Hier nun der zweite Teil aus einer
Serie von 6 Beiträgen zum Thema "Vertreibung der Deutschen" des
Herrn Martin Bartos.
Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung durch Herrn Martin
Bartos.
Der nachstehende Artikel erschien in der Ausgabe 5/2005 der Zeitschrift "KRKONOŠE"
unter "Odsun Němců 1945 1946".
Die Übersetzung des tschechischen Textes nahm freundlicherweise diesmal Frau
Martina Moser aus Bautzen vor, wofür ich ihr recht herzlich danke.
von Martin Bartoš
Übersetzung: Frau Martina Moser, geb. Taslerova, Bautzen
Bevor wir damit anfangen, uns gründlicher mit der ersten Etappe der Ereignisse zu beschäftigen, die zum Abschub der ursprünglichen Bevölkerung geführt haben, müssen wir uns mit den Dekreten des Präsidenten Edvard Beneš (Beneš-Dekrete) und einigen weiteren Dokumenten auseinandersetzen, die heute allgemein als rechtliche Grundlage des Abschubes (welche die Deutschen "die Vertreibung" nennen) gelten.
Wir finden sie im Gesetzbuch aus dem
Jahre 1945. Insgesamt zwölf behandeln direkt oder indirekt die Lösung der Nationalitätenfrage
in den tschechischen Grenzgebieten.
Das erste Dekret vom 19. Mai 1945 erklärt die Ungültigkeit einiger eigentumsrechtlicher
Verträge aus der Zeit der "Unfreiheit" und spricht von der nationalen
Verwaltung der Vermögenswerte der Deutschen, Ungarn, Verräter und Kollaborateure
und einiger Organisationen und Institutionen. Sehr wichtig ist Paragraf 4, der
die Personen deutscher und ungarischer Nationalität als unzuverlässig definiert.
Dieses Dekret prüft keineswegs die Tätigkeit dieser Leute während des Krieges.
Im Paragrafen Nummer 6 wird eindeutig definiert: Als Personen deutscher Nationalität
... sind solche Personen zu betrachten, die sich bei jedweder Volkszählung ab
dem Jahre 1929 zur deutschen... Nationalität bekannten oder die Mitglieder von
Volksgruppen oder Formationen oder politischer Parteien, die deutsche Personen
zusammenführten, geworden sind.
Am 21. Juni erschien ein Dekret über die Konfiskation und beschleunigte Verteilung
des landwirtschaftlichen Vermögens oben genannter Volksgruppen. In ihm wurde
geregelt, wem und unter welchen Bedingungen das konfiszierte Eigentum zugewiesen
werden konnte.
Das dritte Dekret vom 19. Juni 1945 (im Gesetzbuch wurde es erst am 19. Juli
veröffentlicht) beinhaltet Regelungen zur Bestrafung der Nazi-Verbrecher, Verräter
und deren Helfer und über die außerordentlichen Volksgerichte. Die Volksgerichte
urteilten in letzter Instanz und Todesstrafen wurden innerhalb von zwei Stunden
nach der Urteilsverkündigung vollstreckt. Die Prozesse erfolgten auch in Abwesenheit
des Angeklagten, die Todesstrafe wurde dann innerhalb von 24 Stunden nach der
Festnahme vollstreckt. Das Volksgericht hat auch darüber entschieden, ob die
Hinrichtung öffentlich stattfand (am Marktplatz in Hohenelbe sind viele öffentlich
verlaufen).
Mit dem 19. Juni 1945 ist eine Regierungsverordnung datiert, wie oben genanntes
Dekret durchgeführt wird, also eigentlich dessen Durchführungsverordnung.
