Quelle: GOLDBERG-HAYNAUER HEIMATNACHRICHTEN – 15. März 1972

Die alten "Winterbauden" des Riesengebirges

von Erhard Krause

Die ein charakteristisches Merkmal des Riesengebirges bildenden Gebirgs- und Kammbauden, die auf allein Hängen und dien höchsten Kämmen zu finden sind, entstanden aus einfachen Hütten, welche im Sommer zur Unterbringung der weidenden Viehherden bestimmt waren, nebenbei den Gebirgsreisenden aber auch ein Nachtlager auf Heu und eine bescheidene Bewirtung boten. Ursprünglich vereinigten diese auf steinernem Unterbau aus übereinandergelegten Balken (Schrotholz) errichteten und mit Schindeln gedeckten. Einzelhäuser Wohnraum, Viehstall und Vorratsraum unter einem Dache. Fast immer war ein Bergwasser durch sie geleitet. Man unterschied sie in "Sommer-" und "Winterbauden". Diejenigen, welche das ganze Jahr über bewohnt wurden, hießen "Winterbauden", wogegen die Bewohner der "Sommerbauden" mit Eintritt des Winters samt ihren Viehbestand in die Täler zurückkehrten.

Nach und nach haben sich aus einer Reihe dieser einfachem "Viehbauden" namentlich auf und am Hauptkamme des Gebirges stattliche Berggasthäuser entwickelt, die auch im Winter offen gehalten wurden und die später ausschließlich den Touristenverkehr dienten. Die nachweisbar älteste Kammbaude und wohl auch die älteste "Winterbaude" im Rübezahlreich überhaupt, stellt die auf der Hochfläche der Weißen Wiese nördlich von der Einsenkung zwischen Hochwiesenberg und Brunnberg nur 200 Schritte von der schlesischen Grenze entfernte Wiesenbaude (1410 m), die zur "Post Gross-Aupa", im Sommer zur "Post Spindelmühle" gehörte.

Um das Jahr 1600 von glaubensverfolgten Protestanten aus Böhmen als einfache Wohnhütte erbaut, wurde die Gebirgsbaude mitten im 30jährigen Krieg nach einem Brande 1625 als schlichter Holzbau neuerrichtet, wovon noch ein in die Grundmauer eingefügter Stein mit der Jahreszahl 1625 Kunde gab. Zunächst nur zur Aufnahme von Reisenden mit bescheidenen Ansprüchen eingerichtet, entwickelte sie sich später zu einem Hauptverkehrspunkt der Gebirgswanderer und war lange Zeit das Hauptquartier der Botaniker im Riesengebirge. Aber auch Geologen, Mineralogen und Zoologen wählten die Wiesenbaude wegen ihrer zentralen Lage zum Ausgangspunkt ihrer wissenschaftlichen Forschungen. So weilten dort u. a. 1786 und 1796 die bekannten Forscher Thadeus Haenke mit Gerstner, Abbe Gruber und Jirasek. Auch der Dichter der Freiheitskriege, Theodor Körner, hielt sich am 21. und 22. August 1809 in der Baude auf, die im Laufe der Jahrhunderte noch so manch anderen illustren Gast beherbergt hat. Bis zum Jahre 1876 im Besitz der Familie Renner, besaßen die später zu einem großen Berghotel ausgebaute Wiesenbaude danach die Brüder Bönsch, welche auch die Richter-, Keil-, Renner- und Geierguckenbaude bewirtschafteten.

Die Zweitälteste Winterbaude des Gebirges befindet sich auf der schlesischen Seite des Kammes und ist dies die bekannte Hampelbaude (1258 m), die im Jahre 1642 ebenfalls von glaubensbedrängten evangelischen Flüchtlingen aus Böhmen erbaut worden sein soll. Sie wird urkundlich 1654 erwähnt und war in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts das Nachtquartier der Koppenbesteiger. Als solches führte sie damals die Namen "Koppenbaude" und "Letzte Baude". Auch "Geistliche Baude" wurde sie geheißen, da die Mönche aus dem Warmbrunner Kloster, die den Gottesdienst in der Koppenkapelle hielten, hier zu rasten pflegten. Chroniken aus der Zeit um 1790 nennen sie nach ihren ersten Besitzer "Zamla- (Daniels) Baude"; seit etwa dem Beginn des 19. Jahrhunderts wird sie Hampelbaude genannt. Wie die Wiesenbaude hatte sie viele berühmte Besucher, darunter die Dichter Goethe und Heinrich von Kleist.

