Schilderungen aus dem Isergebirge
von Erhard Krause
Der uralte Ruf des Kleinen Iserwiese
als Edelsteinfundort im böhmischen Isergebirge gründet sich vor allem auf die
dort im Geröll an und in der Kleinen Iser sowie in deren ersten Zufluss, dem
wasserarmen "Saphirflössel", gefundenen Saphire, die bis zu 1 cm groß,
zum Teil so prächtig gefärbt waren, dass sie noch heute zu den schönsten Europas
gezählt werden.
Es hat auch den Anschein, dass die Legende von den angeblich großen Schätzen
an edlen Steinen, welche dem Riesengebirge seit Jahrhunderten anhaftet, auf
die Iser‑Saphire zurückgeht, zumal ja das Isergebirge bis in die erste
Hälfte des 19. Jahrhunderts allgemein als Teil des Riesengebirges betrachtet
wurde. Jedenfalls schrieb schon der klassische Schilderer des Riesengebirges,
Dr. J. K. E. Hoser (1770 1848) im Band 11 seines 1803 im Verlag
Geistinger in Wien erschienenen Hauptwerkes "Das
Riesengebirge in einer statistisch‑topographischen und pittoresken
übersicht" u. a.: "Eigentümlich ist dagegen dem Riesengebirge oder
wenn man die Begrenzung streng nimmt dem ihm benachbarten Isergebirge
eine wirkliche Edelsteinart, der Saphir, den man im groben Granitsande in kleinen,
doch zuweilen auch mehrere Karat wiegenden kristallinisch-eckigen oder abgerundeten
Körnern findet und der wenigstens heutzutag noch, vielleicht aber selbst auch
in Anwendung auf frühere Zeiten das einzige Vorkommnis ist, welches den ins
Fabelhafte gehenden Ruf des Riesengebirges rücksichtlich seiner großen Schätze
an edlen Steinen einigermaßen rechtfertigt."
An einer anderen Stelle seines Werkes nimmt Hoser auf die noch heute in den
Flusssanden der Kleinen Iser und besonders des "Saphirflössels" recht
häufig zu findenden "Iserinkörner" (Titaneisen) Bezug und schreibt:
"Als eine mineralogische, dem Riesengebirge eigentümliche Seltenheit verdient
auch das Titaneisen hier erwähnt zu werden, das, in unförmlichen Körnern vorkommend,
mit dem vorerwähnten Iser-Saphir, im groben Granitsande des Isergebirges unweit
des basaltischen Buchberges gefunden wird. Der Gebirgsbewohner nennt diese Findlinge
wegen ihrer äußeren Ähnlichkeit mit Bruchstücken des schwarzen Schörls und der
Hornblende Tscherlichkörner." Ergänzt seien diese Angaben Hosers durch
die Mitteilung, dass die Iserinkörner wegen ihrer tiefschwarzen Farbe geschliffen
und zur Anfertigung von Trauerschmuck verwendet werden. Eine echte Garnitur
von Iserin ist nicht billig.
Von den 32 Mineralien, die nach Angabe der Mineralogen auf der Kleinen Iserwiese
als sicher nachgewiesen gelten, treten die "Iserine" als Leitmineralien
für Edelsteine, namentlich des Saphirs, auf. Nach den Worten von Prof. Josef
Blumrich haben die Sande der Edelsteinseifen der Kleinen Iser und des "Saphirflössels"
eine große Ähnlichkeit mit den Edelsteinseifen auf Ceylon und in Siam, die auch
im Granit liegen und wo ebenfalls der Saphir unter den Edelsteinen vorwaltet
und in beträchtlichen Mengen magnesiareiches Titaneisen (Iserin) und Zirkon
als Begleiter vorkommen. Die besten Fundstellen für Edelsteine auf der Kleinen
Iserwiese befinden sich in den Ablagerungen des "Saphirflössels",
wo auch heute noch zuweilen Saphire gefunden werden.
