Den nachstehenden Artikel erhielt
ich freundlicherweise zur Veröffentlichung von Herrn Martin Bartoš.
Herr Martin Bartoš ist der Sohn von Margit und Miloslav Bartoš. Herr
Miloslav Bartoš ist uns als Historiker des Riesengebirges und als Direktor
des Riesengebirgsmuseum in Hohenelbe / Vrchlabí im Ruhestand bekannt.
Seine Ehefrau ist eine geborene Kirchschlager aus Berggraben. Herr Martin Bartoš
wurde 1962 in Hohenelbe / Vrchlabí geboren. Nach dem Abitur musste er
im Fernstudium an der Karls-Universität in Prag das Lehrerstudium absolvieren.
Das gewünschte Geschichtsstudium wurde ihm von staatlicher Seite verweigert.
Er hat den Titel "Magister" und ist Schuldirektor an der Schule in
Langenau / Lánov. Der nachstehende Artikel erschien in der Ausgabe 4/2005
der Zeitschrift "KRKONOŠE" unter "Odsun Odsun Němců
1945 1946". Es sind noch weitere Artikel von Herrn Martin Bartoš
zu diesem Thema in der vorgenannten Zeitschrift erschienen.
Die Übersetzung des tschechischen Textes nahm freundlicherweise Herr Gustav
Erlbeck in Kirchberg vor, wofür ich ihm recht herzlich danke.
von Martin Bartoš
Übersetzung: Gustav Erlbeck, Kirchberg
Wo beginnen? Es stellt sich meiner Generation, meinen Kindern die Frage, wer
in unserer Stadt, in unserem Gebirge, in unserem Bezirk vor dem Jahr 1945 gelebt
hat. Wenn wir die Geschichte unserer Region genauer betrachten, stellen wir
fest, dass die Frage, wer hier zuerst war, ob Tschechen oder Deutsche (oder
besser deutsch sprechende Bewohnerschaft), in Hinsicht auf die Problematik des
Abschubes nicht relevant ist.
Das entscheidende Kriterium der Geltendmachung der Beneš-Dekrete ist das Ergebnis
der Volkszählung im Jahr 1930. Im Hohenelber Gebiet lebten in dieser Zeit um
65 000 Menschen (im Ganzen in 62 Gemeinden und Städten im Bereich des Landratamtes
Hohenelbe, das nach der Besetzung durch die deutsche Wehrmacht nach München
im Jahre 1939 entstanden war. Zur deutschen Nationalität meldeten sich ungefähr
46 000 Einwohner. Woher nahm man hier soviel deutsch sprechende Menschen? Sie
lebten da seit Geburt wie ihre Väter, Großväter, Urgroßväter ... Sie arbeiteten
hier über viele Generationen zuerst für das böhmische Königreich und später
für Österreich-Ungarn. Sie waren immer Einwohner, Adel, Städter, Untertanen,
Bürger mit den gleichen Rechten und Verpflichtungen wie die tschechisch sprechende
Minderheit.
Statistische Daten der Nationalität der Bewohner des Hohenelber Bezirkes:
Jahr |
Tschechen |
Deutsche |
1800 |
910 |
41130 |
1900 |
1 1195 |
42287 |
1910 |
1544 |
42825 |
1921 |
3423 |
36875 |
1930 |
3763 |
38091 |
1945 |
1691 |
38107 |
Der entscheidende Bruch geschah verhältnismäßig
kurz vor München, in den Jahren 1918 1921. Die Entstehung eines Staates
durch zwei Nationen, Tschechen und Slowaken, verwandelte unsere Deutschen in
eine nationale Minderheit. Mit Zahl von drei Millionen. Die Slowaken waren am
Beginn der ersten Republik fast um eine Million weniger. Wenn irgend jemand
behauptet, dass sie mit größerer Begeisterung als die anderen in den Krieg zogen
als die übrigen, der irrt sich grausam. Sie ahnten nicht, dass sich ihr Schicksal
durch den Untergang des Vielvölkerstaates umstürzen würde, sie konnten sich
nicht vorstellen, was sie erwartete.
