Quelle: Riesengebirgsheimat – Heimatblatt für die ehemaligen Kreise Trautenau und Hohenelbe – 30 Jahrgang Nr. 11 und 12

Der Jakobstaler Pass

von Erhard Krause, Berlin

Das Bindeglied zwischen Riesen- und Isergebirge bildet der Jakobstaler Pass(880 – 889 m) mit der zu Schreiberhau gehörigen Baudenkolonie Jakobstal, auch "Proxenbauden" geheißen. Hier findet der Riesengebirgskamm, dessen Rückenlinie eine mittlere Seehöhe von 1200 m hat, sein westliches Ende, während das Isergebirge mit einem vom Hohen Iserkamme (Weißer Flins) ausgehenden Glied auf den Pass mit seinen Osthängen stößt. Dieser Nebenzug des Hohen Iserkammes streicht südöstlich zwischen der Großen Iser und der Millmitz bis zur Mündung der Mummel und besitzt seinen höchsten Punkt in der flachen Kuppe des Theisenhübel (1001 m) mit dem Theisenhübelstein. Im Bereiche dieses Zuges liegen die ehemaligen Glashütten Karlstal und Hoffnungstal, sowie auch die Stricker- und Kobelhäuser, alle zu Schreiberhau gehörig.

Von Bedeutung ist der Pass von Jakobstal in mehrfacher Hinsicht: Einmal als Wasserscheide zwischen Iser und Zacken (Ost- und Nordsee), zweitens durch eine wichtige, über ihn führende Verkehrsstraße zwischen Schlesien und Böhmen (die Chausee Schreiberhau-Neuwelt) und drittens durch die höchstgelegene Bahnstation Norddeutschlands. Letztere war die Haltestelle Jakobstal der "Zackentalbahn" Schreiberhau-Polaun, die bei der Försterei Jakobstal (früher Forsthaus Friedrichsbaude) mit 888 m ihren höchsten Punkt erreichte. Außer für Jakobstal war der Bahnhaltepunkt Bahnhof für die beiden nahegelegenen Kolonien Karlstal (825 m) und Kobelhäuser (827 m) im Isergebirge.

Nach der bekanntesten dieser drei Kolonien, dem 4 km östlich der Station befindlichen kleinen Glasmacherort Karlstal mit dem vielbesuchten Gasthaus Schneider, hieß der Haltepunkt zuerst "Haltestelle Karlstal", später "Haltestelle Schreiberhau-Jakobstal". Die seit 1922 elektrisch betriebene Gebirgsbahn wurde nach 1945 von den Polen auf der Teilstrecke Josephinenhütte – Jakobstal – Strickerhäuser stillgelegt und die beiden Kolonien Strickerhäuser und Hoffnungstal 1959 an die CSSR "abgetreten". Seitdem sind die Bahngeleise dort verrottet und es verkehren von Schreiberhau nach Jakobstal, das nun polnische Grenzübergangsstelle zur Tschechoslowakei ist, nur noch Autobusse.

Die längs des Zackens von Petersdorf über den Jakobstaler Pass nach dem Sudetenland führende Chaussee Schreiberhau – Harrachsdorf wurde als Notstandsarbeit zu einer Zeit (1848) erbaut, als "grimmige Not an die Türen der Weberhäuser im Hirschberger Tale klopfte". Sie erhielt deshalb im Volksmund den Namen "Hungerstraße". Verfolgt man die Bergstraße hinter der Josephinenhütte bis zur Passhöhe in Jakobstal, so gelangt man zu einem Granitwürfel "Beim toten Mann" geheißen. Dieser Felsblock trug die Inschrift: "2791 F. über dem Meeresspiegel – Preußens höchste Straße". Eine massive Brücke übersetzt hier den ostwärts in der Nähe entspringenden Großen Zacken, der die Chaussee durchschneidet.

Die Baudenkolonie Jakobstal selbst zählte vor der Vertreibung 100 deutsche Einwohner, die von Viehzucht und Waldarbeit lebten und auch Sommerfrischler beherbergten, denn auf Grund der touristisch günstigen Lage und des guten Skigeländes erfreute sich die Gebirgssiedlung eines regen Fremdenbesuches, besonders im Winter, wo Wintersportzüge aus der Tschechoslowakei zahlreiche Skisportler in den kleinen Ort brachten. Für diese erfolgte ja vom Jakobstaler Pass der bequemste Aufstieg auf den Riesengebirgskamm, während für die ungeübteren Skiläufer im Isergebirge ausgezeichnetes Gelände für ausgedehnte Touren in dem Gebiet zwischen Groß-Iser, Karlstal, Strickerhäuser und Hoffnungstal zur Verfügung stand.