Am 17. Juli entstand ein Dekret über die einheitliche Steuerung der inneren
Besiedlung. Nach § 1 versteht man unter innerer Besiedlung die Gesamtheit
aller Maßnahmen, mit denen gemäß darüber ergangenen Vorschriften die Rückgabe
aller Gebiete der Tschechoslowakischen Republik an das ursprüngliche slawische
Element erreicht werden soll. Drei Tage später gibt Beneš ein Dekret heraus
über die Besiedlung des landwirtschaftlichen Bodens der Deutschen, Ungarn und
anderer Feinde des Staates durch tschechische, slowakische und andere slawische
Landwirte. Das Gesetz spricht über die "Zugeteilten" als über Leute,
denen das Land nach genauen Regeln zugeteilt wird. Landwirtschaftliches Eigentum
wurde für eine Vergütung (Geld oder Naturalien) zugeteilt. Das Land ist am Tage
der Entscheidung über die Zuteilung Eigentum des neuen Besitzers geworden und
der Besitzer wurde dann verpflichtet, das Eigentum selbst ordnungsgemäß zu bewirtschaften.
Ein eventueller Verkauf oder ein weiteres Vermieten war nur mit Zustimmung des
Nationalen Bodenfonds möglich.
Anfang August kam ein Dekret heraus über die Regelung der tschechoslowakischen
Staatsangehörigkeit für die deutschen und ungarischen Nationalitäten. Die genannten
Personen haben unsere Staatsangehörigkeit an dem Tag verloren, an dem sie sich
zur deutschen oder ungarischen Staatsangehörigkeit angemeldet haben oder an
dem Tag, als dieses Dekret in Kraft getreten ist. Eine Ausnahme hat das Dekret
denen erteilt, die sich in der Zeit der erhöhten Bedrohung der Republik (ab
21. Mai 1938) als Tschechen oder Slowaken erklärt haben. Wenn jemand eine von
den genannten Staatsangehörigkeiten zurückbekommen wollte, musste er sie in
der Regel beim zuständigen Nationalausschuss oder bei der Bezirksverwaltungskommission
beantragen.
Die Arbeitspflicht von Personen, welche die tschechische Staatsangehörigkeit
verloren haben, regelt das Dekret vom 19. September 1945. Die Arbeitspflicht
galt für Männer ab 14 bis 60 Jahre und für Frauen ab 15 bis 50 Jahre. Der Bezirksnationalausschuss
hatte das Recht, diesen Personen eine Arbeit zuzuteilen. Diese Vorschrift galt
nur in den Ländern Böhmen und Mähren-Schlesien.
Am 24. September erließ das Innenministerium eine Verordnung zum Status des
Besiedlungsamtes in Prag. Diese gab ihm das Recht, in Tschechien, Mähren und
Schlesien nach Bedarf Zweigstellen mit der Bezeichnung "Lokale Besiedlungszentrale"
einzurichten. Laut Paragraf 9 Absatz 2 Abteilung b) steht es ihm zu,
die Richtlinien für den Abschub der Bevölkerung aus den Gebieten, die neu besiedelt
werden sollen, zu entwerfen und an der Umsetzung mitzuwirken.
Das Dekret über die Konfiskation des feindlichen Besitzes und über den Fonds
der nationalen Erneuerung stammt vom 25. Oktober. Danach wird alles entzogen,
was noch nicht entzogen wurde. Die Kompetenz zur Entscheidung über die Konfiskation
haben die zuständigen Bezirksnationalausschüsse.
Am achtzehnten Oktober hebt Beneš die deutsche Universität in Prag auf.
Um die seit langem andauernden historischen Bemühungen des ganzen tschechischen
Volkes in der Frage der Prager Universität zum Abschluss zu bringen und die
Früchte der nationalen Revolution und des Kampfes um die Befreiung der Tschechoslowakischen
Republik rechtlich zu sichern, bestimme ich auf Vorschlag der Regierung: § 1.
Die Deutsche Universität Prag, die am 05. Mai 1945, dem ersten Tage des Aufstandes
der Prager Bevölkerung, zu bestehen aufgehört hat, wird als ein dem tschechischen
Volk feindliches Institut für immer aufgelöst. Gleichzeitig hat der Präsident
mit einem weiteren Dekret die deutschen Technischen Hochschulen in Prag und
Brünn aufgelöst.
Eine zweite Erwähnung des Abschubes befindet sich im Dekret über die Sicherstellung
der als staatlich unzuverlässig angesehenen Personen während der Revolutionszeit.
