"Das Riesengebirge in einer statistisch-topographischen und
pittoresken Uebersicht mit erläuternden Anmerkungen und
einer Anleitung dieses Gebirge auf die zweckmässigte Art zu bereisen
"

von Dr. med Joseph K. E. Hoser

Das Buch ist vier Abteilungen unterteilt.

Das Buch wurde seiten- und wortgetreu im Format DIN A5 abgeschrieben. Es umfasst 711 Seiten im Format DIN A5.

Das Buch beinhaltet eine Kopie der farbigen Trachten und der beiden Notenblätter. Diese drei Seiten haben annähernd das Format von DIN A4. Die Karte des Riesengebirges, den einigen Exemplaren, beigegeben wurden fehlt.

Format des Buches: DIN A5.

Ehemaliges Druckjahr: 1803 / 1804.

Bindung: Fester schwarzer Karton, echte Kaltleimung.

Einige der alten Ausgaben können Sie auch immer noch in einen der vielen Antiquariaten erwerben. Unter www.zvab.de werden Sie sicherlich fündig.

Hier ein kleiner wörtlicher Auszug aus der Zweiten Abteilung:

Bewohner des Riesengebirges.

Unter den Merkwürdigkeiten des Riesengebirges sind vielleicht seine Bewohner selbst die grösste; sie allein bieten in ihren mannigfaltigen Verhältnissen unter einander und vielleicht noch mehr in Rücksicht ihrer individuellen Eigenschaften ein weites Feld der Beobachtung dar. Ihre Erziehung, ihre Nahrungswege, ihre gesellschaftlichen Verhältnisse, ihr politischer Zustand sind Gesichtspunkte, die den Beobachter eine Reihe sehr interessanter und lehrreicher Ansichten gewähren.

Erziehung des Riesengebirgs-Bewohners.

§. 65. Die physische Erziehung des Riesengebirgs-Bewohners war vor etwa einem Viertel-Jahrhunderte noch grössentheils das Werk des guten Beyspieles und der Gewohnheit. Jenes ist heut zu Tage bey weitem weniger der Fall, dieses nur unter gewissen Bedingungen noch gültig. Eingeführte Erziehungs-Anstalten haben in den volkreichen Thälern der Sudeten vieles geändert. Der Sohn ist jetzt im Ganzen gebildeter als der Vater, und glaubt jenen nun in vielen Stücken zu übersehen oder übersiehet ihn auch wirklich. Häufigeres Bereisen der Gebirge von gebildeten und verbildeten Fremden, erweiterte Nahrungswege durch Kunstanstalten und Handwerke, Handelsgeist und Gewinnsucht haben den ursprünglichen Charakter reiner unbefangener Menschennatur jetzt bis auf einige verborgene Winkel des höhern Gebirge zurückgedrängt. Das Volk hat im Ganzen an Kenntnissen und vielleicht auch an klingender Münze gewonnen, aber an Natur und Unschuld verlohren. (76)

Wer indessen nach dem nämlichen Maassstabe die sämmtlichen Bewohner des Riesengebirgs beurtheilen wollte, würde sich sehr irren. Anders ist in vielen Stücken das Charaktergepräge des Thalbewohners, der bloss einige Sommerwochen über mit seinem Viehe ins Gebirge ziehet, anders bey jenem, der irgend eine Kunst oder ein Handwerk im Thale treibt, das ihn zu jeder Jahreszeit in seiner Hütte gefangen hält; noch einen andern Zuschnitt hat der eigentliche und beständige Bewohner der Höhen, der durch seine Heerde ernährt, sich um die Angelegenheiten des niedern Landes nur wenig bekümmert, und seine Baude etwa nur dann verlässt, wenn er Butter und Käse hinabträgt, um dagegen Brod einzutauschen, oder irgend ein unentbehrliches Geräthe anzuschaffen.

Welchen Einfluss auf die Charakterstimmung überdiess Religionsverschiedenheit und politische Verfassung haben, ist bekannt genug. Ungeachtet die Bewohner des Riesengebirges auf böhmischer und schlesischer Seite dem ganzen Äussern nach ein und dasselbe Volk sind, und beyderseits die deutsche Sprache in der nämlichen Mundart sprechen, so erscheinen sie doch in verschiedenen Gegenden mit mancherley Eigenheiten, die bald Resultate ihrer physikalischen, bald Folgen ihrer geistigen Erziehung sind.

