Entnommen: Riesengebirgsheimat - Heimatblatt für die ehemaligen Kreise Trautenau und Hohenelbe - Jahrgang 18

Söberle

von Franz Amler

Die Randgebiete Böhmens sind gebirgig, es ist Urgestein, von dessen Höhen Burgen grüßen. In den Tälern rodeten unsere Vorfahren den kargen Boden. Böhmen ist ein fruchtbares Land, die "Goldene Rute" dürfte davon Zeugnis geben. Unsere ehemalige Kreisstadt war Königinhof an der Elbe. Das Aussehen der Stadt ist heute noch deutsch, der Pulverturm und die alte Stadtmauer sind stumme Zeugen. Hier endet die "Goldene Rute", die fruchtbare Senke längs der Elbe. Dies sei deshalb erwähnt, weil hier die Fruchtbarkeit des Bodens nicht mehr so groß ist, die Landschaft wird hügelig und gebirgig. Viele Steine gibt es, Feldspat, Quarz und Glimmer, aus dem Granit entstanden. Aus dem Feldspat wurde Ton, aus dem Quarz wurde Sand. Wenn die Bauern dem Boden einen Ertrag abringen wollten, dann mussten sie sehr fleißig sein und hart und zäh an dem ererbten Gut der Väter festhalten.

Die Jahrhunderte haben die Menschen so geformt. Das Dorf Söberle liegt in den Vorbergen des Riesengebirges. Auf einer Hochfläche von ca. 500 Meter Seehöhe finden wir Bauernhäuser, kleine Hütten und Wohnhäuser. Das Klima ist ziemlich unwirtlich und rauh, kalte Winde mit viel Schnee und Eis, heiße Sommer mit schweren Gewittern. Neben Viehzucht und Landwirtschaft blühte einst die Hausweberei. Ende des vorigen Jahrhunderts wurde sie von den Fabriken verdrängt. In Söberle war eine Weberei, es waren viele Dorfbewohner dort beschäftigt. Die Weberei Maiwald war vor dem ersten Weltkrieg eine Drechslerei, der Besitzer Schmidt reiste nach Amerika aus. Viele Dorfbewohner suchten Arbeit in den Fabriken Ketzelsdorf und Königinhof. Sie mussten den 3 Kilometer langen Weg nach Ketzelsdorf und den 4 bis 6 Kilometer langen Weg nach Königinhof zu Fuß zurücklegen. Nach dem Jahre 1920 wurde in Söberle das elektrische Licht eingeführt, 1924. Auch die Straße von Komar nach Söberle wurde in diesem Zeitraum gebaut.

Söberle war nach Ketzelsdorf eingepfarrt, besitzt aber seit dem Jahre 1922 eine Kapelle, von dem Maurermeister Johann Kreuzinger erbaut.

Mitten im Dorf steht eine 2-klassige Volksschule, sie wurde um das Jahr 1830 erbaut. Ein kleiner Platz, der Turnerplatz, gehört zum Schulhaus.

Durch das Dorf fließt der Forellenbach, die Quelle ist in Feldhäusern, in dem Teil, der zu Ober-Soor gehört. Die Grenze war bei Baier, Feldhäuser-Söberle und Pusch, Ober-Soor. Das Wasser des Forellenbaches fließt auch in heißesten und trockensten Sommern. Forellen gaben dem Wässerlein den Namen. In Güntersdorf vereinigt er sich mit dem Kratzbach, von Ketzelsdorf kommt der Wiesenbach. Unter dem Namen Kratzbach fließen sie gemeinsam bis Königinhof und münden in die Elbe, In der Nähe von Söberle, im Königinhofer-Walde, war einst ein schöner Ausflugsort, Bad Guttenbrunn. Das Fichtennadelbad hat vielen Städtern Heilung gebracht. Von Söberle war die Einschichte über Kaiserstücken zu erreichen, Dort beginnt der Königinhofer-Wald, am Eingang sehen wir gleich den Teufelsstein, die Abdrücke des Teufels sind noch zu sehen. Dieser schöne Wald gehörte einst der Gemeinde. Die Gemeindeväter mußten ihn an die Herrschaft wegen Steuerschulden abtreten. Der Königinhofer-Wald geht in den Königreichwald über. Fichten, Tannen, Kiefern, Buchen und Eichen geben dem Wild guten Unterschlupf. Pilze, Heidelbeeren, Preißelbeeren und Himbeeren konnte man da suchen und in großer Menge finden.