Die Verhandlung um die Entstehung des tschechoslowakischen Staates spielte sich
unter Abwesenheit der Vertreter der größten Minderheit (oder neben Tschechen
und Slowaken der dritten Nation?) statt. Erklären lässt sich das verschieden,
wahrscheinlich ist die Behauptung, dass es sich um absichtliche Taktik des Kreises
der nächsten Mitarbeiter des ersten Präsidenten T. G. Masaryk handelte. Die
deutsche Abgeordnetenfraktion des österreichischen Reichstages erklärte sich
als rechtsgültiger Vertreter der deutschen Nation in den Böhmischen Ländern,
klagte aber über vergossene Milch, als sie für. ihre "Minderheit"
das Recht auf Selbstbestimmung erkämpfen wollte. Versuch zur Abtrennung von
der Tschechoslowakei und Anschluss an die österreichische Republik hatten in
den ersten Tagen nach dem Krieg praktisch keine Hoffung auf Erfolg. Ja, zur
Österreichischen Republik, unsere Deutschen sehnten sich niemals nach Anschluss
an Deutschland. Vergeblich klang auch die Bemühung der neuen österreichischen
Regierung aus, auf böhmischem Gebiet mit überwiegend deutscher (oder vielleicht
österreichischer Bevölkerung?) eine eigene bewaffnete Einheit Volkswehr
aufzubauen. Die schnelle Ankunft der tschechischen Armee am 07. Dezember 1918
(nach Hohenelbe), besser ausgerüstet und zahlreicher, vereitelte jede Bemühung
um Selbstbestimmung.
Schauen wir jetzt, wie der "Umsturz" in Hohenelbe im Jahr 1918 verlief.
In unserer Stadt saß der Bezirkshauptmann. Die Mehrheit der Beamten der Bezirkshauptmannschaft
unterschrieb den Treue-Eid der Reichenberger Regierung. Die Ordnung auf dem
heißen städtischen Boden sicherte die Militärwache Bürgerwache. Die Befürchtungen
vor möglichen bürgerlichen Unruhen löste die Hauptmannschaft durch Verkünden
von Verordnungen der Reichenberger Regierung, die praktisch das Standrecht installierte.
Neben der Hauptmannschaft, dem offiziellen staatlichen Organ, existierte in
Hohenelbe auch der promasaryksche und protschechische "národní výbor"
(= Nationalausschuss). Auch er unterstützte im Interesse der Aufrechterhaltung
der Ordnung die Kundmachungen der pro-österreichischen Regierung.
Der Hohenelber Hauptmann gliederte unsere Bezirk einige umliegende Gemeinden
mit deutscher Mehrheit an Huttendorf, Widach, Groß-Borowitz ... Der National-Ausschuss
wandte sich um Hilfe an die Militär-Garnison in Jičín. Um 8 Uhr abends
besetzte die tschechoslowakische Armee die Stadt. Die Einheit, die nach Hohenelbe
über Neupaka anmarschierte, stellte in Jičín der Leutnant in Reserve Kopecký
aus Freiwilligen zusammen. Es kam zu keinem Exzess, die Einheiten der Bürgerwache
legten die Waffen noch vor Ankunft der Jičíner Einheiten nieder. Die Armada
besetzte die staatlichen Gebäude und die Telefonzentrale. Den Hauptmann schickten
sie auf Urlaub und dadurch löste sich die ganze Angelegenheit für eine Zeit.
Am 04. März 1919 entschloss sich die deutsche Bevölkerung des Grenzgebietes
ihre Unzufriedenheit mit dem bisherigem Stand auszusprechen. Der Generalstreik,
dem sich die Hohenelber, Arnauer und Trautenauer anschlossen, endete tragisch.
In Hohenelbe hatte die Begegnung der Demonstranten mit der čsl. Armee im
ganzen einen glatten Verlauf, endete mit Beschimpfungen und Beleidigungen. In
Arnau sollten aus den Reihen der Demonstranten einige Schüsse fallen. Die Soldaten
töteten bei der Erwiderung der Schüsse zwei Frauen.
Eine weitere ähnliche Angelegenheit löste das Militär am 17. Mai 1920 auf. In
Hohenelbe brach ein Streik aus als Protest gegen die Nichterfüllung des Versprechens
der staatlichen Organe für die Lösung der kritischen Versorgungssituation. Die
Demonstrationen der Tschechen und Deutschen unterdrückte die 1. Kompanie des
Grenz-Bataillons, das in einem Spezialzug aus Trautenau in unsere Stadt eilte.
