Wenn wir von Künstlern sprechen, die
mit uns im Riesengebirge lebten, so gehört auch der Bildhauer Hans Brochenberger
dazu. Eine große Anzahl seiner in Stein gehauenen und in Holz geschnitzten Werke
hat er uns und der Nachwelt hinterlassen.
In Berchtesgaden 1887 geboren, versuchte er sich schon als kleiner Junge am
Holz und schnitzte Tiere etc. Da die künstlerische Ader in der Familie lag,
wenngleich auch auf verschiedenen Gebieten, waren seine Talente, wie man sagt,
angeboren. Nach dem Abschluss der mittleren Reife kam er an die Holzschnitzschule
in Berchtesgaden, der sich der Besuch an der Kunstgewerbeschule in München anschloss.
An der dortigen Akademie der Bildenden Künste erhielt er für seine hervorragenden
Werke Preise, die ihm Stipendien und Studienaufenthalte, wie z. B. in Russland
und Italien ermöglichten. Hans Brochenberger arbeitete in München als Assistent
bei bekannten Professoren, wie Seidler und Netzer. Der »Nonnenbrunnen«,
früher am Stachus in München, sowie bildhauerische Arbeiten am Dallmeier-Haus,
sind von ihm. Kurze Zeit war er am Städelschen Institut in Frankfurt am Main
und an der Akademie in Düsseldorf tätig. Mit Ausbruch des I. Weltkrieges meldete
er sich 1914 zum Kriegsdienst, wurde schwer verwundet und kriegsuntauglich.
Eine Berufung als Lehrer an die 1902
gegründete Holzschnitzschule Bad Warmbrunn im Riesengebirge erhielt Hans Brochenberger
1917, die er nach einigen Jahren wieder verließ, um als freischaffender Künstler
tätig sein zu können. Zu dieser Zeit lebte er im Künstlerhaus in Schreiberhau
und zog dann nach Jannowitz, später Waltersdorf, einem wunderschön gelegenen
kleinen Gebirgsort am Nordhange des Landeshuter Kammes. Dort erwarb Hans Brochenberger
das alte fridericanische Schulhaus, der späteren Gaststätte »Drei Linden«, welches
er dann zu der »Drei-Linden-Baude« umbaute. Diese allseits beliebte
Baude bewirtschaftete er mit seiner ersten Lebensgefährtin Frau Lilli Brochenberger.
In seinem Waltersdorfer Atelier schnitzte er u. a. Wegweiser,
deren Anblick jeden Menschen erfreute. In Jannowitz, an der Bahnhofstraße, steht
der Wegweiser noch heute, jedoch wurde die von Hans Brochenberger geschnitzte
Schrift entfernt und durch polnische ersetzt, nachdem einige deutsche Politiker,
einem Friedensvertrag vorgreifend, über die Köpfe Millionen deutscher Menschen
hinweg, die derzeitigen Ostgrenzen als endgültig anerkannten.
Hans Brochenberger fertigte auf Bestellung auch aus Holz geschnitzte Grabkreuze
an, die für Grabstellen auf dem Friedhof neben der Kirche Wang bestimmt waren.
In einem Gebäude des Baugeschäftes Grosser in Jannowitz, wo sich die Zimmerei
befand, stand ihm für diese Arbeiten ein Raum zur Verfügung. Wie mir Hans Lemke
berichtete, fuhr er mit Vater Ehrlich um 4.00 Uhr morgens von Jannowitz los,
nachdem die Grabkreuze auf einem mit Stroh abgepolsterten Pferdefuhrwerk verladen
waren. Gegen 11.00 Uhr trafen sie dann an der Kirche Wang ein, wo sie schon
von Hans Brochenberger erwartet wurden. Etwa sieben dieser Grabkreuze hat Hans
Lemke mit hingebracht und setzen geholfen. Einige davon standen noch 1976. Eine
Aufnahme vom Friedhof neben der Kirche Wang wurde in der Ausgabe der »Schlesischen
Bergwacht« vom 05.04.1982 veröffentlicht.
Mit viel Liebe schnitzte Hans Brochenberger
Inneneinrichtungen. Den Besuchern der »Drei-Linden-Baude« werden
noch die wunderbaren Schnitzarbeiten in Erinnerung sein. Aus all´ diesen
Werken spricht seine starke Natur- und Volkstumsverbundenheit, die dann durch
die Ereignisse des II. Weltkrieges unterbrochen wurde. Es sei noch zu erwähnen,
dass Hans Brochenberger eigentlich dazu ausersehen war, im Osten Deutschlands
eine Akademie einzurichten und zu leiten, die in ihrem Lehrplan der Volkskunst
Vorrang geben sollte. Zum Kriegsdienst 1943 eingezogen, geriet er in englische
Gefangenschaft und wurde Ende 1945 in seine alte bayrische Heimat nach Berchtesgaden
entlassen.
Auch Hans Brochenberger musste wieder neu beginnen. Er arbeitete zunächst privat,
dann als Lehrer an der dortigen Holzschnitzschule, bis er 1951 mit seiner zweiten
Lebensgefährtin nach Landshut / Bayern zog und mit 65 Jahren seine künstlerische
Tätigkeit wieder aufnahm. Hier begann eine neue schöpferische Phase seines Lebens,
indem er fast ausschließlich aus Holz geschnitzte religiöse Werke schuf. Hans
Brochenberger restaurierte hier Kirchen, konnte aber auch eigene Entwürfe verwirklichen.
In jeder Arbeit eines Künstlers, gleich auf welchem Gebiet, spiegelt sich sein
Empfinden, seine Seele wieder. So auch bei Hans Brochenberger, der auf eine
unaufdringliche Art seine starke Gläubigkeit in seinen Werken zum Ausdruck brachte.
Frau Margarete Brochenberger teilte mir dazu eine Begebenheit mit. Bei der Einweihung
des 16 Tafeln umfassenden Kreuzwegs in der Landshuter »Heilig-Geist-Kirche«
hatte sich Bischof Graf Soden folgendermaßen geäußert: »Mich hat noch kein Kreuzweg
so stark ergriffen, bei seiner Begehung kann man beten lernen, aber man muss
sich Zeit lassen und stille sein.«
Im Alter von 89 Jahren starb Hans Brochenberger 1976 in Landshut. Der Lebensweg
eines begnadeten Menschen war zu Ende.
In den zwei Jahrzehnten, die Hans Brochenberger bei uns im Riesengebirge lebte,
lernten wir ihn als einen freundlichen, natürlichen und umgänglichen Menschen
kennen. Mancher Heimatfreund wird jetzt vielleicht beim Anblick eines von Hans
Brochenberger geschaffenen Werkes etwas länger verweilen, in dankbarer Erinnerung
an diesen Künstler, dem wir Riesengebirgler uns über seinen Tod hinaus durch
seine schöpferische Arbeiten verbunden fühlen.
Frau Margarete Brochenberger möchte ich für ihre so freundliche Unterstützung
danken, ebenso Frau Irmgard Huge und Herrn Hans Lemke für die zu diesem Bericht
überlassenen Aufnahmen.