Quelle: Schlesische Bergwacht im Juni 1985

Der Mummelkamm des Riesengebirges

von Erhard Krause, Berlin

Ein wenig bekannter, in der Reiseliteratur vom Riesengebirge kaum beachteter Gebirgskamm im Rübezahlreich ist der Muldenkamm, der auf den meisten Karten als Mummelkamm verzeichnet ist. Er ist der westlichste Teil des Riesengebirges, verbindet am Jakobstaler Pass (890 m) mit dem Isergebirge, bildet die Wasserscheide zwischem dem Elbe- und Odergebiet sowie die Landesgrenze zwischen Schlesien und Böhmen. An dem Pass von Schreiberhau-Neuwelt, wo der Weiberberg (985 m) und der Scheitberg (1041 m) die letzten Pfeiler des Riesengebirges darstellen, erhebt sich der Mulden- oder Mummelkamm mit dem Katzenstein (918 m), steigt bis zu einer Höhe von 1300 m und erstreckt sich bis zur Grenz- oder Kranichwiese nahe der Neuen Schlesischen Baude.

Seinen Namen führt der waldreiche Grenzkamm vom Mummelberg, auch "Muldenberg" genannt, der 1219 m hoch ist und dessen Gipfel die Landesgrenze schneidet. Weitere bedeutende Erhebungen des Kammes sind der Todtenwürg-Berg (1123 m), der Jaksche Berg (1246 m), der Steindl- oder Weiberberg (1296 m) und die Tote Höhe (1030 m). Zwischen Jaksche Berg und Mummelberg liegt die "Lobocher Ebene". Weiter seien noch genannt der Weiße Berg und der Steingite Hübel. Ein Forstteil auf schlesischer Seite des Kammes heißt "Grüner Keil". Dort befand sich in 1108 m Höhe eine Jagdhütte. Eine weitere solche Forsthütte stand auf der böhmischen Seite unterhalb des Mummelberges.

Die älteren Karten des Riesengebirges verzeichnen vom Mummelkamm in der Nähe des Todtenwürg-Berges auch eine "Alfredsbaude". Bei diesem Gebäude dürfte es sich vermutlich um eine der sogenannten Viehbauden gehandelt haben, die nur im Sommer bewohnt wurden und der Viehwirtschaft dienten, in denen aber auch Wanderer ein billiges Nachtlager auf dem Heu erhalten konnten. Der Name Alfredsbaude ist sicherlich dem Vornamen des Besitzers oder Erbauers der Baude entlehnt worden, so wie dies auch bei vielen der alten Riesengebirgsbauden der Fall war.

Von der Lobocher Ebene und der Kranich- oder Grenzwiese eilen der Mummel vom Mummelkamm mehrere muntere Bergbäche zu, die der Wanderer, welcher in dem herrlichen Mummeltal aufwärts wandert, der Reihe nach überschreitet. Es sind dies der Steinigte Bach, das Weißwasser, das Adler-Floß, das Lubocher Floß, das Kranichfloß und der Wosseker Bach. Das Steinigtwasser, welches von der Kranichwiese südlich der Neuen Schlesischen Baude herabkommt, bildet unterhalb der Toten Höhe den sehenswerten Steinigtwaser- oder Plattenfall. Der Wildbach stürzt dort in urwaldähnlicher Gebirgsszenerie in mächtigen Kaskaden rauschend zu Tal und fällt unterhalb Neu weit in die Mummel.

Man kann von Neuwelt nördlich am Steinigten Bach aufwärts in einer Stunde den Wasserfall besuchen. Der blau bezeichnete Weg wurde im Winter als Rodel- und Sportbahn benutzt. Der Weiter weg vom Plattenfall über den Jaksche Berg oder über den Weiberberg (Steindlberg) nach der Neuen Schlesischen Baude war im Sommer nur teilweise gangbar. Ein anderer, vom RGV erbauter Weg führte von dem sogen. "Harrach´schen Reitweg" im Mummeltal nordöstlich zwischen Lubocher Floß und Kranichfloß aufwärts, überquerte das letztere und erreichte nach einer Stunde die Wossekerbaude (1260), welche gemütliche Gastbaude idyllisch am oberen Rand einer Bergwiese gelegen ist.

