Abschrift aus: Der Wanderer im Riesengebirge. Zeitschrift des deutschen und des österreichischen Riesengebirgsvereines.
Bd. X, 1905, Hirschberg/Schlesien.

Der oberdeutsche Einschlag in der Bevölkerung des Riesengebirges."

von Professor Dr. Regell, Hirschberg
(Erweiterter Abdruck aus: Dr. Regell: Riesen- und Isergebirge.
(Aus der Sammlung geographischer Monographien, Verlag Velhagen und Klasing in Bielefeld u. Leipzig.)

Dem Wanderer der vom niederschlesischen Flachland aus immer höher in unsere Gebirgswelt hinaufsteigt, muss sich auch bei oberflächlicher Betrachtung der allmähliche Wandel in den äußeren Lebensformen und wirtschaftlichen Verhältnissen der Gebirgsbevölkerung aufdrängen, wie er durch den Wechsel des Bodens und des Klimas bedingt wird. Der Ackerbau weicht allmählich der Industrie, dann der Waldwirtschaft und Viehzucht und schließlich auf dem Kamme der Almwirtschaft. Dagegen stellt sich ihm die Bevölkerung selbst in Aussehen, Sprache und Sitte innerhalb des ganzen Gebietes diesseits und jenseits des Kammes durchaus als eine nationale Einheit dar, deren überwiegend ostfränkischem Gepräge die politische und die konfessionelle Trennung nur verhältnismäßig unbedeutende Nuancen aufgedrückt haben. Bei genauerer Beobachtung indessen werden ihm namentlich unter den Bewohnern des Binnengebirges manche Züge aufstoßen, die auf andre Herkunft oder Abstammung deuten. Die jungen Burschen und Mädchen überraschen nicht selten durch kühneren Schnitt des Gesichtes und größere Feinheit der Züge, durch schlankeren Wuchs und keckeres Auftreten. In der Tat haben wir es hier mit den Nachkommen deutscher Älpler zu tun, welche zusammen mit mitteldeutschen (meißnischen) Bergleuten im 16. Jahrhundert einwanderten und das Binnengebirge nicht bloß im Riesengebirge, sondern auch in anderen Teilen der Sudeten, z.B. im, Altvater, erst recht erschlossen.

Die Germanisation der deutschen Ostmark durch überwiegend mitteldeutsche (Thüringische, fränkische und hessische) Ritter, Bürger und Bauern, welche in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts anhub, hatte sich frühzeitig auch der Hügel- und Vorgebirgslandschaft bemächtigt. Auch im Hirschberger Tale sind die meisten Ortschaften wohl schon im 13. Jahrhundert angelegt worden. Um 1300 mag hier die Verteilung von Wald und Flur in ihren Grundzügen schon dass jetzige Bild gezeigt haben, nur dass der Wald ungleich größere Räume bedeckte. Nur die hohe Bergwand im Süden starrte noch im finsteren, lückenlosen Waldkleide. Im Jahre 1511 drangen meißnische Bergleute [1] bis in den Riesengrund vor und durchwühlten den Leib des Gebirges nach verborgenen Schätzen. Wertvoller aber erwiesen sich die Schätze, die der Gebirgsboden auf seiner Oberfläche trug in den herrlichen, jungfräulichen Waldungen. Diesen Reichtum an Nutz- und Brennholz begann man jetzt weniger für den heimischen Bergbau als für das große Kuttenberger Silberbergwerk auszunutzen.

Denn der damalige Bergbau verschlang ungeheure Massen von Holz für Feuersetzen, Zimmerung, Holzkohlen u.a.. Die geschlagenen Stämme wurden möglichst auf dem Wasserwege befördert, „getriftet". Diese Arbeit erforderte geschulte Kräfte, wie sie besonders in den deutschen (und romanischen) Alpen, wo der Bergbau seit keltischer und romanischer Zeit blühte, zu Hause waren.

