Wohl kein Gebirge in Mitteleuropa
verzeichnet soviel Unfälle wie das Riesengebirge. War es dort schon selbst
in den Sommermonaten oftmals gefährlich, irgendeinen Weg ohne genauere
Orientierung zu gehen und dabei von dem urplötzlich auftretenden Nebel
überrascht zu werden, so war es in den Wintermonaten geradezu Selbstmord.
Unzählbar sind die Opfer, die zu solchen Zeiten durch Absturz oder Erfrierung
ein furchtbares Ende gefunden haben. In früheren Zeiten, als es die Stangenmarkierungen,
die selbst bei dichtestem Nebel oder Schneetreiben den Weg zeigen, noch nicht
gab, war wohl die Zahl der Verunglückten weit größer als heute.
Die Bewohner von Keilbauden mußten z. B. wenn sie in Nebel oder Schnee
gerieten, früher oft in Hinterrennerbauden übernachten. Damals zahlte
niemand für bessere Markierungen, es gab keinen Verein, der sich für.
solche eingesetzt hätte, und auch die Gemeinden kümmerten sich nicht
darum, und der arme Gebirgler hatte genug mit sich und seiner Familie zu tun,
um mit dem kargen Verdienst, den er beim gefährlichen Holzrücken in
den herrschaftlichen Wäldern oder bei sonstigen Beschäftigungen erhielt,
leben zu können. So wurde denn in jener Zeit nur mit kurzen Ästen
und rutenartigen Stämmchen etwa 2 m hoch und auch da noch spärlich
markiert. Bald bog aber der Rauhreif die schwanken Wegzeichen zur Schneefläche
nieder und der Schneesturm verwehte jede Spur.
In den 1880er Jahren gab Johann Renner aus Keilbauden die Anregung, bei der
Gemeinde Pommerndorf um eine Unterstützung zur Markierung von Lahrbauden
bis zur Hofbaude in Hinterrennerbauden und von Hinterrennerbauden noch Keilbauden
anzusuchen. Es wurden ihm, 20 K. bewilligt, die er auch weiterhin durch viele
Jahre ausgezahlt erhielt. Anfang der 1890er Jahre zahlte der Ort Petzer dem
früheren Gastwirte aus der Richterbaude, Andreas Berger, zu Markierungszwecken
10 K. Die Butterhändler aus St. Peter zahlten dem Besitzer der Hofbaude
4 K für die Strecke Hofbaude Fuchsberg ein Jahr lang.
Als sich im Jahre 1895 die Bewohner von Lahr-, Keil-, Frieß-, Hinter-
und Vorderrennerbauden zu einem Zweige des Österreichischen Riesengebirgsvereines,
unter dem Namen "Sektion Rennerbauden" zusammenschlossen, bemühten
sich viele Mitglieder unermüdlich, daß endlich für diese etwas
abgelegenen Bauden etwas getan werde. Im Jahre 1900 wurde der von der Sektion
Rennerbauden bei der Jahresversammlung des Ö.R.G.V. in Marschendorf gestellte
Antrag, daß die Zentralleitung die Markierungsangelegenheit zur Durchführung
übernehmen wolle, einstimmig angenommen. Der Abteilung "Rennerbauden"
wurden darauf die Strecken: Hofbaude - Wiesenbaude, Wiesenbaude Riesenbaude,
Geiergucke Richterbaude, Hofbaude Fuchsberg, Zehflecke
Keilbaude gegen eine Entschädigung von 112 K jährlich übertragen.
Die Markierung wurde seitdem auf das gewissenhafteste durchgeführt. Diese
Strecken waren dann durch 5 bis 7 cm starke und 3 m hohe (an Stellen, wo der
Wind viel Schnee ablagert, durch 4 m hohe), feste Stangen gekennzeichnet. Über
den Hochwiesenberg standen des Rauhreifes wegen sogar Stangen von 8 bis 10 cm
Stärke. Der oben erwähnte Geldbetrag wurde nur für das Aufsetzen
im Herbst, Instandhalten während des Winters und Wegnehmen im Frühjahre
bezahlt. Die Stangen selbst wurden von der Herrschaft Hohenelbe gekauft, im
Lahrbusche und auf der Planur fertiggestellt, und dann an Ort und Stelle geschafft,
was einen Kostenaufwand von über 500 K ausmachte. Bereits alle Jahre mußten
aber 100 bis 200 Stück dazugekauft werden, weil durch den. Rauhreif sowie
den Mutwillen unverständiger Leute viel verloren ging. Letzteres war gewiß
mehr als strafbarer Diebstahl; hängt doch oft an einer einzigen Stange
ein kostbares Menschenleben. Bei schlechtem Wetter wurden die oben bezeichneten
Strecken allwöchentlich abgegangen und Mängel abgestellt. Im November
1907 führte der Gastwirt Hermann Buchberger aus Keilbauden nach erfolgter
herrschaftlicher Bewilligung eine Markierung vom Gasthause in Keilbauden nach
Spindelmühle gegen eine Entschädigung von 48 K vom Ö.R.G.V. durch.
Man wird wohl alle diese Bemühungen um die Verkehrssicherheit im Riesengebirge
nie genug würdigen können, waren sie doch infolge der sehr hohen Unkosten
bei dem verhältnismäßig kleinen, Mitgliederstand des Ö.R.G.V.
nur mit Hilfe opferwilliger Hilfeleistungen und Spenden möglich.