Zitieren wir § 2: Unter einer Sicherstellung (vorläufigen Sicherstellung) im
Sinne dieses Dekrets und anderer gesetzlicher Bestimmungen ist nicht die Zusammenziehung
ausländischer Staatsangehöriger zu verstehen, die von der zuständigen Behörde
an bestimmten Orten zum Zwecke ihrer späteren Abschiebung durchgeführt wurde.
Eine solche Zusammenziehung darf ohne jegliche Beschränkung durchgeführt werden.
Das Dokument trägt das Datum 27. Oktober 1945.
Vorstehende Dekrete (mit dem Verfassungsgesetz aus dem 28. März 1946 hat sie
die Nationalversammlung bewilligt und zum Gesetze erklärt) führen also den Begriff
Abschub praktisch nicht an. Als Hauptdokument, auf das sich die ethnische Säuberung
stützt, betrachtet man Artikel 13 des Abkommens auf der Potsdamer Konferenz
in Juli und August 1945. In dieser wird folgendes ausgeführt: ... Ausweisung
Deutscher ... Die drei Regierungen haben die Frage unter allen Gesichtspunkten
beraten und erkennen an, dass die Überführung der deutschen Bevölkerung oder
Bestandteile derselben, die in Polen, Tschechoslowakei und Ungarn zurückgeblieben
sind, nach Deutschland durchgeführt werden muss. Sie stimmen darin überein,
dass jede derartige Überführung, die stattfinden wird, in ordnungsgemäßer und
humaner Weise erfolgen soll. Da der Zustrom einer großen Zahl Deutscher nach
Deutschland die Lasten vergrößern würde, die bereits auf den Besatzungsbehörden
ruhen, halten sie es für wünschenswert, dass der alliierte Kontrollrat in Deutschland
zunächst das Problem unter besonderer Berücksichtigung der Frage einer gerechten
Verteilung dieser Deutschen auf die einzelnen Besatzungszonen prüfen soll. Sie
beauftragen demgemäß ihre jeweiligen Vertreter beim Kontrollrat, ihren Regierungen
so bald wie möglich über den Umfang zu berichten, in dem derartige Personen
schon aus Polen, der Tschechoslowakei und Ungarn nach Deutschland gekommen sind,
und eine Schätzung über Zeitpunkt und Ausmaß vorzulegen, zu dem die weiteren
Überführungen durchgeführt werden könnten, wobei die gegenwärtige Lage in Deutschland
zu berücksichtigen ist. Die tschechoslowakische Regierung, die Polnische Provisorische
Regierung und der Alliierte Kontrollrat in Ungarn werden gleichzeitig von obigem
in Kenntnis gesetzt und ersucht werden, inzwischen weitere Ausweisungen der
deutschen Bevölkerung einzustellen, bis die betroffenen Regierungen die Berichte
ihrer Vertreter an den Kontrollausschuss geprüft haben.
Unsere ehemaligen Landsleute behaupten, dass der Abschub der Sudetendeutschen keine spontane Reaktion auf die Okkupation und die Taten der Deutschen im Zweiten Weltkrieg war. Sie stützen sich dabei auf einige handfeste Tatsachen. Zwei Beneš Arbeiten aus dem Jahre 1941 sprechen nicht ganz eindeutig über eine generelle Endlösung des Minderheitenproblems durch eine Übersiedlung. Schon damals wurde wahrscheinlich über die Volkszählung 1930 und die Meldung zu der einen oder anderer Nationalität erzählt. Der Direktor des jüdischen wissenschaftlichen Institutes in New York wandte sich an unseren Exilminister Jan Masaryk mit der Frage über das eventuelle Schicksal der Jüdischen Minderheit in der Tschechoslowakei (die Mehrzahl der Juden hatte sich nämlich zur deutschen Nationalität gemeldet). Masaryk hat ihm zugesichert, dass der Abschub nur die Sudetendeutschen betreffen soll. Die Realität war am Ende aber anders, Juden deutscher Nationalität, die die faschistische Genozide überlebt haben, verloren in der Regel ihr Eigentum und wurden zum gehen gezwungen, weil die Situation in der Nachkriegstschechoslowakei für sie aussichtslos war. Im Jahre 1942 haben sudetendeutsche Sozialdemokraten die Zusammenarbeit mit Beneš abgebrochen und sind vor Hitler nach London geflüchtet. Am 22. Juni 1942 hat Wenzel Jaksche dem Präsident Beneš geschrieben: " ... das Programm des Bevölkerungstransfers entzieht sich dem Prinzip staatsrechtlicher Kontinuität, in deren Namen die Tschechoslowakische Regierung bisher die Loyalität der demokratischen Sudetendeutscher in Ausland eingefordert hat ..."