Aus dem Steirischen, Salzburgischen (Aussee) und Tirol (Schwaz) wurden zahlreiche Holzarbeiter ins Riesengebirge gerufen, im Jahre 1591 allein 300, von denen wenigstens ein Teil nachweislich [2] sich dauernd im Gebirge niederließ. Viele von daher älteren Familiennamen in den südlichen Quertälern tragen daher in Bildung und zuweilen selbst noch in ihrer Bedeutung ein echt bajuvarisches Gepräge: Wimmer (= Widmer von Widum), Brunecker, Zinnecker, Sagasser, Hofer, Pradler (von Pradl = italienisch pratello, [3] u.a. (Die bajuwarischen Personennamen sind meist von Ortsnamen abgeleitet, z.B. Moser, Wieser, Steiner, Taler, Hauser, Hofer, Buchberger usw.. Eine wahre Fundgrube für diese Bildungen sind die Gehöftnamen im (Ahrntal in Tirol.) Die Nachkommen eines ehemaligen Klausenhüters werden noch heute statt mit ihrem Familiennamen vorzugsweise die „Schwozer" (= Schwazer) [4] genannt. Daß auch rätoromanische Leute unter diesen Älplern waren, bezeugen die Ortsnamen Planur [5] , Wachur südlich von Spindelmühle und vielleicht noch manche andere.

Um die verkleinerten Holzstämme dem Bergbach zuzuführen, wurden an den Bergwänden in Zickzacklinie verlaufende Holzrinnen, „Riesen" angelegt. Diese leicht gezimmerten Bauten sind natürlich bis auf die letzte Spur verschwunden, leben aber noch in mehreren Ortsbezeichnungen fort: Riesengrund, Riesenhayn, mehrere Riesenkämme u.a.. Ja, wahrscheinlich ist auch die Bezeichnung für den höchsten Berg („Riesenkoppe" = Schneekoppe) und danach für das ganze Riesengebirge auf sie zurückzuführen. Um zum Flößen des Holzes die nötige Wasserkraft zu gewinnen, wurden an geeigneten Stellen Talsperren aus gewaltigen Holzstämmen errichtet, „Klausen" [6] , welche den Klausengründen und -Gräben den Namen gaben. Das Öffnen derselben, „Schlagen" erforderte besondere Kraft und Geschicklichkeit. Ja es galt nicht selten als lebensgefährlich und soll dann zum Tode verurteilten Verbrechern [7] übertragen worden sein. Überreste dieser Bauten sind noch an manchen Stellen zu finden. Das Holz der in den Boden getriebenen Balken hat sich so vortrefflich erhalten, dass es zu Schindeln und anderen Holzarbeiten verwendet wird. Wo die Holzscheite im Flussbett sich stauten, wurden sie mit den Haken der „Griesbeile" gefasst und in die hochgehenden Wogen hinausgestoßen. Am Ausgange der Gebirgstäler wurden sie durch die Querrechen der „Lände" aufgefangen und dann gelandet. Alle diese mit den Sachen aus Oberdeutschland eingeführten Ausdrücke sind noch heute im Gebirge bekannt. Auch außerdem hat sich noch manches oberdeutsche Sprachgut erhalten: „Lahn" für jeden Erd- oder Schneerutsch (die „schöne Lahn" am Ziegenrücken), die Kloam (Klamm = Elbklemme), „Boden" für eine von steil aufragenden oder abfallenden Bergwänden begrenzte Fläche [8] , „Eben" für eine weniger scharf abgrenzte Fläche, „Krakse" neben der mitteldeutschen Bezeichnung „Reff“ [9] für das auf dem Rücken getragene Holzgestell. Auch in den wirtschaftlichen Formen des Binnengebirges ist oberdeutscher Brauch noch erkennbar, vor allem im Sennereibetrieb auf dem Kamm. Wie in den Alpen, so erfolgte bis vor kurzem und erfolgt wohl auch noch heute auf der böhmischen Seite des Riesengebirges der Auftrieb des Viehs nach dem Kamm in festlicher Weise, gleich nach dem Pfingstfest, unter Schalmaienbegleitung und mit wohlabgestimmtem Schellengeläut. Das Leittier schreitet mit Blumen und Bändern geschmückt voran, Mädchen und Burschen folgen in festlichem Putze der freudig erregten Schar. Zum Transport des Heues werden wie in den Alpen nicht bloß auf der Schneebahn, sondern auch auf geeigneter  Grasfläche die plumpen Hörnerschlitten gebraucht. Daneben waren von jeher kleinere Schlitten von anderer Bauart, in den französischen Alpen luches (im Rhonetal, [10] oder ramasses (am Monte Cenis) genannt, im Gebrauch. Wie gefährlich dieser Transport ist, das bezeugen die hier und da noch vorhandenen Marterln [11] , die wohl ebenfalls auf oberdeutschen Brauch zurückzuführen sind. Inwieweit die aus den Alpen bekannte Sitte der Leichenbretter, die man hier und da im Gebirge beobachtet haben will [12] , heute noch verbreitet ist, ist mir nicht bekannt. Zur Beherbergung der Sennen und des Melkviehs wurden auf dem Kamme, wohl schon im 16. Jahrhundert, Sennhütten, „Sommerbauten", errichtet, die in ihrer Anlage noch den Typus des oberdeutschen „Flurhallenhauses" [13]   aufweisen. Noch größere Ähnlichkeit mit dem Haus der deutschen Älpler zeigen die ständigen Wohnhütten im Binnengebirge, die „Winterbauden". Der Hausflur, den Bancalari den „wichtigsten, kennzeichnenden Raum des oberdeutschen Hauses" nennt, heißt darum schlechtweg „das Haus" [14] , in den Alpen, wie in unserem Gebirge. Nicht selten findet sich an den Bauden, um die Einfuhr des Heues geradenwegs auf den Boden zu ermöglichen, eine aufgeschüttete oder aufgemauerte Rampe, die dem „Auflauf" der Zillertaler Häuser entspricht. Sehr cha­rakteristisch ist ein dem Dachfirst zur Aufnahme der Mittagsglocke aufgesetztes Türmchen, wie man es noch an manchen Gebirgsbauden sieht, u.B. in den Keilbauden und in Karlstal. Diese Sitte weist direkt auf das Salzburgische [15]   zurück, aus dem ja, wie wir sahen, ein Teil, wohl der größte, der Schwazer Holzknechte eingewandert war. 'Wie mir der in Touristenkreisen einst bekannte Dechant Kröll (Kröhn) in Groß-Aupa erzählte, hatten sich verwandtschaftliche Beziehungen, namentlich erbrechtlicher Art, der Gebirgsbewohner zu dieser Urheimat bis in seine Zeit erhalten. Die erste Winterbaude auf dem Kamm war die Wiesenbaude. Sie wurde, wie ein neben der Freitreppe in die Grundmauer eingelassener Stein verrät, im Jahre 1625 erbaut, angeblich von vertriebenen Protestanten, die in den Zeiten der Verfolgung hier oben sichere Zuflucht fanden.  Wahrscheinlich aber wurde sie, da sie an dem alten Kommerzialwege liegt, der Schmiedeberg mit Hohenelbe, das Hirschberger Tal mit der böhmischen Seite verband, von vornherein als ein echtes Tauernhaus zur Bewirtung und Beherbergung von Trägern und Handelsleuten eingerichtet [16] .