Allerdings mussten im Sommer diejenigen Sommergäste, die in den Baudenhäusern von Jakobstal, Karlstal und Strickerhäuser ihren Aufenthalt nahmen, in der Hauptkurzeit eine kleine Kurabgabe von 20 Pfennig je Tag und Person zahlen, da ja diese Kolonien zum Kurort Schreiberhau gehörten; in der übrigen Zeit betrug die Kurabgabe 10 Pfennig. Das älteste Haus in Jakobstal war die 1749 erbaute, gemütlich eingerichtete Proxenbaude, die ursprünglich ein gräflich Schaffgotsches Forsthaus mit Schankberechtigung war. Nach ihr wurde die Ansiedlung früher "Proxenbauden" genannt. Aus jüngerer Zeit stammte die Katzensteinbaude, die 6 Zimmer mit 13 Betten, Zentralheizung und Autohalle besaß. Sie führte ihren Namen nach dem nahegelegenen Katzenstein. Im Forsthaus "Friedrichsbaude" konnten die Wanderer auch einkehren, doch gab es dort nur Milch zu trinken. Jakobstal hatte auch eine Posthilfsstelle und eine meteorologische Beobachtungsstation.

Man konnte nach Jakobstal von Schreiberhau auch über die Gebertbaude wandern. Man ging zunächst auf der Chaussee bis zur Josephinenhütte, dann auf dem von der Straße rechts abzweigenden Fahrweg am linken Zackenufer in den Wald hinein, über die Bahn und weiter immer an der Bahnlinie entlang zur Baude (790 m), die ein beliebtes Ausflugsziel war. Oberhalb der Gebirgsbaude befand sich der Steinbruch "Rotfloß", in welchem in der Hitlerzeit die gewaltigen Granitsäulen für die Kongresshalle in Nürnberg gebrochen wurden. Von der Gebertbaude ging die Wanderung auf dem linken Zackenufer weiter aufwärts über die Rote Floßbrücke zum Gabelstein, später links wieder über die Bahn und den Zacken zur Neuweiter Chaussee und auf dieser zur Försterei Jakobstal, die unmittelbar neben der Bahnhaltestelle lag.

Prächtig und lohnend war die einsame Waldwanderung von Jakobstal nach Karlstal, Hoffnungstal und Strickerhäuser, die rund drei Stunden erforderte. Für diese boten sich bis Karlstal zwei Richtungen: Entweder nördlich der Bahnhaltestelle von der Försterei über die Bahn den "Pferdelochweg" nordwestlich zur "Alten Zollstraße" und auf dieser links abbiegend über die Stätte der ehemalige Michelsbaude (große Waldwiese) in eineinviertel Stunden nach Karlstal, oder südlich der Haltestelle über die Bahn und in gerader Linie den Reitsteig über den Theisenhübel in der gleichen Zeit nach Karlstal, wo mehrfache Wegteilung ist. Die "Alte Zollstraße" führt von dort südlich ohne Berührung der Grenze weiter nach Hoffnungstal bzw. nach dreiviertel Stunden von der Zollstraße links abbiegend, direkt nach Strickerhäuser.

Fuhr man mit der Bahn von der Haltestelle Jakobstal in Richtung nach Polaun weiter, so senkte sich diese und führte an den Osthängen des Isergebirges fast stetig durch prächtigen Hochwald. Nur ab und zu hatte man über abgeholzte Flächen einige Ausblicke auf die unten im Tal liegenden Orte Neuwelt und Harrachsdorf und auf die Berge des Riesengebirges. Beim Weiterfahren überschritt die Gebirgsbahn dreimal die böhmische Grenze, blieb aber immer im Isergebirge und gelangte, nachdem sie die für den Personenverkehr nicht eröffnete Wechselstelle Neuwelt passiert hatte, zur Station Strickerhäuser (740 m), die zugleich Bahnhof für die Kolonie Hoffnungstal war. Hinter den Strickerhäusern trat die Bahnlinie erneut in den Wald ein, um kurz darauf mit dem 280 m langen Isertunnel den Käuligen Hübel zur durchbohren. Unmittelbar hinter dem Tunnel übersetzte die Bahn mit herrlichen Ausblicken in das wildromantische Isertal auf gewaltigen, 28 m hohem Viadukt die Iser, welche hier die Reichsgrenze bildete, und zog am felsigen Iserberge entlang nach dem Hochplateau, auf dem sich der Grenzbahnhof Polaun (700 m), früher Grüntal, befindet. Hier schloss sich an die Linie Hirschberg-Polaun die Eisenbahn Polaun-Tannwald-Reichenberg an, die auf einer Strecke von 6 km Zahnradbetrieb besitzt.

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