Den nachstehenden Artikel erhielt ich freundlicherweise zur Veröffentlichung von Herrn Martin Bartoš. Herr Martin Bartoš ist der Sohn von Margit und Miloslav Bartoš. Herr Miloslav Bartoš ist uns als Historiker des Riesengebirges und als Direktor des Riesengebirgsmuseum in Hohenelbe / Vrchlabí im Ruhestand bekannt. Seine Ehefrau ist eine geborene Kirchschlager aus Berggraben. Herr Martin Bartoš wurde 1962 in Hohenelbe / Vrchlabí geboren. Nach dem Abitur musste er im Fernstudium an der Karls-Universität in Prag das Lehrerstudium absolvieren. Das gewünschte Geschichtsstudium wurde ihm von staatlicher Seite verweigert. Er hat den Titel "Magister" und ist Schuldirektor an der Schule in Langenau / Lánov. Der nachstehende Artikel erschien in der Ausgabe 4/2005 der Zeitschrift "KRKONOŠE" unter "Odsun Odsun Němců 1945 – 1946". Es sind noch weitere Artikel von Herrn Martin Bartoš zu diesem Thema in der vorgenannten Zeitschrift erschienen.

Die Übersetzung des tschechischen Textes nahm freundlicherweise Herr Gustav Erlbeck in Kirchberg vor, wofür ich ihm recht herzlich danke.

 

Abschub der Deutschen 1945 – 1946

von Martin Bartoš

Übersetzung: Gustav Erlbeck, Kirchberg

 

Die erste Republik

Wo beginnen? Es stellt sich meiner Generation, meinen Kindern die Frage, wer in unserer Stadt, in unserem Gebirge, in unserem Bezirk vor dem Jahr 1945 gelebt hat. Wenn wir die Geschichte unserer Region genauer betrachten, stellen wir fest, dass die Frage, wer hier zuerst war, ob Tschechen oder Deutsche (oder besser deutsch sprechende Bewohnerschaft), in Hinsicht auf die Problematik des Abschubes nicht relevant ist.

Das entscheidende Kriterium der Geltendmachung der Beneš-Dekrete ist das Ergebnis der Volkszählung im Jahr 1930. Im Hohenelber Gebiet lebten in dieser Zeit um 65 000 Menschen (im Ganzen in 62 Gemeinden und Städten im Bereich des Landratamtes Hohenelbe, das nach der Besetzung durch die deutsche Wehrmacht nach München im Jahre 1939 entstanden war. Zur deutschen Nationalität meldeten sich ungefähr 46 000 Einwohner. Woher nahm man hier soviel deutsch sprechende Menschen? Sie lebten da seit Geburt wie ihre Väter, Großväter, Urgroßväter ... Sie arbeiteten hier über viele Generationen zuerst für das böhmische Königreich und später für Österreich-Ungarn. Sie waren immer Einwohner, Adel, Städter, Untertanen, Bürger mit den gleichen Rechten und Verpflichtungen wie die tschechisch sprechende Minderheit.

Statistische Daten der Nationalität der Bewohner des Hohenelber Bezirkes:

Jahr

Tschechen

Deutsche

1800

910

41130

1900

1 1195

42287

1910

1544

42825

1921

3423

36875

1930

3763

38091

1945

1691

38107


Der entscheidende Bruch geschah verhältnismäßig kurz vor München, in den Jahren 1918 – 1921. Die Entstehung eines Staates durch zwei Nationen, Tschechen und Slowaken, verwandelte unsere Deutschen in eine nationale Minderheit. Mit Zahl von drei Millionen. Die Slowaken waren am Beginn der ersten Republik fast um eine Million weniger. Wenn irgend jemand behauptet, dass sie mit größerer Begeisterung als die anderen in den Krieg zogen als die übrigen, der irrt sich grausam. Sie ahnten nicht, dass sich ihr Schicksal durch den Untergang des Vielvölkerstaates umstürzen würde, sie konnten sich nicht vorstellen, was sie erwartete.