Zum Zwecke der Feststellung der ungefähren Ausdehnung der eiszeitlichen Iserin
und edelsteinführenden Ablagerung auf der Kleinen Iserwiese, ließ Prof. Blumrich
seinerzeit an sieben Stellen Grabungen vornehmen, die ergaben, dass sich dieselbe
von der Mündung des Saphirflössels an diesem Bache und der Kleinen Iser an die
70 m aufwärts gegen den Welschen Kamm und den alten Bruch erstreckt und ein
teils mit Gras, teils mit Knieholz bewachsenes Plateau bildet, das gegen die
Kleine Iser mit einer steilen, 2 bis 3 in hohen Böschung abbricht. Am sogenannten
"Scharfen Knie" der Kleinen Iser ist diese edelsteinführende, diluviale
Ablagerung gut erschlossen, da sie dort der Fluss der Länge nach angeschnitten
und das Saphirflössel sein Bett in sie eingegraben hat. Wörtlich schreibt Prof.
Blumrich: "Bei der Durchführung der Grabungen ließ ich mich von der Erfahrung
leiten, dass Edelsteine nur zusammen mit Iserinen vorkommen, benützte dieselben
also als Leitminerale. Immerhin begrüßte ich es freudig, dass gerade am Saphirflössel
auch zwei Saphire zum Vorschein kamen, als Beweis dafür, dass dieser Bach seinen
alten, stolzen Namen mit vollem Recht trägt. Hier scheinen die Saphire besonders
häufig zu sein, weshalb schon in alten Zeiten hier die Ablagerung nach dem wertvollsten
ihrer Edelsteine eifrig durchsucht worden ist. Augenscheinlich liegen am Saphirflössel
die ergiebigsten Stellen für die Gewinnung von Edelsteinen, hier würde also
bei späteren Grabungen nach Saphiren der Spaten anzusetzen sein."
Als erster namhafter Mineraloge hat E. X. M. Zippe (1791 1863) die Edelsteinlagerstätte
auf der Kleinen Iserwiese untersucht und in seinen "Beiträgen zur Kenntnis
des böhmischen Mineralreiches" (Prag 1824) darüber berichtet. Seinen Angaben
zufolge wurden die Iser-Saphire und andere Mineralien von den Bewohnern in Klein‑Iser
"Fleißig gesammelt und an Gebirgsreisende, welche diese einsame Gegend
besuchen, verkauft."
Auch schrieb Zippe, dass man bei der Betrachtung der Edelsteinlagerstätte auf
der Iserwiese deutlich erkennen konnte, dass diese "durch lange Zeit anhaltend
durchwühlt wurde; eine Menge Gruben, welche häufig wieder berast sind",
seien Zeugen dieser Arbeit. An die welschen (italienischen) Gold- und Edelsteinsucher,
die im 16. Jahrhundert hier nach edlen Steinen gruben, erinnert noch der "Welsche
Kamm", welcher die Kleine Iserwiese überragt.
1542 erließ der damalige Besitzer der Herrschaft Friedland, Joachim von Biberstein,
das Verbot: "Wer heimlich an der Kleinen Iser waschen und schürfen tut,
wird gefangen und geblendet." Der deutsche Geologe Gustav Ginzel besaß
in seinem berühmten "Misthaus" (Touristenherberge) in Klein-Iser ein
Gabeleisen, mit dem einst denjenigen, die ohne obrigkeitliche Erlaubnis Edelsteine
schürften, die Augen ausgebrannt wurden.
Im 16. und 17. Jahrhundert haben auch Kaiser Rudolf II., Katharina von Redern
und Wallenstein auf der Iserwiese nach Edelsteinen graben lassen. Gefunden wurden
dort u.a. blauer und grüner Saphir, roter Rubin, edler und blaue Spinoll, Rutil
mit Nigrin (Iserit), Schörl, grüner Turmalin, roter Jaspis, Zorkon mit Hyazinth,
Amethyst, Rauchquarz und Bergkristall. Vom Hauptmineral, den Iser-Saphiren,
wird von Prof. Blumrich einschränkend bemerkt, dass von diesen nur ein kleiner
Teil so groß, schön und rein ist, als dass sie als Schmucksteine geschliffen
werden können. Heute ist die Edelsteinlagerstätte auf der Kleinen Iserwiese
Naturschutzgebiet und alle Grabungen auf Edelsteine sind streng verboten. Es
gibt nur für beglaubigte Wissenschaftler sehr beschränkte Ausnahmegenehmigungen.
Die Natur soll besonders dort so erhalten bleiben, wie sie seit Jahrhunderten
ihr Aussehen bewahrt hat.