Die Peterbaude, eine der schönsten
Bauden im Riesengebirge, ist abgebrannt 200 Jahre nach ihrer Inbetriebnahme.
Dichter Nebel wabert am vergangenen Sonntagabend an der tschechisch-polnischen
Grenze, in fast 1300 Metern Höhe, oberhalb von Spindlermühle. Man
kann kaum die Hand vor Augen erkennen. Dementspechend hält sich auch kaum
ein Mensch in der einsamen Gegend des Nationalparks Riesengebirge auf, trotz
der Urlaubszeit. Niemand bemerkt denn auch, dass sich in den Nebel Qualmwölkchen
mischen. Qualmwölkchen, die aus zwei der drei Holzbauten aufsteigen, die
zur Peterbaude gehören.
Nur noch Grundmauern
Als die Feuerwehr am Montagmorgen mit mehreren Löschzügen in dem schwer
zugänglichen Gebiet eintrifft, ist es zu spät: Zwei Häuser sind
zerstört; das dritte steht zur Hälfte in lodernden Flammen. Zunächst
versuchen die Einsatzkräfte hier noch zu löschen, holen dazu auch
Wasser aus anderen Bauden und einer Tankstelle heran. Doch als ihnen das brennende
Dach entgegenfällt, stellen sie die Löscharbeiten ein und lassen die
Reste gezielt herunterbrennen. Nur eine Trafostation, die auch andere Gebäude
in der Umgebung versorgt, können sie vor der Zerstörung bewahren.
Ansonsten stehen nur noch die Grundmauern, verkohlt und ausgeglüht.
Noch gestern war es am Brandort teilweise so heiß, dass die Feuerwehrleute,
die mit Hunden nach Resten von Brandbeschleunigern suchen wollten, abziehen
mussten. Die Untersuchung der Ruinen wird Tage dauern. Doch schon am Montag
waren die Einsatzkräfte von Brandstiftung ausgegangen. Interessant ist
die Aussage zur Höhe des Schadens: "Der Materialschaden geht angesichts
des desaströsen Zustands, in dem sich die Baude schon vorher befand, gegen
Null. Der historische Schaden ist dagegen überhaupt nicht zu beziffern."
Das Riesengebirge ist um eine weitere seiner architektonischen Ikonen ärmer.
Unwiederbringlich.
Weit sehen konnten die alteingesessenen Riesengebirgler Pittermann von ihrer
Alm, bis nach Breslau im Norden oder nach Süden, wo sich die Elbe ihren
Weg durch die böhmische Tiefebene bahnte. Nach den Pittermanns, die "Pieterleutn"
bekam die einfache Behausung vor 1800 ihren Namen Peterbaude. Als Ignatz Pittermann
kinderlos starb, übernahmen Verwandte Alm und Anwesen die Zineckers.
Deren Vorfahren waren in der Reformationszeit als Bergbauern aus der Steiermark
zugewandert. Ein hartes Leben in Abgeschiedenheit gewöhnt, bauten sie mühsam
um und aus. Ab 1811 blieben Mensch und Vieh auch im Winter "oben".
Erste Wanderer verirrten sich zu den Zineckers. Als das Gebirgswandern in Mode
kam, wurden 1866 die ersten Fremdenzimmer und eine Telegraphenagentur in der
Baude eröffnet. Fortan geht es wirtschaftlich aufwärts. Erst das Ende
des Zweiten Weltkriegs zieht einen Schlussstrich: die sudetendeutschen Besitzer,
vier Zinecker-Söhne, werden vertrieben. Später wird die Baude dem
sozialistischen Gewerkschaftsbund als Ferienunterkunft dienen. Der investiert
nichts und langsam beginnt der Abstieg.
Auch die neuen Herren nach 1989 haben kein Geld. Dafür wechseln sie ständig.
Doch die Baude funktioniert wieder recht und schlecht. Bis vor vier Jahren die
aktuellen Besitzer kommen, Prager Unternehmer, die große Pläne haben,
aber nicht die entsprechenden Kronen dazu. Ein Jahr darauf schließen sie
die Baude. Seither zerfällt sie. Als das Denkmalamt Druck macht, lagern
die Besitzer Teile des wertvollen Mobiliars aus. Der Rest geht jetzt in den
Flammen unter.
"War das Zufall, Rübezahl?" überschrieb gestern eine große
Prager Zeitung ein Foto der zerstörten Baude. Eine eher rhetorische Frage.
Folgt man der Feuerwehr, dann handelte es sich zweifelsfrei um Brandstiftung.
Doch wer steckt dahinter? Vladmir Kovar, der Besitzer, mutmaßt, Vandalen
oder Rauschgiftsüchtige hätten das Feuer gelegt. Das geschlossene
Objekt sei wiederholt von solchen Leuten heimgesucht worden. Erst kürzlich
habe es schon einmal einen kleinen Brand gegeben. Seltsamerweise hat er das
Objekt aber nie versichern lassen. Andere sagen, der Brand passe dem Besitzer
in den Kram, weil der sich bei einem eventuellen Neubau nicht mehr an die harten
und damit teuren Auflagen des Denkmalschutzes halten müsse. Dem Denkmalamt
sei mehrfach schon der Kragen geplatzt, weil sich nichts tue auf der Alm.
Neubau aus Beton?
Der Besitzer will jetzt Geld zusammenkratzen und neu anfangen. "In ein
paar Jahren wird das wieder ein Platz für Touristen." Was einen Kommentator
zu der bösen Bemerkung veranlasste, dass das Bier dann wohl 100 Kronen
kosten werde, mehr als in Deutschland. Apropos Deutschland: In einem tschechischen
Internetforum kann man jetzt auch Sätze lesen wie: "Hätte man
die Baude nicht den Deutschen weggenommen, dann wäre es nie zu solch einem
Niedergang gekommen."
Die Peterbaude war übrigens die achte im Riesengebirge, die seit den 1930er
Jahren niederbrannte. Kaum eine ist wiederaufgebaut worden. Und wenn doch, dann
aus Stahlbeton. Noch mehr Fremdkörper in dieser einmalig schönen Naturlandschaft
gehen nicht.
![]() |
![]() |
Die Peterbaude im Jahre 1930.
|
Die Peterbaude im Jahre 2008.
|
![]() |
![]() |
Brandstelle Peterbaude
|
|
![]() |
![]() |
Fotos von Uwe Horn
|
|
![]() |
![]() |
Blick von der Spindlerbaude auf die abgebrannte
Peterbaude.
|
Fotos von Miloslav Bartoš
|
|
![]() |
![]() |
Blick auf die Grundfeste der Peterbaude
im Spätherbst 2011..
|