Die Verhandlung um die Entstehung des tschechoslowakischen Staates spielte sich unter Abwesenheit der Vertreter der größten Minderheit (oder neben Tschechen und Slowaken der dritten Nation?) statt. Erklären lässt sich das verschieden, wahrscheinlich ist die Behauptung, dass es sich um absichtliche Taktik des Kreises der nächsten Mitarbeiter des ersten Präsidenten T. G. Masaryk handelte. Die deutsche Abgeordnetenfraktion des österreichischen Reichstages erklärte sich als rechtsgültiger Vertreter der deutschen Nation in den Böhmischen Ländern, klagte aber über vergossene Milch, als sie für. ihre "Minderheit" das Recht auf Selbstbestimmung erkämpfen wollte. Versuch zur Abtrennung von der Tschechoslowakei und Anschluss an die österreichische Republik hatten in den ersten Tagen nach dem Krieg praktisch keine Hoffung auf Erfolg. Ja, zur Österreichischen Republik, unsere Deutschen sehnten sich niemals nach Anschluss an Deutschland. Vergeblich klang auch die Bemühung der neuen österreichischen Regierung aus, auf böhmischem Gebiet mit überwiegend deutscher (oder vielleicht österreichischer Bevölkerung?) eine eigene bewaffnete Einheit – Volkswehr aufzubauen. Die schnelle Ankunft der tschechischen Armee am 07. Dezember 1918 (nach Hohenelbe), besser ausgerüstet und zahlreicher, vereitelte jede Bemühung um Selbstbestimmung.

Schauen wir jetzt, wie der "Umsturz" in Hohenelbe im Jahr 1918 verlief. In unserer Stadt saß der Bezirkshauptmann. Die Mehrheit der Beamten der Bezirkshauptmannschaft unterschrieb den Treue-Eid der Reichenberger Regierung. Die Ordnung auf dem heißen städtischen Boden sicherte die Militärwache – Bürgerwache. Die Befürchtungen vor möglichen bürgerlichen Unruhen löste die Hauptmannschaft durch Verkünden von Verordnungen der Reichenberger Regierung, die praktisch das Standrecht installierte. Neben der Hauptmannschaft, dem offiziellen staatlichen Organ, existierte in Hohenelbe auch der promasaryksche und protschechische "národní výbor" (= Nationalausschuss). Auch er unterstützte im Interesse der Aufrechterhaltung der Ordnung die Kundmachungen der pro-österreichischen Regierung.

Der Hohenelber Hauptmann gliederte unsere Bezirk einige umliegende Gemeinden mit deutscher Mehrheit an – Huttendorf, Widach, Groß-Borowitz ... Der National-Ausschuss wandte sich um Hilfe an die Militär-Garnison in Jičín. Um 8 Uhr abends besetzte die tschechoslowakische Armee die Stadt. Die Einheit, die nach Hohenelbe über Neupaka anmarschierte, stellte in Jičín der Leutnant in Reserve Kopecký aus Freiwilligen zusammen. Es kam zu keinem Exzess, die Einheiten der Bürgerwache legten die Waffen noch vor Ankunft der Jičíner Einheiten nieder. Die Armada besetzte die staatlichen Gebäude und die Telefonzentrale. Den Hauptmann schickten sie auf Urlaub und dadurch löste sich die ganze Angelegenheit für eine Zeit.

Am 04. März 1919 entschloss sich die deutsche Bevölkerung des Grenzgebietes ihre Unzufriedenheit mit dem bisherigem Stand auszusprechen. Der Generalstreik, dem sich die Hohenelber, Arnauer und Trautenauer anschlossen, endete tragisch. In Hohenelbe hatte die Begegnung der Demonstranten mit der čsl. Armee im ganzen einen glatten Verlauf, endete mit Beschimpfungen und Beleidigungen. In Arnau sollten aus den Reihen der Demonstranten einige Schüsse fallen. Die Soldaten töteten bei der Erwiderung der Schüsse zwei Frauen.