Söberle ist von kleinen Wäldchen umgeben: Buchenrand, Kleine Heide, Große Heide und Rote-Höh-Wäldchen. Hinter Rote Höh, 500 Meter, auf dem Wege nach Pilnikau zu, dehnt sich ein größerer Forst aus, die Waldau. Dort war eine Silberfuchsfarm, eine Geflügel- und Kaninchenzucht. Um das Jahr 1920 hatte die Nonne großen Schaden angerichtet und die Wälder zum Teil kahl gefressen. Die Schuljugend wurde in den Ferien zum "Nunnaklaun" eingesetzt und bekam ein Entgelt dafür. Zum Nachteile des Rotwildes sind die Wälder nicht zusammenhängend, es gibt Hasen, Rehe, Füchse und alle Vogelarten, die in diesem Klima leben können, aber keine Hirsche. Die höchste Erhebung des Bezirkes Königinhof ist der nahe Fichtenberg, 583 Meter, der zur Gemeinde Ketzelsdorf gehört. In Söberle ist der Vogelsberg die höchste Erhebung. Der Berg ist 550 Meter hoch und wurde im Volksmund Schmiedeberg genannt.

Nach einer alten Chronik ist die Gegend schon im 11. Jahrhundert besiedelt gewesen. Söberle dürfte später gegründet worden sein. Die Entstehung des Ortes ist in Dunkel gehüllt. Söberle bildete einst einen Lehnhof, welcher zu den städtischen königlichen Lehen gehörte. Adam Silber von Silberstein und Schurz hatten das Lehen in Pacht. In späterer Zeit waren es sieben Höfe, davon gehörten fünf zu Schurz, zwei zu Königinhof. Die Schurzer Seite ist im Volksmunde noch üblich.

Söberle hat ein Ausmaß von 606 ha und lange vor 1920 hatte das Dorf 606 Einwohner, Um das Jahr 1925 waren 449 Einwohner und in den späteren Jahren dürften es noch weniger gewesen sein. Die Bürgermeister, soweit bekannt; Johann Flögel, Johann Simmler, Franz Hampel, Anton Anders, Franz Anders, Franz Seidel, Ignaz Paulitschke, Adolf Zlatnik und Josef Pusch. Die Oberlehrer soweit bekannt: Klug, Kühnel, Mühl, Karl Ruß und Franz Dittrich.

Im Dorfe war eine Freiwillige Feuerwehr, um 1890 gegründet, und ein Turnverein, nach 1900 gegründet.

Schöne Ausflugsziele waren der Switschinrücken mit dem Switschinkirchlein, die Talsperre der Elbe bei Nemaus und die Schneekoppe. Bei schönem Wetter konnte man, von der kleinen Kapelle in Vierhäusern aus, die Umrisse der Häuser auf der Schneekoppe erkennen. Die einzelnen Feste wurden im Jahreskreis gefeiert und jeder Bewohner freute sich schon, denn es waren Höhepunkte im dörflichen Leben.