Ihr Kommandant Kapitän Zizius beschreibt die Aktion in seiner Meldung: Assistenz
... kam nach Hohenelbe um halb drei nachmittag. Er veranlasst den Schutz des
Bahnhofes und stellt den Lagerraum für Getreide und Lebensmittel sicher. Vor
der Bezirkshauptmannschaft war eine Menschenmenge von ungefähr 300 versammelt,
wurde von der Kompanie verdrängt und die Straße gesperrt, weil von den ersten
Augenblicken aus der Menge spöttische Befehle und Beschimpfungen ertönten, wie
"tschechisches Lumpenpack, von dir lassen wir uns nicht befehlen. Weg mit
den tschechischen Soldaten!" Und auch tschechische Stimmen erklangen, dass
die Regierung ihnen anstatt Essen Bajonette schickt. Die Militärpolizei verhaftete
diejenigen, die die Menge aufreizten oder sich bemühten, gegen die Soldaten
Gewalt anzuwenden ... Soviel ein kurzer Exkurs in die ersten Jahre der Existenz
der Tschechoslowakei.
Wiederholen wir nun die Angaben über die Anzahl der deutschen Bürger in unseren
Hohenelber Bezirk im Jahre 1932, der für den Nachkriegsabschub entscheidenden
Zahl. Ungefähre Rechnung führe ich im Text der Einleitung auf; wenn wir die
Zahlen auf Prozent umrechnen, gelangen wir zu 70 % Deutscher gegenüber 30 %
Tschechen. Allein die Stadt Hohenelbe hatte zu dieser Zeit nicht mehr als neun
Prozent Einwohner tschechischer Nationalität.
Nach der Abtrennung des Hohenelber Bezirkes von der Tschechoslowakei und seiner
Angliederung an den Sudetengau im Herbst des Jahres 1938 veränderte sich das
Verhältnis zwischen Deutschen und Tschechen weiter. Viele Tschechen verließen
die Stadt freiwillig und unfreiwillig. In den Bezirk kam eine Menge Reichsdeutscher,
sodass nach der Zählung vom Jahr 1939 sich die Zahlen 50 000 und 12 000 ergeben
(die Zahl der Tschechen im Bezirk sank um 20 %.
Die deutsche Annexion rief am Anfang Begeisterung der Mehrheit der Bewohner
hervor. Die erste Welle des Enthusiasmus verfiel bald, weil die Einheimischen
feststellten, dass sie vom Regen in die Traufe kamen. Im Großdeutschen Reich
blieben sie Außenseiter. Die Versorgung stockte und die Deutschen konnten in
dieser Richtung die Leute beneiden, die durch die Fügung des Schicksals auf
die tschechische, oder auf die Protektoratsseite der Grenze gerieten. Der Kriegsbeginn
und die Wehrpflicht kennzeichnete grausam die Geschicke der Mehrheit der sudetendeutschen
Familien.
Die Juden und Beschäftigte tschechischer Nationalität mussten gleich nach
der Besetzung des Grenzgebietes Stellen in staatlichen Diensten verlassen. Jüdisches
Eigentum wurde konfisziert. Die erste große offene antijüdische Aktion spielte
sich am Tag der Ankunft des heiligen Martin auf den weißen Pferd am 11. November
1938 ab. Dreieinhalbtausend fanatisierter Bewohner der Stadt manifestierten
in einem Zug zum Gericht, wo ihnen die Gestapo verhaftete Juden vorführte. Nichtarische
Herkunft war der Grund für Scheidung einiger zu dieser Zeit gültiger Ehen. Viele
Bürger tschechischer Nationalität, deutsche Sozialdemokraten und Kommunisten
flohen aus der Stadt. Nach Ober-Branna, das wie durch Schwanken eines Zauberreises
Grenzgemeinde wurde, wanderten gleich in den ersten Tagen über zweihundert Flüchtlinge
aus, die Mehrheit zog schließlich weiter fort ins tschechische Grenzgebiet,
einige kamen wieder zurück.
Kriegsgeschrei wurde im Hohenelber Bezirk im Ganzen erfolgreich vermieden. Das
größte Unglück musste so der Abgang vieler Ehemänner, Geliebter, Großväter und
Familienväter an die Front sein. Viele von ihnen fielen auf den Schlachtfeldern
der Ost- und Westfront, oder sie kehrten als körperliche oder geistige Krüppel
zurück.
