Veröffentlicht in der "Schlesischen Bergwacht", März 2010.
Eingereicht von Herrn Karl-Heinz Drescher

Der Bote vor 145 Jahren

von Karl-Heinz Drescher, Leipzig

In der Nr. 31 vom 18. April 1865 erschien im Boten des Riesengebirges nachfolgender Beitrag, der hier in etwas bearbeiteter Form wiedergegeben wird und für die Freunde unseres Gebirges mit all seiner Schönheit, aber auch all seinen Tücken, interessant sein dürfte.

Eine Schneekoppen- Expedition (Mitte April1865)

Am Karfreitag, früh gegen 8.00 Uhr versammelte sich zu Hirschberg im Gasthof "zu den drei Bergen" eine kleine Gesellschaft, welche die kühne Absicht hatte, die Koppe zu besteigen.

Es waren fünf sehr mutige und abenteuerliebende Mitglieder der gerade in Hirschberg weilenden Schauspieler-Gesellschaft des Herrn Direktor Heller.

Es handelte sich um die Herren Regisseur Smick, Kapellmeister Schubert und die Schauspieler Gallert, Hartmann und  Schramm.

Bis nach Schmiedeberg, welches man gegen 11 Uhr erreichte, nahm man den Wagen. Von Schmiedeberg aus unternahm man die Reise zu Fuß. Unter mannigfachen Mühen, welche die Jahreszeit dem Wege auferlegte, erreichte man um 1 Uhr mittags die Grenzbaude von Blaschke.

Hier wurde ihnen erklärt, dass die Besteigung wegen des tiefen Schnee´s völlig unmöglich sei. Die Mitteilung machte aber die wackeren Bergsteiger in ihrem Entschlusse nicht wankend. Sie verlangten einen Führer, der sich aber nicht finden ließ. Man überredete schließlich den Hausknecht von Blaschke, mit Namen Paul Brunecker, die Karawane zu begleiten. Voller Mutes und mit Erfrischungen versehen machten sie sich auf den Weg.

Bereits nach einer Viertelstunde erreichte der Schnee eine solche Höhe, das die Gesellschaft bis an die Hüften im Schnee versank. Sie brauchten viel Zeit um sich gegenseitig wieder aus dem Schnee zu ziehen. Auf diese Weise kämpften sie eine halbe Stunde lang unter unsäglichen Mühen, ohne das ihre Anstrengungen durch auffälliges Vorrücken belohnt wurden. An besonders gefährlichen Stellen musste man sich mit dem ganzen Körper über den Schnee wälzten, da der Regisseur Smick in dem pulvrigen Schnee bis an den Kopf versank.

Nach einer Stunde Entfernung von der Grenzbaude erklärte der Führer Brunecker dann, dass er die Verantwortung für dieses gefährliche Unternehmen nicht mehr tragen konnte. Der Weg war inzwischen lebensgefährlich geworden. Die Stimme des erfahrenen Führers verhallte indessen ungehört. Trotzdem die Kräfte der 5 Steiger erheblich nachließen, wurde eine letzte Anstrengung beschlossen, um über die Schneelinie zu kommen, hinter der sich in der Ferne das ersehnte Ziel, in Form einer gewaltigen Gesteinsmasse befand. Und wie dem Mutigen nichts versagt ist, sahen sich die Herrn nach zweistündiger harter Arbeit, zwar mit Verwundungen an Händen und Füßen, glücklich auf der "Schwarzen Koppe" wieder, welche ihr schwarzes Haupt vom Schnee rein erhalten hatte.

Hier fragte nun der Regisseur Smick den noch immer ungläubigen Führer, ob er jetzt noch glaube, dass sie die Koppe nicht erreichen würden.

Etwas beschämt lächelnd antwortete dieser: "Ne, nu komme wer ruff!"

Von hier aus ging man dann mutig weiter und erreichte zwischen ½ und ¾ 5 Uhr die Koppenspitze. Von der Schwarzen Koppe bis zur Schneekoppe lag kein Schnee mehr, der Boden war in dieser Region trocken. Gegen ½ 6 trat man den Rückmarsch an.