Die Kirmes wurde jedes Jahr Ende Oktober feierlich begangen. Der Turnverein übernahm die Ausstattung eines Festzuges, der aus vielen geschmückten Wagen bestand. Geschichtliche und heimatkundliche Motive (Germania, Rübezahl), wurden personifiziert und auch der Humor kam zu seinem Recht: Alte Weibermühle, der spanische Bürgerkrieg u. a. Vorangetragen wurde der große Powidlkuchen, das Symbol, das dem Dorf einen nicht gerade rühmlichen Namen gab, an dem aber in dieser lustigen Zeit niemand Anstoß nahm. Die Teerbrennerei und Kienbrennerei sind ein altes ehrwürdiges Handwerk und dieses Handwerk hatte sich in Nieder-Söberle noch erhalten. Kirmessonntag war der große Festzug, der von Nieder-Söberle seinen Anfang nahm, mit Musik die Straße nach Söberle kam und hier beim Turnplatz vor der Schule aufgelöst wurde. Die Gemütlichkeit fand im Gasthaus bei Tanz und Biertrunk und froher Ausgelassenheit ihre Fortsetzung. In früherer Zeit zogen die Dorfbewohner am Kirmesmontag mit Musik nach Ketzelsdorf in die Kirche. Nach 1922, als das Dorf eine Kapelle hatte, wurde mit Musik vor die Kapelle gezogen. Nach dem Gottesdienst nahm die Kirmes bis Mittag ihren weiteren Verlauf. Abends war nochmals Tanz, da gingen meist die Verheirateten, während an den anderen Tagen die Jugend das Vorrecht hatte.

Die Kapelle ist der hl. Dreifaltigkeit geweiht, am Dreifaltigkeitssonntag, im Mai, war die "Fohrt", das Kirchenfest. Am Ostermontag gingen die Jungen "schmeckostern", sie bekamen für ihr Verslein "Schmeck Usto um ma Ej" und das Schlagen mit der Weidenrute, Schmeckusto, ein gefärbtes Osterei oder ein Schokoladenei. Die jungen Burschen gingen am Sonntagabend zu den Mädchen "schmeckostern".

Am 1. Mai wurde ein buntgeschmückter Maibaum aufgestellt und Spiele aufgeführt.

Auch die Sommersonnenwende war Anlass zu einer besinnlichen Feier. Auf den Steinlücken, oberhalb Vierhäuser, war ein großer Reisighaufen zusammengetragen worden. Am Sonnwendabend setzte sich der Zug der Dorfbewohner, vom Vereinslokal des Turnvereines aus, in Bewegung und bei einbrechender Dunkelheit hatte man das Ziel, das Sonnwendfeuer, erreicht. Alles lauschte gespannt auf die Feuerrede und das "Flamme empor". Dann knisterte das Feuer und hoch schlugen die Flammen zum nächtlichen Himmel. Als das Feuer niedergebrannt war, sprangen die mutigsten Mädchen und Jungen, die sich gewöhnlich fürs Leben versprochen waren, über die noch schwelenden Flammen, um vor Krankheit und Unbill geschützt zu sein. So, wie die alten Germanen den Abschied von der Sonne feierten, hatte sich dieser Brauch auch in unserer Gegend erhalten.

Mehrere Ortsteile gehörten zum Dorf: Nieder-Söberle, Kaiser-Stücken, Feldhäuser, Vierhäuser und Guttenbrunn. Dieser Ort zeugt von einer alten Gründung, da noch die zwei "tt" im Namen erhalten blieben.

Es bestand ein gut nachbarliches Verhältnis zu den Nachbardörfern Ketzelsdorf, Güntersdorf, Komar, Rettendorf und Soor. Dies zeigte sich bei den Veranstaltungen und nicht selten heiratete ein Söberler eine Frau aus diesen Orten oder umgekehrt. Im ersten Weltkrieg wurden schon viele Dorfbewohner aus der Gemeinschaft gerissen, der zweite Weltkrieg hatte die "Söberler" in alle Länder Deutschlands zerstreut und nur noch die Post oder gelegentliche Feste verbindet sie miteinander. Jeder erinnert sich noch gern an die schönen und ergreifenden Ereignisse, denn das kleine Dörfchen gab ein gutes Beispiel für echte Dorf- und Volksgemeinschaft.

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