Eine weitere ähnliche Angelegenheit löste das Militär am 17. Mai 1920 auf. In Hohenelbe brach ein Streik aus als Protest gegen die Nichterfüllung des Versprechens der staatlichen Organe für die Lösung der kritischen Versorgungssituation. Die Demonstrationen der Tschechen und Deutschen unterdrückte die 1. Kompanie des Grenz-Bataillons, das in einem Spezialzug aus Trautenau in unsere Stadt eilte. Ihr Kommandant Kapitän Zizius beschreibt die Aktion in seiner Meldung: Assistenz ... kam nach Hohenelbe um halb drei nachmittag. Er veranlasst den Schutz des Bahnhofes und stellt den Lagerraum für Getreide und Lebensmittel sicher. Vor der Bezirkshauptmannschaft war eine Menschenmenge von ungefähr 300 versammelt, wurde von der Kompanie verdrängt und die Straße gesperrt, weil von den ersten Augenblicken aus der Menge spöttische Befehle und Beschimpfungen ertönten, wie "tschechisches Lumpenpack, von dir lassen wir uns nicht befehlen. Weg mit den tschechischen Soldaten!" Und auch tschechische Stimmen erklangen, dass die Regierung ihnen anstatt Essen Bajonette schickt. Die Militärpolizei verhaftete diejenigen, die die Menge aufreizten oder sich bemühten, gegen die Soldaten Gewalt anzuwenden ... Soviel ein kurzer Exkurs in die ersten Jahre der Existenz der Tschechoslowakei.

Wiederholen wir nun die Angaben über die Anzahl der deutschen Bürger in unseren Hohenelber Bezirk im Jahre 1932, der für den Nachkriegsabschub entscheidenden Zahl. Ungefähre Rechnung führe ich im Text der Einleitung auf; wenn wir die Zahlen auf Prozent umrechnen, gelangen wir zu 70 % Deutscher gegenüber 30 % Tschechen. Allein die Stadt Hohenelbe hatte zu dieser Zeit nicht mehr als neun Prozent Einwohner tschechischer Nationalität.


Die Abtrennung des Grenzgebietes

Nach der Abtrennung des Hohenelber Bezirkes von der Tschechoslowakei und seiner Angliederung an den Sudetengau im Herbst des Jahres 1938 veränderte sich das Verhältnis zwischen Deutschen und Tschechen weiter. Viele Tschechen verließen die Stadt freiwillig und unfreiwillig. In den Bezirk kam eine Menge Reichsdeutscher, sodass nach der Zählung vom Jahr 1939 sich die Zahlen 50 000 und 12 000 ergeben (die Zahl der Tschechen im Bezirk sank um 20 %.

Die deutsche Annexion rief am Anfang Begeisterung der Mehrheit der Bewohner hervor. Die erste Welle des Enthusiasmus verfiel bald, weil die Einheimischen feststellten, dass sie vom Regen in die Traufe kamen. Im Großdeutschen Reich blieben sie Außenseiter. Die Versorgung stockte und die Deutschen konnten in dieser Richtung die Leute beneiden, die durch die Fügung des Schicksals auf die tschechische, oder auf die Protektoratsseite der Grenze gerieten. Der Kriegsbeginn und die Wehrpflicht kennzeichnete grausam die Geschicke der Mehrheit der sudetendeutschen Familien.

Die Juden und Beschäftigte tschechischer Nationalität mussten gleich nach der Besetzung des Grenzgebietes Stellen in staatlichen Diensten verlassen. Jüdisches Eigentum wurde konfisziert. Die erste große offene antijüdische Aktion spielte sich am Tag der Ankunft des heiligen Martin auf den weißen Pferd am 11. November 1938 ab. Dreieinhalbtausend fanatisierter Bewohner der Stadt manifestierten in einem Zug zum Gericht, wo ihnen die Gestapo verhaftete Juden vorführte. Nichtarische Herkunft war der Grund für Scheidung einiger zu dieser Zeit gültiger Ehen. Viele Bürger tschechischer Nationalität, deutsche Sozialdemokraten und Kommunisten flohen aus der Stadt. Nach Ober-Branna, das wie durch Schwanken eines Zauberreises Grenzgemeinde wurde, wanderten gleich in den ersten Tagen über zweihundert Flüchtlinge aus, die Mehrheit zog schließlich weiter fort ins tschechische Grenzgebiet, einige kamen wieder zurück.