Um 7 ¼  Uhr erreichte man dann wieder die Grenzbaude von Blaschke. Nach einer billigen Mahlzeit legte man dann, unter Zurücklassung des  Führers, Schlag 8 Uhr und unter unbeschreiblichen Mühseligkeiten den Rest der Partie  zurück. Die einbrechende Dunkelheit, Eis und Wasser, sowie die Unkenntnis des Terrains steigerten die Schwierigkeiten der Wanderer, deren Gestalten von Zeit zu Zeit durch helle Blitz am fernen Horizont sichtbar wurden.

Nachts 10 Uhr langten sie in Schmiedeberg an und nachts 1 Uhr brachte der Wagen die Sieger, zwar sehr ermattet aber auch glücklich über den Ausgang ihres Abenteuers, in die Mauern von Hirschberg zurück.

Zur weiteren Erklärung:
Bei der Blaschkebaude handelt es sich um die spätere Goderbaude, Besitzer ab 1875 Johann Goder. Nach der Vertreibung 1945, tsch.: Pomezni bouda.
Friedrich Blaschke erbaute 1868, nachdem seine Grenzbaude abgebrannt war, die Böhmische Baude auf der Schneekoppe, die später in den Besitz der Familie Pohl überging.

Blaschke stand in diesen Jahren in einem heftigen Konkurrenzkampf mit Stephan Hübner, dem Besitzer der größeren und wohl auch bekannteren "Hübner´s Grenzbaude", um die Gunst der Gebirgswanderer, vor allem aber der Wintersportler. Beide Bauden waren Ausgangspunkt für das größte Wintervergnügen im damaligen Riesengebirge, der Hörnerschlittenfahrt nach Schmiedeberg, aber auch nach Gross-Aupa im Böhmischen.


Dementsprechend waren auch die Anzeigen im Boten:

Am 03. Juni 1859 teilt Friedrich Blaschke im Boten mit, dass ab Pfingsten allsonntäglich eine Abteilung der hochgräflich von Aichelburg´schen Musikkapelle spielt. Weiterhin stehen seit kurzem mehrere, Pferde mit Damen- und Herrensätteln zum Ritt auf die Schneekoppe bereit.

Am 11. Januar 1862 teilt Blaschke dem hochgeehrten Publikum mit, dass die beliebten Hörnerschlittenfahrten bereits begonnen haben. Dazu hat er Schlittenführer engagiert, auch ist der Keller mit den feinsten Tokayer-, Ober- und Nieder-Ungarweinen versehen. Für eine gute böhmische Küche ist ebenfalls gesorgt.

Am 15. Juni 1863 hat Blaschke den damals sehr bekannte Musik-Direktor Alexander Iser engagiert, der mit seiner "Tiroler-Gesellschaft" Konzerte gibt. Damit garantiert er täglich gute Unterhaltungsmusik.

Am 26. Juni 1862 teilt Stephan Hübner mit, dass der Weg von Schmiedeberg über die Grenzbauden zur Schwarzen Koppe bis zur Restauration auf der Schneekoppe verbessert wurde und damit für die Fußwanderer bequemer wurde. Bei ihm sind reelle Gebirgsführer und auch Tragsessel zu haben. Fahrgelegenheit nach Adelsbach und Johannisbad kann besorgt werden. Das diesjährige Kirchfest Peter und Paul wird Samstag, dem 29. Juni abgehalten. Jeden Sonntag gibt es vollständige Musik. Um zahlreich gütigen Besuch wird ergebenst gebeten.

Hübner von den Grenzbauden teilt am 03. Januar 1863 mit, dass die Rutschpartie von der Grenzbaude aus begonnen hat. Rennschlitten sind durch sichere Führer besorgt. Schlitten zum Herauffahren stellen die Gasthausbesitzer in Schmiedberg. Für Herrschaften die über Nacht bleiben wollen gibt es heizbare Zimmer. Zur Erheiterung spielt ein gutes Musikcorps.

Am 09. Januar 1864 lädt Hübner wieder zur Rutschpartie nach Schmiedeberg ein.

Auf der Schneekoppe konnten die fünf wackeren Winterwanderer nicht einkehren, da die damalige Restauration, von Friedrich Sommer aus Warmbrunn bewirtschaftet, eine reine Sommerbaude war, die gewöhnlich in diesen Jahren erst Ende Mai bzw. Anfang Juni eröffnet wurde.


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