Urkundlich wird die Wossekerbaude, die in der Quellgegend des Wossekerbaches (Name vermutlich von Wasserecke) erbaut wurde, um 1790 erwähnt. Sie hieß ursprünglich "Neue böhmische Baude", später auch "Franziskanerbaude". 1895 brannte sie ab, wurde im folgenden Jahr im alten Gebirgsbaudenstil neu errichtet und 1921 von den Tschechen verstaatlicht. Als Ersatz für die tschechisch gewordene Baude errichtete die Familie des Ski-Altmeisters Kurt Endler, der am 23.12.1897 in der Wossekerbaude geboren wurde, 1921/22 die moderne Reifträgerbaude. Bereits 1897, im Geburtsjahr Endlers, war in der Wossekerbaude der älteste Schreiberhauer Skiklub, die "Windsbraut", gegründet worden. Beliebt waren die Hörnerschlittenfahrten im Winter von der Baude ins Mummeltal nach Harrachsdorf und Neuwelt.

Ein 1906 angelegter Wanderweg (Palme-Stumpe-Weg) überquert von der Wossekerbaude südlich den Mummelkamm, überschreitet bei "Rübezahls Frühstückshalle" die Mummel und führt über den Plechkamm (1216 m) und die Sahlenbacher Hofbauden nach Rochlitz. Die Mummel selbst, deren beide Quellbäche Große und Kleine Mummel sich bei "Rübezahls Frühstückshalle" vereinigen, bildet in 728 m Höhe den bekannten Mummelfall. Es ist dies der breiteste Wasserfall des Riesengebirges, der ohne künstliche Stauung einem natürlichen Wehr ähnlich in zwei geteilten Strömen über eine Steilstufe des Bachbettes hinabstürzt. Freilich ist der Fall, der für seine Breite nicht hoch genug ist, nur nach Regenfällen und zur Schneeschmelze wirklich sehenswert.

Auf der schlesischen Seite des Mummelkammes hat in einer sumpfigen Mulde von der Lobocher Ebene in einer Seehöhe von etwas über 1100 m der Große Zacken seinen Ursprung. Dieser fließt zunächst etwa 3 km westlich zwischen dem Weiberberg und Mummelkamm, nimmt unter dem Katzenstein das Katzenwiesel auf, durchschneidet bei Jakobstal die nach Neuwelt führende Chaussee und wird dann durch einen den Hohen Iserkamm vorgelagerten Höhenzug zu einer östlichen Richtung gezwungen, welcher er mit geringer Unterbrechung bis zum Ausgang des Zackentales in Hirschberg treu bleibt. Zu seinen Seitentälern zählt das des Zackerle, welches seine Quelle auf der erwähnten Grenz- oder Kranichwiese hat, die in alten Urkunden "Granitwiese" genannt wird.

Häufiger besucht als im Sommer wurde der Mummelkamm, der prächtiges Ski- und Rodelgelände bietet, im Winter, und zwar besonders von der Kolonie Jakobstal aus, von welcher der bequemste Aufstieg ist. In dieser zu Schreiberhau gehörigen Baudensiedlung mit früher 100 deutschen Einwohnern befand sich bis 1945 die höchstgelegene Bahnstation Norddeutschlands (888 m) der Linie Schreiberhau-Polaun. Die Station war zugleich Bahnhof für die 4 km entfernte Glasmacherkolonie Karlstal im Isargebirge. Tschechische Wintersportzüge brachten alljährlich zahlreiche Skisportler in den kleinen Baudenort Jakobstal, die von hier aus ihre Kammfahrten unternahmen.

Gleichfalls viel besucht wird der Mummelkamm von dem bekannten Wintersportplatz Harrachsdorf (645 – 724 m) aus der inmitten tiefer Wälder am Südwestfluss des Kammes liegt. Der Gebirgsort besteht aus drei Teilen: Harrachsdorf, Neuwelt und Seifenbach und ist berühmt durch seine große Harrach`sche Glashütte (gegründet 1713), die wie die Josephinenhütte in Schreiberhau Glaswaren von hervorragender Qualität erzeugte.

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