Das Kriegsende traf das Hohenelber
Gebiet in niederschmetternder Situation. In der Schlussphase (wir sprechen vom
Winter des Jahres 1945) der Kämpfe war unsere Region zuerst vom Durchgang vieler
Kolonnen Kriegsgefangener gezeichnet. Knapp vor Kriegsende bewegten sich bei
uns viele Flüchtlinge aus Oberschlesien. Ende April standen Einheiten der sowjetischen
Armee auf der nördlichen Seite des Riesengebirges (Hirschberg, Waldenburg).
Verteidigungsmaßnahmen erreichten auch die Stadt. Aus dem Gebäude des Gymnasiums
evakuierten die örtlichen Behörden das Militärlazarett. Die Zivilbevölkerung
fasste Gasmasken, es formierte sich Landsturm (Volkssturm). Am 24. April zog
Gendarmerie aus der Umgebung in Hohenelbe ein. Am 03. Mai konstituierten sich
in Starkenbach, Semil und Hochstadt an der Iser revolutionäre Nationalausschüsse.
An der Protektoratsgrenze kam es darnach zu einigen grundlosen Zusammenstößen,
die am Erfolg des Krieges nicht den geringsten Einfluss haben konnten. In Hrabačov
kam ein junger Mann ums Leben, als er auf die örtliche Gendarmeriestation schoss
und die Finanzer den Schuss erwiderten. Der Vorfall rief eine Folge von Ereignissen
hervor, die noch knapp vor dem Kriegsende zu grundlosen Repressionen von deutscher
Seite führten.
Am Tag vor dem offiziellen Kriegsende 07. Mai forderte der Reichsprotektor
den Konrad Henlein, den Sudeten-Gauleiter auf, die Verwaltung seiner Behörden
noch vor der Ankunft der sowjetischen Armee in die Hände der tschechoslowakischen
Verwaltung zu übergeben. Aus dem Bezirk flohen schon die Familien der Funktionäre
nazistischer Organisationen. Das deutsche Militär zog sich teilweise organisiert
nach Westen zurück, ein beträchtlicher Teil desertierte und versuchte auf eigener
Achse nach Hause zurückzukehren. Der Hohenelber Landrat Dr. Seemann harrte aus
und forderte aufgrund der Henlein´schen Anweisung am Vormittag des 08. Mai den
Starkenbacher Nationalausschuss auf, die Verwaltung des Hohenelber Bezirkes
zu übernehmen. Seemann in der ganzen Hohenelber Delegation traf sich um drei
Uhr nachmittags in Ober-Branna mit der Starkenbacher Delegation. Die führte
ihr Vorsitzender Josef Zemann. Beide Delegationen verständigten sich in Branna
auf die Details der Kapitulation. Alle begaben sich gleich nach Hohenelbe, wo
im Schloss die offizielle Übergabe des Bezirksamtes ablief. Das Stadtamt übergab
gleich nachher. Die Beschäftigten erhielten Anweisung, an ihren Stellen zu verbleiben.
Tschechisch wurde als einzige Amtssprache eingeführt. Die tschechischen Mitteilungen
dolmetschte der Oberinspektor Franz Bach durch den städtischen Rundfunk. Die
neue tschechischer Verwaltung machte Standrecht von acht Uhr abends bekannt.
Es erklang die tschechoslowakische Staatshymne, am Rathaus wehte die tschechoslowakische
Fahne. Die Sicherheit der ganzen Aktion stellte eine fünfgliedrige Abteilung
der Gendarmerie und eine Abteilung des 4. Grenzregiments. Es befehligtem Major
Zdeněk Likař und Oberleutnant Otto Spanilý. Es folgte die erste Maßnahme
von tschechischer Seite. Die deutsche Seite gab sämtliche Waffen ab, die deutsche
Polizei löste sich auf. Das Militär besetzte die Post und den Bahnhof. Der revolutionäre
Bezirks-Nationalausschuss ergriff geführt von Augustin Kubát die Macht.
Mit eintägiger Verspätung endete der Krieg ähnlich auch für die zweite größte
Stadt des Bezirkes, Arnau. Das hauptsächliche Wort bei der Machtübernahme hatte
eine Volksmenge aus dem nahen Slemeno.