Ein hohes Alter wiesen desweiteren die Brotbaude, Schlingelbaude und Schnurrbartbaude auf. Die zu Siedorf (Post Brückenberg) gehörige, auf einer Art Pass am Hauptwege zur Schneekoppe gelegene Brotbaude (820 m) wurde ursprünglich 1668 gegründet und erfreut sich als Gast- und Logierhaus großer Beliebtheit. Auf waldbekränzter Hochebene mit Blick auf die steilen Abstürze der Teichwände lag die vor einigen Jahren unter den Polen abgebrannte Schlingelbaude (1067 m), deren älteres, später für den Verkehr nicht mehr genutztes Gasthaus bereits 1690 erwähnt wurde. 1722 soll diese alte Gebirgsbaude erstmals erneuert worden sein. Ihr gegenüber stand das neuere Berggasthaus mit 60 Betten und Zentralheizung. Beide Häuser wie auch die nördlich auf demselben Wiesenplane befindliche Hasenbaude (1070 m) gehörten zu Brückenberg. Wann die auf sonnigen Wiesenplan am Saume des Hochwaldes bei Ober-Krummhübel gelegene Schnurrbartbaude (804 m) erbaut wurde, ist unbekannt; ihr Alter wurde aber bereits vor 1945 auf über 250 Jahre geschätzt.

Im Jahre 1708 entstand die in herrlicher Lage am Wolfskamme stehende Rochlitzer oder Sahlenbacher Hofbaude (1200 m), die gräfl. Harrach´isches Gasthaus war und 1921 von den Tschechen verstaatlicht wurde. 1740 erfolgte die Gründung der Alten Erlebachbaude (1150 m) am Spindlerpass, die, 1784 erstmals erneuert, noch von ursprünglicher Eigenart war. Gleichfalls 1740 ist auch die höchstgelegene der vier ehemaligen Teufelswiesenbauden, die an der Silberwasserquelle gelegene Scharfbaude (1417 Meter) mit einfacher Wirtschaft, erbaut worden, während man 1749 in der Baudenkolonie Jakobstal (888 m) am Schnittpunkt zwischen Riesen- und Isergebirge die alte Proxenbaude mit Schankberechtigung errichtete, nach der diese zu Schreiberhau gehörige Kolonne früher auch "Proxenbauden" hieß.

1770 erbaute ein Hollmann aus den Krausebauden am Ende der Baumregion an einer Berglehne und Einsenkung zwischen Reifträger und Veilchenspitze die Alte Schlesische Baude (1168 m), die 1910 durch Neubau erweitert und nach dem am 23. Dezember 1915 erfolgten fast völligen Abbrand 1916 wieder aufgebaut wurde, ohne dass dabei der alte Baudencharakter ganz verloren ging. Die Baude führte früher verschiedene Namen wie Eliasbaude, Hollmannsbaude, Jesaiasbaude und Schreiberhauerbaude (sie gehörte zur Gemeinde Schreiberhau). Gleichfalls durch Hollmann aus den Krausebauden wurde 1787 an der Nordwestlehne des Reifträgers auch die Neue Schlesische Baude (1195 m) errichtet.

Diesen beiden alten Winterbauden folgte 1790 auf böhmischen Gebiet am Südhang des Reifträgers der Bau der Wossekerbaude (1260 m), die urkundlich als "Neue Böhmische Baude" und "Franziskanerbaude" erwähnt wird.

Eine frühzeitige bescheidene Bewirtung bot den Gebirgsreisenden ferner die 1795 am Nordhang des Hochwiesenberges in aussichtsreicher Lage errichtete Rennerbaude (1400 m), die Schauplatz der Oper "Des Adlers Horst" von Franz Gläser ist, für welche der schlesische Dichter Carl von Holtei das Libretto schrieb. Im Jahre 1811 gründete Johann Petermann (mundartlich "Pittermann") die nach ihm bemannte Peterbaude (1288 m), welche Winterbaude, 1887 und 1903 durch Neubauten vergrößert, wurde. Petermann kam unweit der Baude in einem Schneesturm ums Leben. Nach seinem Tod übernahm sie 1845 sein Neffe Zinnecker, dessen Nachkommen sie weiterführten.

Die im Schütze der Kleinen Sturmhaube im Spindlerpass gelegene Spindlerbaude (1208 m) legte 1824 der Friedrichstaler Richter Franz Spindler an. 1830 wurde die Elbfallbaude (1284 m) gegründet, die in den Jahren 1878 und 1904 eine neuzeitliche Umgestaltung erfuhr und sich gegenwärtig nach einem Brand im Wiederaufbau befindet. Die alte Schneegrubenbaude (1490 m) ließ 1837 der Graf Schaffgotsch errichten, während die Riesenbaude (1394 m) auf dem Koppenplane 1847 durch den Kaufmann Mitlöhner aus Gross-Aupa erbaut worden ist. Die beiden Bauden auf dem Schneekoppengipfel sind 1850 und 1862 gegründet worden.

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