Am 12. Mai 1943 erwähnte der Exilpräsident im Gespräch mit Roosevelt, dass die Russen mit dem Transfer der Sudetendeutschen einverstanden wären. Am 27. Mai trug Exilminister Hubert Ripka in London dem russischen Botschafter das gleiche über die Amerikaner vor und bat um offizielle Zustimmung der Russen. Am 06. Juni äußerten sich die Russen positiv und Ripka telegrafierte davon Beneš nach Amerika. Ende des Jahres 1943 unternahm Beneš eine Reise nach Moskau, die widersprüchlich zum Rat der Britischen Regierung war. Die Ergebnisse aus Jalta und Potsdam hat Beneš direkt und indirekt beeinflusst. Unsere politische Entwicklung wurde schon im Jahre 1945 besiegelt und hängt mit dem Abschub der Sudetendeutschen eng zusammen. Unabhängig vom bisher genannten fand vor Potsdam, währenddessen und auch danach statt:
"Historischer Aufgabe" der
wiederhergestellten tschechoslowakischen staatlichen Verwaltung war die Umwälzung
des Nationalitätenverhältnisses geworden. Abschub und Ersetzung der Deutschen
durch die Tschechen haben praktisch gleich nach dem Ende der nazistischen Okkupation
angefangen. Aus den Sammellagern in Arnau, Hackelsdorf, Theresienthal (Hermannseifen)
und Langenau sind Abgeschobene nach Hohenelbe gekommen. Schon am 18. Mai ist
vom Bahnhof in Hohenelbe im Rahmen der sogenannten wilden Vertreibung der erste
Eisenbahntransport losgefahren. Am 09. Juni fuhr ein Zug mit Reichsdeutschen
in geöffneten Vieh- und Kohlewaggons ab. Dieser fuhr über Reichenberg (hier
wurde den "Fahrgästen" der Rest ihres Besitzes geklaut) und endete
unweit vom sächsischen Zittau. Insgesamt 23 Lastzüge haben 19.000 Leute aus
Hohenelbe und Umgebung und weitere Deutsche aus dem Starkenbach- und Neupaka-Bezirks
abtransportiert. Die letzte wilde Vertreibung erfolgte am 04. August 1945.
Auch die wilden Vertreibungen hatten ihre Regeln: Die ausgewählten deutschen
Personen sollten einen Tag vorher informiert werden. Manchmal allerdings hatten
sie bloß eine Stunde zum Gepäck packen, das nicht mehr als dreißig Kilo wiegen
durfte. In der Realität wurde alles weniger sanft durchgeführt. Geben wir das
Wort Gustav Richter aus Niederlangenau. Verheiratet war er mit Marie Pohl(ová)
aus Oberlangenau. Gestorben ist er in Jahre 1966. Die eigenhändig geschriebene
Erzählung hat sich bei seiner Tochter Edita erhalten (in Niederlangenau hat
die Familie Richter ein Hof besessen Kleinlangenau Nr. 3 seit
dem Jahre 1785, der Hof ist im Kataster aus dem Jahre 1654 registriert. Mit
80 Hektar zählte Richters Hof zu den größten in Niederlangenau): Nach dem Abschub
von Einzelnen oder einzelnen Familien (Schirmer, Bock, Rücker), folgte am 23.
Juni eine Abschiebung im größeren Ausmaß.
Mit einer Urkunde, die am Abend zuvor von den Kommunisten ausgestellt wurde,
haben Partisanen ausgewählte Familien aus den Häusern getrieben. Zeitlimit
10 Minuten. Mitnehmen konnten die Leute nur 30 Kilo Gepäck und 100 Reichsmark.
Eingepackte Sachen wurden allerdings am Sammelplatz noch einmal durchsucht und
von den Partisanen weggenommen. Der erste Transport fuhr nur bis Zittau, danach
folgte ein Fußmarsch weiter nach Deutschland.