Die Rote Armee durchfuhr das Riesengebirge praktisch nur. Nach Hohenelbe gelangte
sie halsbrecherisch über Spindelmühle knapp vor Mitternacht des 09. Mai. Am
Stadtplatz begrüßten die Sowjets die Vertreter der örtlichen Militärischen und
zivilen Verwaltung und wenige Tschechen. In Hohenelbe und Arnau waren zuletzt
kurz kleine sowjetische Besatzungen. Im oberen Hohenelbe wohnten 38 Männer,
die wiederholt den Nationalausschuss bedrängten und Lebensmittel und Kleidung
verlangten. Der Nationalausschuss musste schließlich eine Bekanntmachung herausgeben,
die genannte Forderungen als unberechtigt erklärte. Die Russen plünderten und
stahlen auch in der Nacht, was am 25. September 1945 zur Absendung einer Beschwerde
an die sowjetische Botschaft führte.
Mehr engagierte sich die Rote Armee in der Frage der Hohenelber Firma Lorenz
(Tesla, Optrex). Die Sowjets besetzten die Firma, deren Produktion aus Berlin
nach Hohenelbe umgezogen war, und demontierten ihre Fertigungsstraßen. In ihnen
wurden nämlich Radiolampen hergestellt, was für die Befreier eine willkommene
Beute war. Die Russen führten aus Hohenelbe die Hälfte der Firma als Kriegs-Reparation
weg. Ursprünglich wollten sie zwei Drittel, der Bezirksverwaltung gelang es
nach mühsamen Verhandlungen mit Zentralorganen, diese Forderung zu ermäßigen.
Die deutsche Bevölkerung wurde in den ersten Tagen und Monaten nach der Beendigung
des Krieges für eine große Sicherheitsbedrohung gehalten. Nach den Protektorats-
und Reichserfahrungen der Tschechen kann man sich darüber nicht wundern. Nach
heutiger und damaliger Sicht waren verschiedene Maßnahmen, gemessen á priori
gegen die deutsche Nation als Ganzes wenigstens strittig.
Am 15. Mai startete die gegründete Versammlung nationaler Sicherheit häufige
Verhaftungen von Personen, die nazistischer Verbrechen beschuldigt waren. Militärische
Wachen führten Hausdurchsuchungen durch. Ohne Gericht wurden einige Hinrichtungen
vollzogen, bei denen dreißig Personen aus Schwarzental und Spindelmühle ums
Leben kamen.
Die Schwarzentaler Vorfälle sind durch direkte Zeugen gut beschrieben: Am
16. Mai kamen russische Offiziere mit tschechischen Partisanen um den Bürgermeister
Anton Zirm und den Platzkommandanten SA Franz Lorenz. Auf der Stelle verprügelten
sie beide. Das Blut des Lorenz bespritzte die Mauer und sein Jammern war in
weiter Umgebung zu hören. Danach jagten sie beide durch das Dorf vor den Augen
der Einwohner und schlugen sie so, dass sie nicht selbständig gehen konnten.
Zum Schluss sperrten sie sie in den Keller des Hotels Erben am Markplatz. Beide
starben an den Folgen der Verletzungen. Die Hinterlassenen konnten sich von
ihnen im Leichenhaus verabschieden.
Am 18. Juni Verunglückte ein Lastauto mit tschechischen Soldaten auf dem Marktplatz
in Schwarzental. Hier im Hotel Erben wohnte die tschechische Besatzung, über
die sich zu dieser Zeit die Bevölkerung nicht beklagen konnte. Neue Soldaten
begannen bald nach ihrer Ankunft sich wie Verbrecher zu benehmen. Im oberen
Teil der Gemeinde verhafteten die den Färbermeister Franz Munßer. Es folgten
der Kutscher Josef Ettrich, ein weiterer Färber Josef Krause und sein Bruder
Johann. Die Soldaten verprügelten mit Faust, Fußtritt, Schaft und Knüppel. Dann
kamen sie auch um den Bauer Wonka, Franz Kröhner, Josef Schneider, den Sattlermeister
Möhwald, den Telegrafisten Oswald Renner und noch einen Mann, der für die ganze
Begebenheit Zeugenaussage lieferte.
Die Verhafteten und Verprügelten kerkerten sie in zwei Kellerräume des Hotels
Erben ein. Dort hielten sie einige vollends gefesselt. Es folgten weitere Schwarzentaler
Männer. Die Wachen kontrollierten die Gefangenen regelmäßig jede Stunde und
erlaubten ihnen nicht sich zu setzen. Jede Kontrolle bedeutete neue Quälerei
und Peinigung. Einer der Gefangenen wurde durch die erlebte Marter wahnsinnig.