Auch ein eigentümlicher Erwerbszweig, der später namentlich auf der schlesischen Seite des Gebirges blühte, das Laborantentum, geht vielleicht auf die oberdeutschen Einwanderer des 16. Jahrhunderts zurück. Die Zunft der Laboranten hatte bekanntlich ihren Hauptsitz in Krumhübel, wo der letzte Laborant vor etwa einem Jahrzehnt gestorben ist. Ihre Blütezeit fällt vor das Jahr 1829, wo die preußische Medizinalbehörde ihren Betrieb bestimmte Schranken setzte. „ Ein Apothekerdorf! Gewiß eine geographische Merkwürdigkeit!" ruft ein Schriftsteller aus dem Anfang des 19. Jahrhundert mit Recht aus. Denn diese Laboranten waren eine Art Laienapotheker, welche schon im 18. Jahrhundert als geschlossene Zunft organisiert waren. Von der landläufigen Sage, dass die Zunft der Laboranten 1700 von zwei böhmischen Studenten, die eines Duells wegen aus Prag geflüchtet seien, begründet worden sei, ist nur der dürftigste Kern, die Kunde von fremder Herkunft des Gewerbes als geschichtlich anzusehen. Gewerbe und Name waren sicher schon früher vorhanden [17] . Ein vollständiges Analogen zu dieser Sage bildet die Erzählung von der Herkunft der Erbauer der ersten Grenzbauden, in denen ebenfalls die deutsche Unart, Fremdes mit dem Nimbus größerer Vornehmheit zu umgeben, deutlich zu Tage tritt [18] . Da ganz ähnliche bäuerliche Laboratorien, wie im Riesengebirge, auch im tirolischen Zillertal noch im 18. Jahrhundert bestanden [19] , so dürfen wir vermuten, daß die Kunst der Laboranten zu den Gaben gehörte, welche die oberdeutschen Einwanderer des 16. Jahrhunderts ihrer neuen Heimat bescherten.