§. 66. Die gewöhnliche Lebensart des Riesengebirgs-Bewohners beweisst, wie wenig der Mensch bedarf, um glücklich zu seyn. Einfach in der Äusserung, und genügsam in der Befriedigung seiner Bedürfnisse, nähert er sich noch jetzt vor so vielen andern, dem Ideale von Glückseligkeit, zu dem Rousseau so gern die ganze Menschheit zurückgeführt hätte, und das - wenn es irgendwo auf diesem Erdenrunde bestehet, wohl nur bey dem Hirtenvolke irgend eines Berglandes zu finden seyn möchte. Nirgends ist vielleicht mehr wie hier die Kindheit das eigentliche verkleinerte Bild des künftigen Lebens. Gleich bey seiner Geburt vom Schicksale an einen mehr schönen als milden Boden geheftet, darf hier der Mensch nicht hoffen zu erndten, wo er nicht gepflanzt hat, und schon in den Spielen des Kindes scheint eine Ahnung seiner künftigen Mühe und Anstrengungen sichtbar zu seyn. Unablässig wird er einst mit einem rauhen Himmelsstriche zu kämpfen haben, – und der ganze Zustand des kleinen Menschen zeigt auch jeden Augenblick die zweckmässigste Vorbereitung zur künftigen Nothwehr gegen seine Feinde – Nässe und Kälte. Abhärtung und Duldsamkeit gegen die Unbilden der Witterung ist demnach der erste Grundsatz der physischen Erziehung im Riesengebirge.

Im Durchschnitte säugen die Mütter ihre Kinder ein Jahr, öfters auch wohl noch ein halbes darüber. Nichts ist lieblicher als der Anblick dieser unbefangenen, in Lebensfülle strotzenden und vor Gesundheit blühenden Kinder. Ehedem sah der fremde Reisende wohl Knaben und Mädchen bis ins 10te, 11te Jahr ohne die geringste Bekleidung vor der Haustür tändeln und wie junge Wilde bey seinem Annähern entspringen, jetzt sind nackte Kinder von 4 – 5 Jahren schon eine seltene, unter dem 3ten Jahre aber noch eine alltägliche Erscheinung. Ausser dem, dass die Mütter hier ihre Kinder selbst säugen, widmen sie ihnen eben keine zu grosse Sorgfalt in anderer Hinsicht; während die Mutter von einem Geschäfte an das andere gehet, sitz oder schläft ihr Säugling ruhig in einer Schaukel, die von der Decke der Stube herabhängt, und der die Mutter nur gelegentlich einen neuen Schwung zu geben braucht, um ihre Bewegung stundenlang zu unterhalten, oder er liegt in der Wiege und wird von einem seiner grössern Geschwister ohne Nachtheil der übrigen Beschäftigung mit dem Fusse gewiegt. (77) Sobald das kleine Geschöpf fest auf den Füssen ist, nimmt es schon nach Massgabe seiner Kräfte und seiner Anstelligkeit Antheil an den häuslichen Verrichtungen. Der Knabe folgt der Heerde auf der Bergweide, das Mädchen hilft die Hausgeräthschaften und den Stall reinigen, ist bey der Verarbeitung der Milch beschäftigt, oder es beschäftigt sich mit Spinnen. Doch sind diese Beschäftigungen nicht immer so regelmässig ausgetheilt, abwechselnd siehet man beyde Geschlechter diese oder jene Arbeit verrichten, nur darin vereinigen sie sich immer, dass sie alle thätig sind. Von dem Augenblicke an, da der Knabe oder das Mädchen anfängt ein thätiges Mitglied der Hausgenossenschaft zu seyn, findet in den Geschäften der verschiedenen Alters-Abstufungen kein anderer Unterschied mehr statt, als der, den das verschiedene Maass der körperlichen Kräfte und Anlagen festsetzt.

Man könnte sonach sagen, dass der Riesengebirgsbewohner kein Knabenalter durchgehet, und dass er jene glücklichen Situationen nie kennen lerne, die man die Freunden der Kindheit nennt. Dennoch ist niemand glücklicher als er: bey seinen beschränkten Einsichten und geringen Bedürfnissen, bey seiner meistens nur theilweisen Entwicklung, ist sein Leben eine fortgesetzte Kindheit. Sind gleich seine erste Freuden und Genüsse weit weniger abwechselnd und sinnlich, als unter den gebildeten Ständen, so ist dagegen seine späteres mannbares Alter weit weniger thatenreich und sorgenvoll, und welcher ächte Lebensphilosoph möchte ihn nicht darum beneiden, dass er an den stillen Genuss eines minder geräuschvollen Lebens den Vortheil der Dauer knüpft, den wir zu erreichen uns um so weniger schmeicheln dürfen, je mehr wir bemüht sind, jede Kraftäusserung und jeden Genuss unserer gewöhnlichen Lebensperiode in wenige Momente zusammen zu drängen.