Die ersten drei oder vier Tage nach der Einkerkerung erhielten die Gefangenen
weder Essen noch Getränke. Das Bedürfnis erledigten sie auf der Stelle in die
Kleidung. Erst am dritten Tag brachte ihnen die Wache einen Eimer, den immer
einer der Gefangenen hinaustrug. Eine der Patrouillen unterhielt sich damit,
dass sie den Gefangenen mit Hilfe kleiner Zangen Feinspäne unter die Fingernägel
trieben. Andermal hängten sie sie an die Zimmerdecke mit dem Kopf nach unten
und prügelten sie mit Gummiknüppel. Oben führten sie Verhöre, von denen die
Befragten als formlose blutunterlaufende Masse zurückkamen. Einem der Gefangenen
gab die Wache regelmäßig eine größere Menge Jod zu trinken. Drei Gefangene zog
die betrunkene Wache hinaus, folterte sie und erschoss sie schließlich. Die
Verhöre der Gefangenen verliefen folgendermaßen: Der zu Verhörende legte sich
auf einen hölzernen Tisch und die Frager droschen sie mit Gummiknüppel. Die
ganze Örtlichkeit war blutverschmiert, in den Ecke häuften sich menschliche
Finger. Bis auf einen wurden die Schwarzentaler erschlagen oder hingerichtet.
Allein im Laufe des Mai 1945 verhafteten die tschechischen Organe 155 Leute,
im Lauf des ganzen Jahres waren es mehr als 750. In Hohenelbe und Arnau entstanden
Internierungslager, in denen die Verhafteten lebten und arbeiteten. Das Arnauer
Lager beendete seine Tätigkeit im Herbst 1945. Das Hohenelber wurde in ein Straflager
umgestaltet. Zu Beginn hielten sich hier vierhundert Gefangene auf.
Das Militär führte die Exekutionen der befohlenen Urteile durch (ein häufiger
Schauplatz von Exekutionen wurde der Hohenelber Marktplatz). Das Hohenelber
Volksgericht entstand Ende November 1945, beiläufig von der gleichen Zeit arbeitete
auch die Straffahndungs-Kommission beim Bezirks-Nationalausschuss (das Ende
ihrer Tätigkeit vermerken wir im Mai des Jahres 1947) Außer den Verurteilten,
die in den genannten Internierungslagern oder in Gerichtsgefangenschaft endeten.
Der Hohenelber Bezirk erlebte auch über sechzig öffentliche Hinrichtungen. In
Mittel-Langenau richteten sie zwölf SS-Angehörige hin. Der Anlass zum Exzess
kam vonseiten Trautenauer russischer Organe. Kein Gericht, kein Kläger.
Die deutsche Bevölkerung auf Hohenelbe versuchte in den Nachkriegswochen und
-Monaten keinen organisierten Widerstand zu leisten. Die meisten Verstöße geschahen,
waren Verstecken von Waffen, wofür sie auch hingerichtet wurden (Klein-Borowitz,
Hermannseifen oder Rudnik). Übrige Delinquenten endeten in Internierungslagern.
Berlin; Borowitz / Borovnice; Schwarzental / Cerný Dul; Ober-Branna / Horní Branná; Oberschlesien; Ober Hohenelbe / Horejší Vrchlabí; Arnau / Hostinné; Hotel Erben; Hrabaĉow / Hrabaiĉov; Hirschberg / Jelenia Góra; Jiĉín / Jitschin; Starkenbach / Jilemnice; München, Deutschland, Neu-Paka / Nová Paka; Mittel-Langenau / Prostrední Lánov; Österreich; -Ungarn; Rudnik / Rudník; Semil / Semily; Slemeno; Sudeten / Sudety; Spindlerbaude / Špindlerova bouda; Spindelmühle / Špindleruv Mlýn; Trautenau / Trutnov; Widach / Vidochov; Hohenelbe / Vrchlabí; Hohenelber Gebiet / Vrchlabsko; Hochstadt a. d. Iser / Vysoké nad Jizerou; Waldenburg / Walbrzych; Huttendorf / Zálesní Lhota.