Endlich sei noch eine höchst eigentümliche Art der Namengebung erwähnt, die unserm Baudner mit dem deutschen Älpler gemeinsam ist und wohl ebenfalls auf alter Stammverwandtschaft beruht. Zur Bezeichnung einer Person bedient man sich nämlich nicht des Familiennamens, sondern lässt dem Vornamen den des Vaters, Großvaters usw. vorausgehen. Man sagt also nicht „Franz Richter" oder, was in Schlesien volkstümlich ist, umgekehrt „Richter Franz", sondern „Jörch-Wanz-Hannesa-Nazens-Franz" [20] . Dieser merkwürdige Brauch ist meines Wissens nicht weiter über das Binnengebirge hinausgedrungen [21] . Dagegen findet sich derselbe in den deutschen Alpen wieder, z.B. im Ötztal. Dereinst viel genannte Höflichkeitsprofessor, der in Lengenfeld im Ötztal nahe seinem Geburtsort begraben liegt, Christian Falkner, wurde nach Adolf Pichler [22] „Christlas-Paul-Muchens-Christles" genannt. „Zur Bezeichnung einer Person wendet man nämlich im Ötztal nie den Schreibnamen an, sondern verbindet echt homerisch die ganze Genealogie derselben". Der Brauch scheint darnach auch in den Alpen nicht über weitere Gebiete verbreitet zu sein.

Abgehärtete Alpensöhne, die mit den Gefahren und Schrecknissen des Hochgebirges von Kindheit an vertraut waren, sind also höchstwahrscheinlich die ersten Pioniere der Kultur gewesen, welche sich als Klausenhüter [23] oder aus anderen Gründen im Binnengebirge dauernd niederließen und es so dem Verkehr erst recht eigentlich erschlossen. Sicherlich hat ursprünglich die Not die Menschen veranlasst, in rauem Gebirgsland sich eine neue Heimat zu gründen. Der behäbige Bauer im Flachlande und im Vor­gebirge blickte wohl nicht ohne Grauen auf die Wildnis des noch vom Urwald umhüllten Gebirges, und selbst unter der Gebirgsbevölkerung hat sich diese Empfindung gegenüber dem „wilden" Gebirge noch lange erhalten [24] . Auch in der Grafschaft Glatz blickt der Gebirgsbauer auf den Boden der Ebene als „das schöne Land" hinunter [25] . Nur Fischer und Jäger wagten sich wohl schon früher tiefer ins Gebirge hinein [26] . Nachdem aber die ersten Schrecken vor dem Hochgebirge überwunden waren, mögen bei der rasch anwachsenden Bevölkerung auch altansässige Leute mitteldeutscher Art in größerer Anzahl den mehr vereinzelten „Schwozern" gefolgt sein. Diese mussten dann, da sie die Talsohlen schon besiedelt fanden, ihre Bauden höher hinaufschieben, und schließlich ließen sich zu oberst auch Nachkommen tschechischer Leute, die in der deutschen Mehrheit aufgegangen waren, nieder. Daher finden wir zuweilen diese Ansiedlungen aus verschiedenen Zeiten, wie in geologischen Mulden die Anlagerungen verschiedener Formationen, in konzentriscnen Kreisen übereinander gelagert vor. Wie die im Binnengebirge immer wiederkehrenden teils hochdeutschen, teils mitteldeutschen Namen Richter, Renner, Buchberger, Pradler, Krause, Hollmann, Zinnecker, Spindler, Erlebach u.a. andeuten, waren es nur wenige Familien, welche bei dem großen Kinderreichtum bald das ganze Gebirge bevölkerten.