§. 67. Die charakterische Einfachheit des höhern Sudetenbewohners äussert sich ganz vorzüglich in seinen Nahrungsmitteln, in seiner Bekleidung und der Bauart seiner Wohnungen. Die gewöhnliche und beynahe alltägliche Kost bestehet nebst Brod, Milch, Käse und etwa ein wenig Butter, abwechselnd aus Sauerkraut, Wasserrüben und Erdäpfeln; schon viel seltener, und wenigstens nicht bey den Bewohnern der höhern Gegenden, siehet man Hülsenfrüchte, Erbsen und Hirse. Die Erdäpfel werden gewöhnlich nur mit Salz, seltener mit etwas Butter abgeschmolzen gegessen. Ein gewöhnliches Gerichte ist der sogenannte Sauerkübel, der aus sauern Molken, Mehl oder Sauerteig, Butter und Salz zubereitet wird; und in den Vorgebirgen das mit gedörrten und zu Pulver zerrieben sauern Äpfeln gebackene Brod. An besondern festlichen Tagen, erlauben sich vermögende Baudenbewohner als einen Leckerbissen, einen aus Mehl oder Schwaden mit Milch gekochten Brey zu geniessen, den sie einen Pappe, und wenn er mit geriebenn Lebzelten (Pfefferkuchen) schichtweise bestreut, und in einer Pfanne mit Butter oder fettem sauern Rahm gebraten worden ist, ein Filsel nennen. Fleisch kömmt bey dem ärmern Gebirgsmann kaum öfters als einmal im Jahre und zwar meistens nur an den Weihnachtsfeyertagen auf den Tisch. Ausserdem scheint nur eine so aussergewöhnliche Veranlassung wie eine Hochzeit, den Aufwand zu rechtfertigen, dass der Hausvater etwa eine junge Ziege für seine Gäste schlachtet, oder zu ihrer Bewirthung das benöthigte Rindfleisch herbeyschaft. In dem Frühstücke, Mittags- und Abendmahl ist selbst kein wesentlicherer Unterschied, als dass zu Mittage Brod gegessen wird, das dem Bergbewohner, der es nicht selbst erbaut, zu theuer wird, als dass er es sich erlaubte in seinem Genusse zu schwelgen. Seinen Durst löscht der Gebirgsmann mit Quellwasser, das kalt und klar wie flüssiger Kristall neben seiner Wohnung vorbeyrieselt, zuweilen erquicket ihm ein Trunk Molken oder abgerahmte Milch.

§. 68. Die Kleidung der Sudetenbewohner ist von jener ihrer Nachbarn in Schlesien und Böhmen nicht wesentlich verschieden. Ein tuchener Rock, der gewöhnlich nur bis an die Knie reicht, meistens von blauer Farbe seltener auch von grüner oder grauer Farbe, eine Weste von gleichem Stoffe, nebst ledernen kurzen Beinkleidern von schwarzer oder schmutziggelber Farbe, weder zu enge noch zu weit, sondern bequem zu jeder Bewegung, hellblaue, graue oder weisse wollene Strümpfe mit Schuhen, und ein schlichter dreyeckiger Filzhut, ist die gewöhnliche Tracht der Männer bey ihren Verrichtungen im Freyen und bey kalter Witterung. Zu Hause, oder bey starker Sommerhitze geht der Bergbewohner gewöhnlich blossfüssig, ohne Rock und Weste. Wenn ihn Geschäfte übers Gebirge zu gehen nöthigen, sichert er seinen Schritt durch einen glatten, etwa 5 böhmische Fuss langen und etwa anderthalb Zoll dicken Fichtenstock, und dicksohlige Schuhe. Bey Glatteis bedient er sich der Steigeisen, bey hohem, frisch gefallenem Schnee aber der schon erwähnten Schneereiffen. (78)

Die Weiber tragen einen grauen oder buntfarbichten von den Hüften bis nahe an die Fersen herabreichenden Rock von wollenem Zeuge, und ein tuchendes Mieder, dessen Vorderseite (der Latz) steif und flach über den Busen emporstrebt - eine

Art Ehrenpanzer, dessen sittlicher Nutzen schwerlich den physischen Schaden, den er stiftet, aufwiegt. Das Hemde, dessen Ärmel nur die Hälfte des Oberarms bedecken, wird vorn unterm Halse mit einer Nadel zusammen geheftet, und Hals und Brust meistens noch mit einem Tuche von gedruckter Leinwand verhüllt. Der Kopf ist by Unverheiratheten gewöhnlich blos, die Haare werden in mehrere Zöpfe geflochten, und auf dem Scheitel dergestalt aufgeschlagen, dass sie eine Art Krone oder Nest bilden, von welchem der dickere Theil wieder in den Nacken zurückfliest, welches in der That mancher recht artig lässt. Weiber tragen eine Haube von weisser oder mit Blumen gedruckter Leinwand; häufig haben auch Weiber und Mädchen, vornehmlich bey ihren häuslichen Verrichtungen, der Reinlichkeit wegen ein gefärbtes leinenes oder baumwollenes Tuch um den Kopf gebunden. Zum vollen Anzuge gehört nebst Schuhen und wollenen Strümpfen noch ein Jäckchen, das gewöhnlich von schwarzem, zuweilen auch anders gefärbtem Zeuge gemacht und mit mehreren Steissfalten versehen ist; schwarz ist überhaupt die Staatsfarbe dieses Geschlechtes.

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