Nach Zeugenaussagen haben die tschechischen Organe die Abgeschobenen nicht gerade
mit Samthandschuhe angefasst. Die Leute wurden anfangs nur als Nummern behandelt.
Namenslisten von den Abgeschobenen in Transporten der wilden Vertreibung wurden
nicht erfasst. Die Beendigung der ersten Etappe der ethnischen Säuberung Hohenelbe
und Umgebung hatte durchaus einen simplen Grund Anfang August hatte das
russische Kommando in Zittau die Grenze, über die die Lastzüge bisher frei fahren
konnten, hermetisch abgeriegelt. Zweitausend Internierte mussten einige Monate
warten, bis sie wieder an die Reihe kamen.
Die zwangsläufige Pause hat der Bezirksnationalausschuss zur Verhandlung mit
der antifaschistischen Kommission und zur Vorbereitung des Abschubes von Antifaschisten
genutzt. Es wird angegeben, dass sie freiwillig weggehen wollten. In der Realität
wurde auf sie heimlicher und auch öffentlicher Druck ausgeübt. Gestatten sie
mir jetzt einen Brief aus dem Jahre 2002 zu zitieren: "... es ist wahr,
dass meine Eltern gemeinsam mit zwei Söhnen und einer Tochter aus ihrem Hause
abgeschoben wurden in einem Transport für Antifaschisten ... Es ist eine gemeine
Lüge, dass mein Vater damals freiwillig nach Deutschland gegangen ist ... Genauso
wie andere Deutsche wurde er aus seiner Heimat vertrieben, was bedeutet: unter
Druck musste er das Landgebiet der Tschechoslowakei verlassen, und das war unmenschlich!"
Antifaschisten hatten im Vergleich zu normalen Deutschen eine Legitimation,
ansonsten hat sich ihre Position von anderen faktisch nicht unterschieden. Und
welche Grundkriterien galten für die Zuteilung eines Antifaschistenausweises?
Die Verzeichnisse der Mitglieder und Wähler der sozialdemokratischen und kommunistischen
Partei aus dem Jahre 1938 waren die Kriterien geworden. Ein spezieller antifaschistischer
Ausschuss hat ab August 1945 unter der Leitung von Willi Gajda, Jan Jiřička
und František Wiesner gearbeitet. Der Ausschuss hatte nicht zu entscheiden,
sondern hat mit der Bezirksverwaltungskommission zusammengearbeitet, die die
Vorschläge auf Kategorisierung einzelnen Bürger deutscher Nationalität dem Landesnationalausschuss
und dem Innenministerium vorgelegt hat. Manche Leute brauchten diesen Weg nicht
gehen, sondern haben ihre Bewilligung direkt vom Ministerium erhalten. Manchmal
stand die Entscheidung des Ministeriums im Widerspruch zur Meinung der Bezirksverwaltungskommission.
Zum Beispiel bei einer Frau aus Harta wollte die Kommission ihren antifaschistischen
Status nicht anerkennen, vielleicht deshalb, weil sie damit wieder Anspruch
auf ihr Eigentum gewonnen hätte, welches hier ihrem Mann einem Juden
weggenommen worden war, und das zwischenzeitlich schon verteilt oder
gestohlen wurde. Auch für Antifaschisten galten die folgenden Verordnungen,
welche die Orts- und Bezirksorgane in Hohenelbe aufgrund von Erlassen der vorgesetzten
Organe oder aus eigener Initiative herausgegeben hatten. Der örtliche Nationalausschuss
z.B. hat unter der Verhandlungsnummer 9861-45 am 07. Dezember 1945 durch Erlass
befohlen, alle Musikinstrumente aus dem Eigentum der Deutschen, Ungarn und der
Kollaborateure anzumelden. Die Meldung auf einem vorgeschriebenen Formular betraf
sowohl Personen als auch Institutionen Vereine, Theater, Bildungsinstitute
und Schulen. Sie betraf auch Personen deutscher oder ungarischen Nationalität.