Sicherlich wird ein tieferes Eindringen in Sprache, Sitte und Leben unserer Gebirgsbevölkerung noch manches alte Erbstück aus oberdeutscher Zeit zu Tage fördern. Aber allzu groß wird die Ausbeute schwerlich sein. Wie schnell eine versprengte Einwandererschar von stammverwandter Art aufgesogen wird, zeigt ja schlagend das Beispiel unserer Zillertaler, die schon in der zweiten im Lande geborenen Generation vollständig Sprache und Sitte der einheimischen Bevölkerung angenommen haben. Noch viel schneller musste sich dieser Ausgleichsvorgang bei den oberdeutschen Einwanderern des 16. Jahrhundert vollziehen, die nicht mit Weib und Kind einwanderten, wie die Zillertaler, sondern ihre Frauen aus der eingeborenen mitteldeutschen Bevölkerung nehmen mussten, so dass die Muttersprache des in der neuen Heimat heranwachsenden Geschlechte von vornherein die mitteldeutsche Mundart war. Dass sich trotzdem in Sprache, Körperbau und Leben der Gebirgsbevölkerung noch Züge fremder Herkunft erkennen lassen, ist hauptsächlich auf ihre Abgeschlossenheit zurückzuführen. Das Hirtenvölkchen, das sich im Binnengebirge durch Vermischung oberdeutscher und mitteldeutscher Art bildete, hat sich durch ein bis in unsere Zeit herrschendes Konnubium mehr oder weniger von der Bevölkerung des Unterlandes abgesondert. So spann sich von  selbst ein Netz von verwandtschaftlichen Beziehungen, das der Erhaltung selbständiger Art förderlich war. Aber, wie uns die obige Betrachtung lehrt, haben sich dauernd fast nur diejenigen sprachlichen und wirtschaftlichen Formen erhalten, die mit dem Boden fest verknüpft waren. Unter "Binnengebirge" ist das eigentliche innere Gebirge gemeint.


[1] Hüttel: Chronik der Stadt Trautenau (1484 - 1601), bearbeitet von Schlesinger. Prag 1881. Seite  35. In Bezug auf die oberdeutschen Einwanderer vergleiche Seite 121, 180, 185/6, 222/3, 257, 311, 329.

[2] Petrak: Das Riesengebirge, Seite 224. Anmerkung: „In der Marschendorfer Kirchenmatrikel findet sich im Jahr 1662 folgende Eintragung: Den 28. Oktober wardt begraben Wolffgang Wimmer Von grosser Aupa der letzte auslendisch gebohrne Holzknecht awß Stewermarck von Außig (jedenfalls Aussee) seiner Herkunft, war altt 100 Jahr."

[3] So heißt noch heute eine Vorstadt von Innsbruck. Der Personenname „Pradler" (oder Bradler) ist in den Ostalpen häufig. Auf ihn geht die Bezeichnung „Pradler Joch" im Ötztal zurück.

[4] Sie tragen alle denselben Familiennamen und stammen nach der glaubwürdigen Überlieferung aus dem obersten Haus von Alt-St. Peter, wo nach jetzt die Überreste der alten Klause im Flußbett zu sehen sind. Auch in manchen Ortsnamen ist die Bezeichnung noch erhalten. So heißt eine Stelle in den Grenzbauden, wo die „Schwozer" wohl einst einen Aufbewahrungsort für ihre Sachen hatten, den „Schwozer Keller". Vergleiche den Kellerberg bei Schwaz.

[5] Ladinisch für ital. pianura. Im Grödner Tal hörte ich planura und gleichbedeutend planurata.

[6] Genauere Nachrichten haben wir durch Simon Hüttels Chronik über die Klausen in den Aupatälern. Im Jahre 1567 am 3. Mai begann man die kleine Klause (so hieß sie von der kleinen Aupa) zu bauen. Im Jahre 1575 wurde sie von dem Klausenmeister Hans Oter von Aussee neu gebaut, u. zw. „also gewaltig groß und tief, daß der weiten und tiefe halber haben müssen noch tiefer dann in die neunhundert stiche tief mit Grabscheiten ausgraben ins erdreich." Beide Bauten kosteten dem Kaiser zusammen 7000 Gulden. Im Jahre 1567 wurde auch die große Klause in der großen Aupa gebaut. Ihr Bau kostete 2500 Gulden, eine spätere Ausbesserung 700 Gulden. Der Damm war 120 Ellen lang und 16 Ellen breit. Im Jahre 1576 verursachte ein Bruch der Klause großen Schaden. Die kaiserlichen Schwazer behaupteten, Rübezahl habe die Klause geschlagen und ihren Klausenmeister ertränkt. Noch wiederholt wird über die Schäden geklagt, die das Klausenwasser anrichtete. Im Jahre 1569 kam von Kuttenberg ein Markscheider Girzig z Razne ins Gebirge, um die geeignetsten Stellen für die Anlagen neuer Klausen auszusuchen. Er war der erste, der eine Messung der Koppenhöhe vornahm, und berechnete ihre relative Höhe vom Riesengrunde auf 581 Dumplachtern oder 1920 Ellen. Überreste einer Klause sind auch im Riesengrund noch vorhanden, mehrfach in der Nähe der Grenzbauden.

