Schilderungen aus dem Isergebirge
Es ist auffallend, dass die meisten
der in Nordböhmen und dem Iser- und Riesengebirge tätig gewesenen alten Glasmacherfamilien
aus dem sächsischen Erzgebirge stammten. Dies gilt sowohl für die beiden geadelten
Glasmacherfamilien der Schürer von Waldheim und Wander von Grünwald, wie auch
für das weitverzweigte böhmisch‑ schlesische Glasmachergeschlecht der
Preußler oder Preissler und noch für mehrere andere weniger bekannte Familien.
Stammvater der böhmischen Schürer war Kasper Schürer zu Aschberg im Erzgebirge,
dessen Sohn Paul Schürer 1530 die berühmte Glashütte in Falkenau in Nordböhmen
gründete. Kaspar Schürer, der urkundlich zuerst 1497 unter dem Namen "Caspar
Glaser" als Besitzer der Glashütte und einer Hufe Landes in Aschberg bei
Zöblitz genannt wird, erscheint bis 15 36 in den Akten als Käufer und Verkäufer
von Wäldern und Gütern im Erzgebirge. Nachweisbar sind die Schürer im Erzgebirge
aber bereits seit dem Jahre 1436, in welchem Jahre sie die Privilegien für die
Hütte in Wernesgrün erhielten. Die Wander (auch Wanderer geschrieben) besaßen
im sächsischen Erzgebirge die Glashütte in Crottendorf. Diese befand sich 1536/37
im Besitze des Hüttenmeisters Peter Wander, der sie 1528/29 von seinem Vater
übernommen hatte. 1536 wandte sich dieser Hüttenmeister mit einem Schreiben
beschwerdeführend an den Kurfürsten in Dresden und erklärte, dass er gezwungen
sei, das Glasmachen aufzugeben, wenn nicht der von seinem Vater und Großvater
entrichtete Zins weiter gelte, da er nicht in der Lage sei, die neue hohe Auflage
zu tragen. Man hatte nämlich seinen Gutzins bisher 2 Gulden jährlich willkürlich
um weitere 20 Gulden erhöht. Seiner Bitte scheint nicht entsprochen worden zu
sein und Frau Dr. Margarete Klante (eine Expertin für die Geschichte des Glases
in den Sudeten) vermutet, dass Peter Wander daraufhin außer Landes ging und
sich dem Isergebirge zuwandte, wo laut der leider verlorengegangenen Wander'schen
Familienchronik 1536 die Glashütte Grünwald von der Familie Wander errichtet
worden sei, nach der Schürerchronik aber erst 1548 von einem Glasmacher Franz
Kuntze.
Fest steht, dass sich die Grünwalder Hütte bei Gablonz in der zweiten Hälfte
des 16. Jahrhunderts im Besitze der Wander befand, denn in den Salzverzeichnissen
der Stadt Reichenberg wird am 8. September 1568 ein "Meister Georg off
Grünwaldt" genannt, bei dem es sich nach Ansicht des Gablonzer Heimatforschers
Dr. K. R. Fischer nur um den Glasmeister Georg Wanderhandeln kann. Auf der ältesten
Kirchenglocke von Gablonz aus dem Jahre 1590 werden ein Elias und ein Georg
Wander namentlich aufgeführt und 1599 erhielten diese beiden Glasmeister "affem
Grünnenwaldt" (sie waren Brüder) für sich und ihre Vettern einen Wappenbrief.
Bald danach scheint die Grünwalder Hütte verkauft worden zu sein, da sie 1608
im Besitz des Gerhard Ewald war. In Grünwald lebte damals noch die "alte
Hüttenmeisterin Anna" und ein Kaspar Wander.
