiterhin seine publizistische Schuldigkeit.

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