Quelle: Sächsische Zeitung, Mittwoch, 03. August 2011

War das Zufall, Rübezahl?

von Hans-Jörg Schmidt, SZ-Korrespondent in Prag

Die Peterbaude, eine der schönsten Bauden im Riesengebirge, ist abgebrannt – 200 Jahre nach ihrer Inbetriebnahme.

Dichter Nebel wabert am vergangenen Sonntagabend an der tschechisch-polnischen Grenze, in fast 1300 Metern Höhe, oberhalb von Spindlermühle. Man kann kaum die Hand vor Augen erkennen. Dementspechend hält sich auch kaum ein Mensch in der einsamen Gegend des Nationalparks Riesengebirge auf, trotz der Urlaubszeit. Niemand bemerkt denn auch, dass sich in den Nebel Qualmwölkchen mischen. Qualmwölkchen, die aus zwei der drei Holzbauten aufsteigen, die zur Peterbaude gehören.

Nur noch Grundmauern

Als die Feuerwehr am Montagmorgen mit mehreren Löschzügen in dem schwer zugänglichen Gebiet eintrifft, ist es zu spät: Zwei Häuser sind zerstört; das dritte steht zur Hälfte in lodernden Flammen. Zunächst versuchen die Einsatzkräfte hier noch zu löschen, holen dazu auch Wasser aus anderen Bauden und einer Tankstelle heran. Doch als ihnen das brennende Dach entgegenfällt, stellen sie die Löscharbeiten ein und lassen die Reste gezielt herunterbrennen. Nur eine Trafostation, die auch andere Gebäude in der Umgebung versorgt, können sie vor der Zerstörung bewahren. Ansonsten stehen nur noch die Grundmauern, verkohlt und ausgeglüht.

Noch gestern war es am Brandort teilweise so heiß, dass die Feuerwehrleute, die mit Hunden nach Resten von Brandbeschleunigern suchen wollten, abziehen mussten. Die Untersuchung der Ruinen wird Tage dauern. Doch schon am Montag waren die Einsatzkräfte von Brandstiftung ausgegangen. Interessant ist die Aussage zur Höhe des Schadens: "Der Materialschaden geht angesichts des desaströsen Zustands, in dem sich die Baude schon vorher befand, gegen Null. Der historische Schaden ist dagegen überhaupt nicht zu beziffern." Das Riesengebirge ist um eine weitere seiner architektonischen Ikonen ärmer. Unwiederbringlich.

Weit sehen konnten die alteingesessenen Riesengebirgler Pittermann von ihrer Alm, bis nach Breslau im Norden oder nach Süden, wo sich die Elbe ihren Weg durch die böhmische Tiefebene bahnte. Nach den Pittermanns, die "Pieterleut’n" bekam die einfache Behausung vor 1800 ihren Namen Peterbaude. Als Ignatz Pittermann kinderlos starb, übernahmen Verwandte Alm und Anwesen – die Zineckers. Deren Vorfahren waren in der Reformationszeit als Bergbauern aus der Steiermark zugewandert. Ein hartes Leben in Abgeschiedenheit gewöhnt, bauten sie mühsam um und aus. Ab 1811 blieben Mensch und Vieh auch im Winter "oben". Erste Wanderer verirrten sich zu den Zineckers. Als das Gebirgswandern in Mode kam, wurden 1866 die ersten Fremdenzimmer und eine Telegraphenagentur in der Baude eröffnet. Fortan geht es wirtschaftlich aufwärts. Erst das Ende des Zweiten Weltkriegs zieht einen Schlussstrich: die sudetendeutschen Besitzer, vier Zinecker-Söhne, werden vertrieben. Später wird die Baude dem sozialistischen Gewerkschaftsbund als Ferienunterkunft dienen. Der investiert nichts und langsam beginnt der Abstieg.

Auch die neuen Herren nach 1989 haben kein Geld. Dafür wechseln sie ständig. Doch die Baude funktioniert wieder recht und schlecht. Bis vor vier Jahren die aktuellen Besitzer kommen, Prager Unternehmer, die große Pläne haben, aber nicht die entsprechenden Kronen dazu. Ein Jahr darauf schließen sie die Baude. Seither zerfällt sie. Als das Denkmalamt Druck macht, lagern die Besitzer Teile des wertvollen Mobiliars aus. Der Rest geht jetzt in den Flammen unter.

"War das Zufall, Rübezahl?" überschrieb gestern eine große Prager Zeitung ein Foto der zerstörten Baude. Eine eher rhetorische Frage. Folgt man der Feuerwehr, dann handelte es sich zweifelsfrei um Brandstiftung. Doch wer steckt dahinter? Vladmir Kovar, der Besitzer, mutmaßt, Vandalen oder Rauschgiftsüchtige hätten das Feuer gelegt. Das geschlossene Objekt sei wiederholt von solchen Leuten heimgesucht worden. Erst kürzlich habe es schon einmal einen kleinen Brand gegeben. Seltsamerweise hat er das Objekt aber nie versichern lassen. Andere sagen, der Brand passe dem Besitzer in den Kram, weil der sich bei einem eventuellen Neubau nicht mehr an die harten und damit teuren Auflagen des Denkmalschutzes halten müsse. Dem Denkmalamt sei mehrfach schon der Kragen geplatzt, weil sich nichts tue auf der Alm.

Neubau aus Beton?

Der Besitzer will jetzt Geld zusammenkratzen und neu anfangen. "In ein paar Jahren wird das wieder ein Platz für Touristen." Was einen Kommentator zu der bösen Bemerkung veranlasste, dass das Bier dann wohl 100 Kronen kosten werde, mehr als in Deutschland. Apropos Deutschland: In einem tschechischen Internetforum kann man jetzt auch Sätze lesen wie: "Hätte man die Baude nicht den Deutschen weggenommen, dann wäre es nie zu solch einem Niedergang gekommen."

Die Peterbaude war übrigens die achte im Riesengebirge, die seit den 1930er Jahren niederbrannte. Kaum eine ist wiederaufgebaut worden. Und wenn doch, dann aus Stahlbeton. Noch mehr Fremdkörper in dieser einmalig schönen Naturlandschaft gehen nicht.



Fotos: Dr. Pavel Klimeš, Dunkeltal


Die Peterbaude im Jahre 1930.
Die Peterbaude im Jahre 2008.
Brandstelle Peterbaude



Herr Thomas Kratzer aus Görlitz hat ein Online Fotoalbum unter CANON IMAGE GATEWAY von der Brandstätte Peterbaude veröffentlicht. Folgen Sie dem Link.



Fotos von Uwe Horn
Blick von der Spindlerbaude auf die abgebrannte Peterbaude.


Fotos von Miloslav Bartoš
Blick auf die Grundfeste der Peterbaude im Spätherbst 2011..
< Inhalt >     < Geschichte der Peterbaude >      < Gastraum >      < Abriss? >

© Copyright 2011, www.riesengebirgler.de