Die Wander´sche Hütte in Crottendorf im Erzgebirge befand sich 1540 bereits
in den Händen der Schürer, die aber schon früher dort als Glasmacher tätig gewesen
sein müssen, da 1513 ein Peter Schürer aus Crottendorf die Universität Leipzig
besuchte. Woher der Franz Kuntze stammte, der nach Angabe der Schürerchronik
1548 die Glashütte in Grünwald erbaute, ist unbekannt. Ein Glasmacher Kuntze
ist vor 1559 aus Crottendorf abgewandert und Frau Dr. Klante hielt es für möglich,
dass er als Vertrauensmann des genannten Peter Wander nach Böhmen ins Isergebirge
kam und die Ortserinnerung dort seinen Namen festhielt. Angehörige der Familie
Kuntze blieben noch lange in der Gablonzer Gegend ansässig und um das Jahr 1600
war ein Balthasar Kuntze Glasmacher in der Isergebirgshütte Reiditz. Andererseits
waren die Kuntze oder Kunze schon sehr frühzeitig in Schlesien im Iser‑
und Riesengebirge tätig. Bereits 1366 und 1372 wird der "alte Kunze, Glaser"
als Käufer und Verkäufer der Glashütte in Schreiberhau erwähnt. Die Kuntze können
also auch von dort nach Böhmen gelangt sein.
1592 waren in ihrer sächsischen Erzgebirgsheimat keine Wander und Kuntze mehr
ansässig, wohl aber Angehörie der Glasmacherfamilien Schürer und Schindler.
Von letzterer Familie, die mit den Preußlern verwandt war, war 1551 ein Kaspar
Schindler Glasmacher in der Hütte Heidelbach am Seifen und ein Jakob Schindler
zinste 1592 für sein Häuschen in Crottendorf. Schon früh finden wir die Schindler
im böhmischen Isergebirge. Von Heidelbach im Erzgebirge kam wahrscheinlich der
Sebastian Schindler, der auf der alten Gablonzer Kirchenglocke von 1590 als
"Sebastian Schindeler" erwähnt wird. Sein Name wird auch in den alten
Reichenberger Stadtrechnungen genannt. Sein Sohn, der Glasschneider Georg Schindler,
arbeitete in der Hütte in Grünwald und wanderte dort ab nach Dresden, wo er
1628 Bürger der Stadt wurde. Über die Glasschneider Schindler schreibt Zusanna
Pestova in ihrem Werk "Böhmische Glasgravuren" (Artia-Verlag, Prag
1968) im Zusammenhang mit dem berühmten Glasschneider Caspar Lehmann in Prag:
"Vorläufig wissen wir, dass 16 10 in Prag der Glasschneider Georg Schindler
arbeitet, offensichtlich ein Verwandter der Glasschneider Caspar, Wolfgang und
Georg Schindler der letztere wird als gewesener Glasschneider der Hütte
Grünwald bezeichnet die in Dresden das Bürgerrecht erhielten, der erstere
am 10.03.1610, der zweite im Jahre 1618 und der dritte im Jahre 1628."
An andere Stelle ihres Buches sagt die Autorin, sie sei aufgrund näher bezeichneter
Nachrichten überzeugt, dass der Glasschnitt auch im Isergebirge verhältnismäßig
früh gepflegt wurde, was insbesondere über den an der Grünwalder Hütte tätigen
Georg Schindler (vor 1628) zu beweisen sei.
Den Preußlern (Preissler), die neben den Schürern und Wandern eines der tüchtigsten
Glasherrengeschlechter in Böhmen und Schlesien waren, gehörte von 1486 bis in
das 18. Jahrhundert im sächsischen Erzgebirge die "Wüste Schlette",
deren reiche Erzfunde 1522 die Bergstadt Marienberg entstehen ließen. Auch besaßen
die Preußler die Glashütte am Heidelbach bei Seifen, die bereits 1451 bestand
und wahrscheinlich von ihnen gegründet worden ist. Als Glasmeister sind die
Preußler dort zwar erst seit etwa 1550 bezeugt, doch müssen sie nach Angaben
von Frau Dr. Klante erheblich früher in den Besitz der Hütte gelangt sein. Die
erwähnte älteste Kirchenglocke von Gablonz nennt einen "Gabriel Preußler".
Dieser war der Sohn des Hüttenmeisters Georg Preußler in der "Wüsten Schlette"
und soll Glasmaler in Gablonz gewesen sein. Die Preußler sind wahrscheinlich
über die nordböhmische Glashütte in Oberkreibitz ins Iser und Riesengebirge
eingewandert, wo sie mehrere große Hüttengüter in Reiditz, Rochlitz, Witkowitz
und Schreiberhau besaßen. In Oberkreibitz sind die Preußler seit 1546 nachweisbar.
