Weshalb ich die nachfolgenden Darlegungen
im Imperativ (Vergangenheit) schreibe, ist darin begründet, dass der Ort Döberle
nicht mehr existiert. Im Döbler Tal wird die Asche des nahegelegenen Kraftwerkes
angeschwemmt.
Döberle lag einst in etwa 6,5 km Entfernung in nordöstlicher Richtung von Trautenau.
Das Dorf befand sich überwiegend in einem engen Tal zwischen den Orten Goldenöls
und Petersdorf. Der Ort grenzte im Osten an Petersdorf, im Süden an Parschnitz
und Wolta, im Westen an Gabersdorf und Goldenöls und im Norden an Bernsdorf
und das im heutigen Polen gelegene Albendorf. An der Grenze zwischen den Orten
Döberle, Bernsdorf und Albendorf begann der Johannisberg, der sich steil abfallend
bis an die Petersdorfer Straße erstreckt. Am Kamm des Johannisberges (nördlich
von ehemals Döberle) verläuft auch die Grenze zwischen Tschechien und Polen.
Das Ortsgebiet von Döberle besaß eine Ausdehnung von 503 ha. Es bestand aus
dem Ortskern im Döbler Tal gelegen, der mechanischen Weberei Anton Aust mit
einigen Häusern im Litsche-Tal, 2 Eisenbahnwärterhäuschen mit der Haltestelle
"Gabersdorf", den am "Goldenölsner Bach" gelegenen Melaphyrsteinbruch
Spitzer und 3 Häusern an der Ostseite der Straße Gabersdorf-Goldenöls, genannt
die "Lupenz" (Lubce).
Döberle war eine der ältesten Ansiedlungen in der Gegend. Schon im 9. Jahrhundert
gab es in Döberle und Lubce slawische Wächterhäuser mit bewaffneten Posten zum
Schutz gegen Räuberbanden und plündernde Kriegshorden.
Der Sage nach soll Döberle im Jahre 1009 durch einen gewissen Debrnicky gegründet
worden sein. Die älteste Geschichtsquelle ist eine aus dem Jahre 1260 stammende
Urkunde im Archiv des Klosters zu Prag. Als in Trautenau um 1260 in der Au das
Kloster gegründet wurde, sind die Orte Döberle und Lubce genannt. Sie mussten
einen Teil ihrer Einkünfte und einige Wiesen und Wälder an das Kloster abtreten.
Südwestlich des Johannisberges entspringt der Dorfbach, genannt das "Döbler
Wasser". Er verlief nahezu parallel zum Dorfweg. Beidseitig von Dorfbach
und Dorfweg lagen an den Berglehnen die in sehr gutem baulichen Zustand befindlichen
Häuser, landwirtschaftlichen Gebäude. Der Dorfbach mündete nach Passieren des
zwischen Döberle und Parschnitz gelegenen, romantisch anmutenden Wald- und Wiesentales
in das "Petersdorfer Wasser".
Der Dorfweg fiel nach Überquerung der Eisenbahnlinie Parschnitz-Löbau bis zur
Weberei Aust steil ab und mündete nach Überquerung des Litsche-Flusses steil
ansteigend in die von Trautenau nach Löbau führende Straße. Infolge der Steilheit
dieser Stellen des Dorfweges war er für den Transport schwerer Lasten nahezu
ungeeignet. Der Anschluss des Döbler Dorfweges an die im Jahre 1888 erbaute
Bürgerwaldstraße, die parallel zum "Döbler Wasser" verlief, erfolgte
im Jahre 1900. Damit war zwar mit einem Umweg gegenüber der Verbindung über
den Litsche-Fluß aber mit wesentlich geringerem Kraftaufwand für Pferd und Kutscher
die Zufahrt von der Petersdorfer Straße in das Döbler Tal möglich.
Döberle war praktisch ein Enddorf, das nur über den Dorfweg vorbei an der Leinenweberei
Aust und über die Bürgerwaldstraße erreichbar war. Die Verbindung zu den umliegenden
Dörfern Petersdorf, Teichwasser, Bernsdorf, Goldenöls, Gabersdorf, Wolta und
zum Bahnhof Parschnitz war nur über Feldwege mit großen Höhenunterschieden möglich.