Kriegsgeschrei wurde im Hohenelber Bezirk im Ganzen erfolgreich vermieden. Das größte Unglück musste so der Abgang vieler Ehemänner, Geliebter, Großväter und Familienväter an die Front sein. Viele von ihnen fielen auf den Schlachtfeldern der Ost- und Westfront, oder sie kehrten als körperliche oder geistige Krüppel zurück.


An der Neige des Krieges

Das Kriegsende traf das Hohenelber Gebiet in niederschmetternder Situation. In der Schlussphase (wir sprechen vom Winter des Jahres 1945) der Kämpfe war unsere Region zuerst vom Durchgang vieler Kolonnen Kriegsgefangener gezeichnet. Knapp vor Kriegsende bewegten sich bei uns viele Flüchtlinge aus Oberschlesien. Ende April standen Einheiten der sowjetischen Armee auf der nördlichen Seite des Riesengebirges (Hirschberg, Waldenburg). Verteidigungsmaßnahmen erreichten auch die Stadt. Aus dem Gebäude des Gymnasiums evakuierten die örtlichen Behörden das Militärlazarett. Die Zivilbevölkerung fasste Gasmasken, es formierte sich Landsturm (Volkssturm). Am 24. April zog Gendarmerie aus der Umgebung in Hohenelbe ein. Am 03. Mai konstituierten sich in Starkenbach, Semil und Hochstadt an der Iser revolutionäre Nationalausschüsse. An der Protektoratsgrenze kam es darnach zu einigen grundlosen Zusammenstößen, die am Erfolg des Krieges nicht den geringsten Einfluss haben konnten. In Hrabačov kam ein junger Mann ums Leben, als er auf die örtliche Gendarmeriestation schoss und die Finanzer den Schuss erwiderten. Der Vorfall rief eine Folge von Ereignissen hervor, die noch knapp vor dem Kriegsende zu grundlosen Repressionen von deutscher Seite führten.

Am Tag vor dem offiziellen Kriegsende – 07. Mai – forderte der Reichsprotektor den Konrad Henlein, den Sudeten-Gauleiter auf, die Verwaltung seiner Behörden noch vor der Ankunft der sowjetischen Armee in die Hände der tschechoslowakischen Verwaltung zu übergeben. Aus dem Bezirk flohen schon die Familien der Funktionäre nazistischer Organisationen. Das deutsche Militär zog sich teilweise organisiert nach Westen zurück, ein beträchtlicher Teil desertierte und versuchte auf eigener Achse nach Hause zurückzukehren. Der Hohenelber Landrat Dr. Seemann harrte aus und forderte aufgrund der Henlein´schen Anweisung am Vormittag des 08. Mai den Starkenbacher Nationalausschuss auf, die Verwaltung des Hohenelber Bezirkes zu übernehmen. Seemann in der ganzen Hohenelber Delegation traf sich um drei Uhr nachmittags in Ober-Branna mit der Starkenbacher Delegation. Die führte ihr Vorsitzender Josef Zemann. Beide Delegationen verständigten sich in Branna auf die Details der Kapitulation. Alle begaben sich gleich nach Hohenelbe, wo im Schloss die offizielle Übergabe des Bezirksamtes ablief. Das Stadtamt übergab gleich nachher. Die Beschäftigten erhielten Anweisung, an ihren Stellen zu verbleiben. Tschechisch wurde als einzige Amtssprache eingeführt. Die tschechischen Mitteilungen dolmetschte der Oberinspektor Franz Bach durch den städtischen Rundfunk. Die neue tschechischer Verwaltung machte Standrecht von acht Uhr abends bekannt. Es erklang die tschechoslowakische Staatshymne, am Rathaus wehte die tschechoslowakische Fahne. Die Sicherheit der ganzen Aktion stellte eine fünfgliedrige Abteilung der Gendarmerie und eine Abteilung des 4. Grenzregiments. Es befehligtem Major Zdeněk Likař und Oberleutnant Otto Spanilý. Es folgte die erste Maßnahme von tschechischer Seite. Die deutsche Seite gab sämtliche Waffen ab, die deutsche Polizei löste sich auf. Das Militär besetzte die Post und den Bahnhof. Der revolutionäre Bezirks-Nationalausschuss ergriff geführt von Augustin Kubát die Macht.