Der Bezirksnationalausschuss befahl wiederum, den Deutschen, Ungarn und anderen
Verrätern die Rundfunkempfänger wegzunehmen, den Kollaborateuren wurden auch
die Fahrräder und Bücher beschlagnahmt.
Die Antifaschisten haben oft die unterschiedlichsten Anforderungen erhoben.
Meistens wollten sie das Recht auf tschechische Lebensmittelkarten zuerkannt
haben. Lehrer haben die Rückgabe von Büchern und Musikinstrumenten beantragt.
Sie haben ihr Recht auf ihre Rundfunkempfänger und Fahrräder erhoben. In Arnau
haben sie sogar die Erneuerung der Sozialdemokratischen Partei beansprucht (den
Antrag hat die Bezirksverwaltungskommission abgelehnt). Besitzer der antifaschistischen
Legitimationen wurden mehrmals überprüft, da sie in den ersten Nachkriegsjahren
ihr Status bei unterschiedlichen Institutionen hatten erhalten können. Im August
1945 brach eine Affäre im Zusammenhang mit der Aufnahme von Personen deutscher
Nationalität in die Kommunistische Partei der Tschechoslowakei aus. Durch die
Aufnahme erhielten sie automatisch antifaschistischen Status. Die Kommunisten
distanzierten sich von dieser Handlung auf der Bezirkskonferenz im August und
fanden einen Schuldigen in den eigenen Reihen. Die Hälfte der Deutschen hatte
sie ausgeschlossen und ihnen ihre Ausweise abgenommen. Weshalb entschieden sich
fast alle Antifaschisten wegzugehen? In erster Linie waren sie deutscher Nationalität,
was ihnen nach den Beneš-Dekreten und in den Augen der tschechischen Öffentlichkeit
sowieso als Verbrechern abstempelte. Bestimmt haben sie auch vor der tschechischen
Sprache in den Ämtern und in den Schulen Angst gehabt. Paradoxerweise hatten
viele von ihnen Pech, da die meisten ihrer Transporte in der sowjetischen Zone
endeten, dem späteren Ostdeutschland. Antifaschisten hatten bei dem Abschub
ein wenig eine andere Position als normale Deutsche, Ungarn, Kollaborateure
und sonstige Nationalverräter. Jede Familie hatte das Recht auf ein Viertel
eines Waggons. Hierher konnten sie bewegliches Vermögen und persönliche Sachen
mitnehmen. Weil es auf den ersten Blick nicht erkennbar war, um welche Personen
es sich handelte, wurde jeder Transport von einer fünfköpfigen Truppe von Soldaten
begleitet. Sie sollte Konflikte und Diebstähle verhindern und die Passagiere
vor Raub und Attacken aus tschechischen Reihen beschützen.
Das gesamtes Unrecht, Morde, Raub, Vergewaltigungen, Diebstahl, Folter und weitere
Exzesse der tschechischen Seite wurde im Mai 1946 durch das Gesetz über die
Rechtmäßigkeit von Handlungen, die mit dem Kampf um die Wiedergewinnung der
Freiheit der Tschechen und Slowaken zusammenhängen, legalisiert. In drei Paragrafen
hat es Verbrechen straflos werden lassen, die vom 30. September 1938 bis zum
28. Oktober 1945 begangen wurden.
Zweisprachiges Ortsverzeichnis:
Brünn / Brno; Langenau (Ober-, Mittel- und Nieder-) / Lánov; Niederlangenau
/ Dolní Lánov; Oberlangenau / Horní Lánov; Kleinlangenau / Malý Lánov; Mittellangenau
/ Prostřední Lánov; Harta / Podhůří; Hackelsdorf / Herlíkovice;
Arnau / Hostinné; Reichenberg / Liberec; Mittellangenau / Prostřední Lánov;
Theresienthal / Terezín; Rudnik / Hermannseifen; Hohenelbe / Vrchlabí; Umgebung
von Hohenelbe / Vrchlabsko, Starkenbach / Jilemnice; Neupaka / Nová-Paka.