Zeitweise gehörte ihnen auch eine Hütte im schlesischen Isergebirge, im heutigen
Bad Schwarzbach.
Die alte Glasmacherfamilie Friedrich
ist als schlesisch‑böhmisches Glasmachergeschlecht anzusprechen. In Böhmen
ist die Familie als Besitzerder Glashütte in Oberkreibitz (Herrschaft Böhmisch‑Kamnitz)
seit 1504 urkundlich nachgewiesen. Ein Christoph Friedrich legte 1545 eine Glashütte
auf dem wüsten Vorwerk Kindelsdorf des Klosters Grüssau in Schlesien an. Dessen
Sohn Hans erbaute 1573 an der Böhmischen Furt in Schreiberhau eine neue Hütte.
Von dort wandte sich dieser tüchtige Glasmeister 1583 nach Hausdorf im Eulengebirge
und ging schließlich nach Böhmen ins Adlergebirge, wo er 1614 ein Waldgebiet
erwarb und den Ort Friedrichswald an der Erlitz gründete. Der Glasmeister Martin
Friedrich aus Kreibitz wurde als Leiter der kurfürstlich- Brandenburgischen
Hütte nach Grimmitz berufen. Später übernahm dieser Glasmeister die königlich-böhmische
Hütte in Prag-Bubeneg, während ein anderer Friedrich Glasmeister jener berühmt
gewordenen Hütte in Neuschloß bei Böhmisch Leipa war, wo 1677 zum erstenmal
das Wunder des klaren Kreideglases, die Herstellung der "böhmischen Kristalls"
gelang. Die Kreibitzer Stammhütte blieb bis 1697 im Besitz der Familie Friedrich.
Vermutlich Glasmacher schlesischen Stammes waren die Nitsche, die in der Gegend
der Reiditzer Hütte im Isergebirge ansässig waren. In Tumau lebte 1613 ein Glashändler
Tobias Nitsche. Unter den Glasmeistern des Iser- und Riesengebirges taucht um
1600 auch der Name "Ehwald" (Ewald) auf. Wir hörten bereits, dass
ein Gerhard Ewald 1608 Besitzer der Hütte in Grünwald war. Dies war der Sohn
des Reiditzer Hüttenmeisters Gerhard Ewald dem älteren. Der Sohn des Grünwalder
Hüttenherren, Paul Ewald war in der Hütte der Schürer von Waldheim in Rochlitz-Sahlenbach
tätig, in welche Familie er eingeheiratet hatte. Woher die Ewalds kamen, ist
unbekannt. Weder in den Hütten des Erzgebirges noch in denen Schlesiens kommt
ihr Name vor. Einer unbestätigten Niederschrift zufolge sollen sie aus Schweden
eingewandert sein.
In den Jahren 1685/86 begleitet den bekanten böhmischen Glashändler Georg Franz
Kreybich ein "Gevatter Kaspar Heinsch" auf seinen Reisen. In diesem
"Heinsch" vermutet man den damaligen Friedrichswalder Glashüttenmeister
Kaspar Hänisch oder einen nahen Verwandten von diesem. Die Friedrichswalder
Hütte auf der Herrschaft Reichenberg war um 1598 von einem Glasmeister Peter
Wander errichtet worden, von dem man nicht weiß, woher er kam. Merkwürdigerweise
erwähnt die Wander´sche Familienchronik die Glashütte in Friedrichswald
und ihren Erbauer mit keinem Wort. Sowohl Frau Dr. Klante wie auch Dr. K. R.
Fischer vermuten jedoch, dass dieser Glasmeister aus der Grünwalder Meisterfamilie
der Wander stammte. Er dürfte mit einem Peter Wander identisch sein, der 1595
ein Gut in Reinowitz erwarb. Die Wander behielten die Friedrichswalder Hütte
nicht sehr lange, denn bereits 1620 kam sie in den Besitz der Glasmacherfamilie
Hänisch, die sie mit kurzen Unterbrechungen fast 90 Jahre ihr eigen benannte.
Der Johann Hänisch, der am 25. Januar 1629 das Friedrichswalder Hüttengut kaufte
und während der schweren Zeit des 30jährigen Krieges bewirtschaftete, entstammte
wahrscheinlich einer alten Reichenberger Tuchmacherfamilie. Ein Hänisch war
von 1579 1586 Bürgermeister in Reichenberg.
