von Harald Richter, Bad Honnef
Rübezahl alisas Rýbrcoul ist
älter als Krakonosch. Das hat Jaroslav Rejman herausgefunden wie es in dem Informationsblatt
"Trutnovinky" zu lesen ist. Der Rübezahlforscher berichtet, daß das
heute gebräuchliche tschechische Wort "Krakonoš" für unseren
Berggeist erst vor etwa 200 Jahren auftaucht. Vor dieser Zeit verwendeten die
Tschechen den Begriff "Rýbrcoul". So kommt er beispielsweise
in Bozena Nemcovas bekanntem Roman "Babička" (Großmütterchen)
vor. Uns fallt natürlich auf, daß Rýbrcoul von der Aussprache her verdächtig
nahe zum paurischen "Riewazoul" ist.
Dem Artikel in "Trutnovinky" zufolge, der, in tschechischer Sprache,
über das Internet abrufbar ist, sei geplant, eine drei Meter hohe Statue des
Rýbrcoul aufzustellen. Über den Standort sei noch nicht endgültig entschieden.
Favorisiert werde die Aufstellung auf dem Verkehrskreisel in der Gewerbezone.
Ein Modell des geplanten Denkmals befände sich bereits in den Amtsräumen des
Trautenauer Bürgermeisters Adamec. Das Denkmal soll aus Bronze von der Bildhauerin
Paulina Skavová gefertigt werden. Die Kosten seien auf 600.000 Kronen
(ca. 24.000 Euro) veranschlagt. Sie sollen hauptsächlich von Sponsoren aufgebracht
werden.
Tatsächlich taucht der Name Rübeczal
in dieser Schreibweise im Jahre 1561 auf einer Schlesienkarte von Martin Helwig
zum ersten Mal auf. Man muß auf dieser Karte schon ordentlich hingucken, am
besten mit einer Lupe, um an unscheinbarer Stelle den Namen "Rübeczal"
entziffern zu können. Daneben findet sich eine winzige Zeichnung des Berggeistes
in der Gestalt eines aufrecht auf den Hinterläufen stehende Hirsches, dessen
Haupt von einem Zehn-Ender-Geweih gekrönt wird. Er stützt sich mit den Vorderläufen
auf einen gewaltigen Stock. Sein Kopf hat die Gestalt eines Vogels mit Schnabel,
etwa eines Adlers oder des legendären Vogels Greif.
Dieser Ur-Rübeczal sieht natürlich ganz anders aus als der Rübezahl mit Rauschebart
und als Naturbursche, so wie die Romantik des 19. Jahrhunderts ihn gesehen hat.
Immerhin hat unser Rübezahl mit seinem Urbild den Stock gemeinsam.
Der tschechische Krakonos sieht auf Bildern, zum Beispiel auf einem der Bierdeckel
der heutigen Krakonoš-Brauerei in Trautenau so aus, wie wir uns landläufig
den Rübezahl vorstellen.
Er ist in dieser Gestalt allen Tschechen
aus dem Fernsehen bekannt. Denn Geschichten vom Krakonoš wurden in der
kommunistischen Zeit im Rahmen des abendlichen Kinderprogramms Večemiček
(so ähnlich wie das DDR-"Sandmännchen") ausgestrahlt. Doch
es sind da nicht die Geschichten vom Rübezahl, wie wir sie aus dem Buch
von Musäus aus dem Jahre 1783 kennen. Im Kern der tschechischen Version
steht der Böse Herr von Trautenberg, offenbar ein deutscher Grundherr,
der seine offenbar tschechischen Knechte und Dienstboten schikaniert, denen
Krakonoč natürlich beisteht.
Woher nun eigentlich der Begriff Krakonoš kommt, habe ich nicht ergründen
können. Aber die Verwandtschaft mit der tschechischen Bezeichnung für
das ganze Riesengebirge "Krkonoše" liegt auf der Hand. Krkonoše
kann man in etwa mit "Halsträger" übersetzen. Aber auch
das hilft uns nicht weiter.
Ist nun "Rübezahl" ein Deutscher oder ein Tscheche? Das kommt
darauf an, welcher Worterklärung man den Vorzug gibt. Ich neige dazu, daß
der Name "Rübe" mit dem Tschechischen "hrubý"
(grob, rau) und "Zahl" mit dem Mittelhochdeutschen "Zagel"
(Schwanz) zu tun hat. Zagel wird aber auch in der Bedeutung "Sturm"
übersetzt. So könnte Rübezahl "rauher Sturm" bedeuten.
Oder Rauschwanz? Rübezahl läßt also offen, ob er tschechischer
oder deutscher Nationalität ist. Er hat sicher, so wie ich und viele meiner
Landsleute, deutsches und slawisches Blut in den Adern.
Ich gehe davon aus, daß unser Rübezahl vor allen Dingen Paurisch
spricht, auch heute noch. Aber er kann sicher auch fließend Tschechisch.
Ob er darüber hinaus auch des Polnischen mächtig ist, entzieht sich
meiner Kenntnis. Wikipedia zufolge hat ein polnischer Lehrer nach der Vertreibung
der Deutschen die Sage vom Rübezahl übersetzt, und dem Berggeist den
Namen "Liczyrepa" gegeben. Was die wörtliche Übersetzung
von "Rübezahl" ist.
In eher scheußlicher Gestalt zeigt sich Rübezahl auf einer deutschen
Briefmarke der Europa-Service "Geschichten und Legenden" aus dem Jahre
1997. Mit der Figur kann ein echter Riesengebirgler wirklich nichts anfangen.
Rejmans Verdienst bleibt es, den alten tschechischen Namen "Rýbrcoul" ausgegraben zu haben, der eine Brücke zum paurischen "Riewazoul" schlägt. Ob damit der "Krakonoš" aufs Altenteil geschickt wird, bleibt aber fraglich. Wie dem auch sei: es kann nur einen Herrn der Riesenberge geben. "Unser Rübezahl" läßt sich nicht klonen.
Benutzte Quellen:
Ein Artikel aus "Trutnovinky", "Rýbrcoul, podle, amatérského
badatele Jaroslava Rejmana pohanský bůh hor" und
Wikipedia http://de.wikipedia.org/wiki/Rübezahl.