Mit eintägiger Verspätung endete der Krieg ähnlich auch für die zweite größte Stadt des Bezirkes, Arnau. Das hauptsächliche Wort bei der Machtübernahme hatte eine Volksmenge aus dem nahen Slemeno.


Die Sowjets

Die Rote Armee durchfuhr das Riesengebirge praktisch nur. Nach Hohenelbe gelangte sie halsbrecherisch über Spindelmühle knapp vor Mitternacht des 09. Mai. Am Stadtplatz begrüßten die Sowjets die Vertreter der örtlichen Militärischen und zivilen Verwaltung und wenige Tschechen. In Hohenelbe und Arnau waren zuletzt kurz kleine sowjetische Besatzungen. Im oberen Hohenelbe wohnten 38 Männer, die wiederholt den Nationalausschuss bedrängten und Lebensmittel und Kleidung verlangten. Der Nationalausschuss musste schließlich eine Bekanntmachung herausgeben, die genannte Forderungen als unberechtigt erklärte. Die Russen plünderten und stahlen auch in der Nacht, was am 25. September 1945 zur Absendung einer Beschwerde an die sowjetische Botschaft führte.

Mehr engagierte sich die Rote Armee in der Frage der Hohenelber Firma Lorenz (Tesla, Optrex). Die Sowjets besetzten die Firma, deren Produktion aus Berlin nach Hohenelbe umgezogen war, und demontierten ihre Fertigungsstraßen. In ihnen wurden nämlich Radiolampen hergestellt, was für die Befreier eine willkommene Beute war. Die Russen führten aus Hohenelbe die Hälfte der Firma als Kriegs-Reparation weg. Ursprünglich wollten sie zwei Drittel, der Bezirksverwaltung gelang es nach mühsamen Verhandlungen mit Zentralorganen, diese Forderung zu ermäßigen.


Was mit Ihnen?

Die deutsche Bevölkerung wurde in den ersten Tagen und Monaten nach der Beendigung des Krieges für eine große Sicherheitsbedrohung gehalten. Nach den Protektorats- und Reichserfahrungen der Tschechen kann man sich darüber nicht wundern. Nach heutiger und damaliger Sicht waren verschiedene Maßnahmen, gemessen á priori gegen die deutsche Nation als Ganzes wenigstens strittig.

Am 15. Mai startete die gegründete Versammlung nationaler Sicherheit häufige Verhaftungen von Personen, die nazistischer Verbrechen beschuldigt waren. Militärische Wachen führten Hausdurchsuchungen durch. Ohne Gericht wurden einige Hinrichtungen vollzogen, bei denen dreißig Personen aus Schwarzental und Spindelmühle ums Leben kamen.

Die Schwarzentaler Vorfälle sind durch direkte Zeugen gut beschrieben: Am 16. Mai kamen russische Offiziere mit tschechischen Partisanen um den Bürgermeister Anton Zirm und den Platzkommandanten SA Franz Lorenz. Auf der Stelle verprügelten sie beide. Das Blut des Lorenz bespritzte die Mauer und sein Jammern war in weiter Umgebung zu hören. Danach jagten sie beide durch das Dorf vor den Augen der Einwohner und schlugen sie so, dass sie nicht selbständig gehen konnten. Zum Schluss sperrten sie sie in den Keller des Hotels Erben am Markplatz. Beide starben an den Folgen der Verletzungen. Die Hinterlassenen konnten sich von ihnen im Leichenhaus verabschieden.