Infolge des von Bergen und Wäldern umrahmten Döbler Tales herrschte dort ein
sehr mildes Klima und durch die Wälder eine gesunde Luft, die sich für einen
Erholungsurlaub und besonders für Lungenkranke eignete. Davon zeugt auch eine
über einige Jahre durchgeführte Ferienkolonie für erholungsbedürftige Kinder
aus dem Trautenauer Bezirk. Auch war Döberle ein beliebtes Ausflugsziel von
Bewohnern der benachbarten Orte Parschnitz und Trautenau.
In Döberle wurde überwiegend Landwirtschaft betrieben. Im Laufe der Geschichte
existierte auch in Döberle eine rege gewerbliche Tätigkeit, überwiegend Hand-Leinenweben.
Mit der zunehmenden Industrialisierung wurde diese aber eingestellt. So entstand
im Jahre 1892 die am Litsche-Fluß gelegene und zu Döberle gehörende Leinenweberei
Aust. In den Jahren 1853 bis 1878/79 existierte in Döberle eine mit Wasser des
"Döbler Wassers" angetriebene Mühle, die im Winter 1878/79 einem starken
Frost zum Opfer fiel.
Döberle verfügte über 3 Gasthäuser. Das Gaststättengewerbe wurde allerdings
neben der Landwirtschaft betrieben.
Die Volksschule in Döberle wurde 1844 erbaut. Das ungefähr in der Mitte des
Dorfes gelegene Schulgebäude bestand aus einem Klassenraum und der Wohnung des
Lehrers. Ältere Schüler besuchten die Schulen in Parschnitz oder Trautenau.
Unmittelbar neben dem Schulgebäude stand die Johannes dem Täufer geweihte, aus
der 1. Hälfte des 18. Jahrhunderts stammende Dorfkapelle. Über eine Brücke über
das "Döbler Wasser" unmittelbar neben der Dorfkapelle erreichte man
den im Jahre 1888 angelegten Friedhof. Die letzte Beerdigung fand dort im Jahre
1951 statt. Hinweisen möchte ich noch auf die ehemals auf dem Weg zum Johannisberg
stehende "Moser-Kapelle" und das im Jahre 1890 errichtete "Demuth-Kreuz".
An in Döberle einmal existierenden Vereinen sind zu nennen:
Die Freiwillige Feuerwehr, der Verein "Bund gedienter Soldaten", der
"Bund der Deutschen", der "Deutsche Kulturverband", der
"Deutsche Turnverein", der "Landwirtschaftliche Verein"
und die Jagdgesellschaft. Ferner bestand eine Musikkapelle von ehemals 15 Mann.
In den unruhigen Zeiten, die es in Ostböhmen im Laufe der Geschichte häufig
gab, so in den Hussitenkriegen, im 30-jährigen Krieg, in den schlesischen Kriegen,
in den Bauernrevolten um 1774 und dem Krieg um 1866 hat Döberle durch Plünderungen
und Requirierungen gelitten. Auch vom 1. und 2. Weltkrieg blieb Döberle nicht
verschont. Zu Ehren der Gefallenen des 1. Weltkrieges wurde 1934 das Kriegerdenkmal
in Döberle enthüllt. Der 2. Weltkrieg brachte Döberle den Todesstoß. Bei der
Aussiedlung, die am 12.09.1945 begann und am 20.09.1946 endete, hatte Döberle
325 Einwohner. Heute steht im Döbler Tal kein Gebäude mehr.
In den 50er Jahren des vorigen Jahrhunderts wurde im Döbler Tal mit dem Anschwemmen
der Asche des nahegelegenen Kraftwerkes begonnen. Im Stadtplan von Trautenau
mit angrenzenden Gemeinden ist das Döbler Tal hellblau, ähnlich dem Fluss Aupa
gekennzeichnet. Beim flüchtigen Hinschauen könnte man meinen, es handelt sich
um einen Stausee, ein Naherholungsgebiet. Erst nach Lesen und Verstehen der
Bezeichnungen ist es traurige Gewissheit, dass es die auf unterschiedlichen
Niveauebenen angeordnete Schwemmasche des E-Werkes ist. Das Döbler Tal mit dem
Ortskern Döberle ist damit für immer verloren. Es bleibt uns nur die Erinnerung.
Meerbusch im August 2007