Drei Brüder des Gottfried Hänisch, der 1693 die Friedrichswalder Hütte von der
Reichenberger Herrschaft zurückkaufte (Kaspar Hänisch hatte diese 1689 an die
Herrschaft verkauft), waren Glas‑ und Edelsteinschneider in Reichenberg.
Woher die Hänisch, die auch in Schlesien anzutreffen waren, ursprünglich stammten,
ist nicht bekannt. In Gablonz gab es einen Glashändler Hänisch. Einige Mitglieder
der Familie wanderten zu der Zeit der Gegenreformation als Exulanten nach Sachsen
aus, darunter der erwähnte Friedrichswalder Hüttenmeister Johann Hänisch (Schwiegervater
des Schürer von Waldheim im Grünwald).
1644 arbeitete ein "Elias Zänkher" als "Glaser" (Glasmacher)
auf dem Friedrichswalder Hüttengut. Die Zenker oder Zenkler (der Name wird auf
Bergbautätigkeit zurückgeführt) kamen seither auf fast allen Hütten des Isergebirges
vor.
Frau Dr. Klante vermutet, dass die Zenkner auch aus dem Erzgebirge zugewandert
sind. Der Name kommt jedoch als Czenker und Zangker im 14. und 15. Jahrhundert
auch in Schlesien vor. Außer den Schürern, Wandern, Preußlern, Kuntze und Schindlern
stammten aus dem sächsischen Erzgebirge auch die Weys, die als Glasmacher und
Glasmaler in der Gablonzer Gegend tätig waren. Die alte Kirchenglocke von Gablonz
nennt 1590 einen Hans Weys und 1608 lieferte ein Nikel Weys in Klein-Kukan und
ein Michel Weys in Gistei anstatt "durchsichtige Scheiben" ab, ein
Zeichen dafür, dass sie im Glasgewerbe tätig waren. Urkundlich sind die Weys
schon 1545 im Seifener Gerichtsbuch des Erzgebirges erwähnt.
Interessant ist, dass unter den Glasmachern des Isergebirges in Hammer und Stephansruh
auch der Name "Gondelach" vorkommt. Die Träger dieses Namens entstammten
wahrscheinlich der berühmten, weitverzweigten Thüringisch-hessischen Glasmacherfamilie
"Gondelach". Fraglich ist die Herkunft der Familie Unger, die im 18.
und 19. Jahrhundert in der Glaserzeugung und dem Glashandel eine bedeutende
Rolle spielten. Zwar kommt der Name Unger an den frühen Glashütten des Erzgebirges
mehrfach vor, andererseits wird ein Unger 1509 als städtischer "Glaser"
in der Stadt Neisse in Schlesien erwähnt. Ein anderer Unger besaß 1536 die Glashütte
Gurschdorf im Mährischen Gesenke und 1533 arbeitete ein Hans Unger in der Glashütte
Jungferndorf (benachbart von Gurschdorf). In den alten Reichenberger Stadtrechnungen
werden drei Unger genannt. In Tiefenbach im Isergebirge besaßen Ende des 18.
Jahrhunderts Mitglieder der Familie Unger eine Glashütte. Ein anderer Zweig
der Familie betrieb im Riesengebirge eine Hütte.
Aus der alten Glasmacherfamilie Kittel, die in der Falkenauer Gegend und im
Isergebirge sesshaft waren, ragt besonders ehrenvoll der Begründer des böhmischen
Glashandels, Johann Kittel, hervor, der in Schumberg auf der Herrschaft Morchenstern
geboren wurde. Ein Nachkomme von diesem, der Glasmeister Johann Kittel aus Falkenau,
kaufte 1752 das Hüttengut Friedrichswald im Isergebirge und erbaute dort 1756
die Glashütte Neuwiese. Die Kittels, die 7132 die Glashütte Falkenau kauften,
besaßen zeitweise auch die Hütten in Oberkreibitz und Röhrsdorf. Die Firma,
deren Name zuletzt "A. Kittels Erben" lautete, hat sich zwei Jahrhunderte
gehalten und ist erst 1878 erloschen.