Am 18. Juni Verunglückte ein Lastauto mit tschechischen Soldaten auf dem Marktplatz in Schwarzental. Hier im Hotel Erben wohnte die tschechische Besatzung, über die sich zu dieser Zeit die Bevölkerung nicht beklagen konnte. Neue Soldaten begannen bald nach ihrer Ankunft sich wie Verbrecher zu benehmen. Im oberen Teil der Gemeinde verhafteten die den Färbermeister Franz Munßer. Es folgten der Kutscher Josef Ettrich, ein weiterer Färber Josef Krause und sein Bruder Johann. Die Soldaten verprügelten mit Faust, Fußtritt, Schaft und Knüppel. Dann kamen sie auch um den Bauer Wonka, Franz Kröhner, Josef Schneider, den Sattlermeister Möhwald, den Telegrafisten Oswald Renner und noch einen Mann, der für die ganze Begebenheit Zeugenaussage lieferte.

Die Verhafteten und Verprügelten kerkerten sie in zwei Kellerräume des Hotels Erben ein. Dort hielten sie einige vollends gefesselt. Es folgten weitere Schwarzentaler Männer. Die Wachen kontrollierten die Gefangenen regelmäßig jede Stunde und erlaubten ihnen nicht sich zu setzen. Jede Kontrolle bedeutete neue Quälerei und Peinigung. Einer der Gefangenen wurde durch die erlebte Marter wahnsinnig. Die ersten drei oder vier Tage nach der Einkerkerung erhielten die Gefangenen weder Essen noch Getränke. Das Bedürfnis erledigten sie auf der Stelle in die Kleidung. Erst am dritten Tag brachte ihnen die Wache einen Eimer, den immer einer der Gefangenen hinaustrug. Eine der Patrouillen unterhielt sich damit, dass sie den Gefangenen mit Hilfe kleiner Zangen Feinspäne unter die Fingernägel trieben. Andermal hängten sie sie an die Zimmerdecke mit dem Kopf nach unten und prügelten sie mit Gummiknüppel. Oben führten sie Verhöre, von denen die Befragten als formlose blutunterlaufende Masse zurückkamen. Einem der Gefangenen gab die Wache regelmäßig eine größere Menge Jod zu trinken. Drei Gefangene zog die betrunkene Wache hinaus, folterte sie und erschoss sie schließlich. Die Verhöre der Gefangenen verliefen folgendermaßen: Der zu Verhörende legte sich auf einen hölzernen Tisch und die Frager droschen sie mit Gummiknüppel. Die ganze Örtlichkeit war blutverschmiert, in den Ecke häuften sich menschliche Finger. Bis auf einen wurden die Schwarzentaler erschlagen oder hingerichtet.

Allein im Laufe des Mai 1945 verhafteten die tschechischen Organe 155 Leute, im Lauf des ganzen Jahres waren es mehr als 750. In Hohenelbe und Arnau entstanden Internierungslager, in denen die Verhafteten lebten und arbeiteten. Das Arnauer Lager beendete seine Tätigkeit im Herbst 1945. Das Hohenelber wurde in ein Straflager umgestaltet. Zu Beginn hielten sich hier vierhundert Gefangene auf.

Das Militär führte die Exekutionen der befohlenen Urteile durch (ein häufiger Schauplatz von Exekutionen wurde der Hohenelber Marktplatz). Das Hohenelber Volksgericht entstand Ende November 1945, beiläufig von der gleichen Zeit arbeitete auch die Straffahndungs-Kommission beim Bezirks-Nationalausschuss (das Ende ihrer Tätigkeit vermerken wir im Mai des Jahres 1947) Außer den Verurteilten, die in den genannten Internierungslagern oder in Gerichtsgefangenschaft endeten. Der Hohenelber Bezirk erlebte auch über sechzig öffentliche Hinrichtungen. In Mittel-Langenau richteten sie zwölf SS-Angehörige hin. Der Anlass zum Exzess kam vonseiten Trautenauer russischer Organe. Kein Gericht, kein Kläger.

Die deutsche Bevölkerung auf Hohenelbe versuchte in den Nachkriegswochen und -Monaten keinen organisierten Widerstand zu leisten. Die meisten Verstöße geschahen, waren Verstecken von Waffen, wofür sie auch hingerichtet wurden (Klein-Borowitz, Hermannseifen oder Rudnik). Übrige Delinquenten endeten in Internierungslagern.




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