[7] In den Grenzbauden geht die Sage von der Klausenkatze, in deren Gestalt der Geist eines auf solche Weise getöteten Verbrechers die Unglücksstätte umschleicht.

[8] Davon haben die Bohnwiesbauden am Schwarzen Berge den Namen. Denn „Bohnwies" ist aus Bodenwies entstanden. Ein Ort dieses Namens liegt westlich von Altenmarkt im Ennstal.

[9] Diese mitteldeutsche Bezeichnung steckt in dem Bergnamen Reifträger. Denn nach der treffenden Deutung von Partsch (Wanderer Nr. 62, Seite 104 ) ist die ursprüngliche Namensform Rafträger. Ein bajuvarischer Namensvetter unseres Reifträgers ist der bekannte Kraxenträger östlich vom Brenner Sattel.

[10] Davon bildet man ein Verbum:  lucher.

[11] Besonders zahlreich waren sie noch vor zwei Jahrzehnten längs der von Holzschlitten viel befahrenen Straße Weißbach- Wittighaus im Isergebirge zu sehen.

[12] Vergleiche: S. Beck, Wanderer Nr. 62,. Seite 111.

[13] Vergleiche: Bancalari, Die Hausforschung und ihre Ergebnisse in den Ostalpen. Zeitschrift des deutschen und österreichischen Alpenvereines 1895, Seite 137.

[14] Vergleiche P. Scholz, im Wanderer Nr. 41, Seite 2. Bancalari a.a.O. Seite 138.

[15] Sieger: Die Alpen, Leipzig, Göschen 1900, Seite 119: „Tiroler und Schweizerhaus unterscheiden wir auf den ersten Blick, die eigentümlichen winzigen Türmchen auf dem Dach, in denen die Mittagsglocke hängt, finden wir nicht weit über Salzburg."  Adolf Pichler in seinen Tiroler Geschichten (4. Band 1889, Seite 339) erwähnt sie aus dem Unterinntal: Auf dem First erhebt sich ein Gerüst mit dem Singoz, der Freßglocke, welche die Leute zu. Tisch ruft. Der Oberinntaler braucht sie nicht, weil er seine paar Stückchen Feld leicht übersieht.

[16] Darin stimme ich mit einem besonders sachverständigen Gewährsmann überein. Forstmeister Schmidt schreibt in seiner statistisch-topographischen Beschreibung der gräflichen Harrach´schen Domäne Starkenbach (Prag 1879) Seite 96: „Sämtliche solche Bauden (zum Sennereibetrieb) wurden nur während des Sommers benutzt und hießen deswegen auch „Sommerbauden". Nur einige Bauden wurden auch zur Bewohnung für den Winter eingerichtet, vorzüglich an jenen Orten, wo die Wegverbindung für den Verkehr mit dem Nachbarlande unterhalten werden mußte. So war z.B. die Wiesenbaude auf dem Hohenelber und die Hofbaude auf' dem Harrach'schen Gebiet abwechselnd jährlich von einem anderen Schaffer im Winter bewohnt, wo Reisende Unterkunft finden konnten.

[17] Vergleiche: Wanderer Nr. 218, Seite 176

[18] Vergleiche Petrak: Führer durch das Riesengebirge, Seite 128: „Sie sollen der Sage nach durch verwiesene österreichische Offiziere (Graf Kirchschlager, Fürst ReuB, von Brunnecker usw.) im Jahre 1663, nach anderen durch verbannte Schweizer (Trübenecker, Salwender und Steinwender) angelegt worden sein. Die Gegend ihrer Ansiedlung heißt noch jetzt der Schweizerkeller. Auffallend ist das bajuvarische Gepräge dieser Personennamen, mit Ausnahme von Reuß. In den Schweizern erkennt man unschwer die „Schwozer".

[19] Steub: Drei Sommer in Tirol, meldet von den Zillertalern: "Der Handel mit Theriak und Ölen, der früher viele Mithridatträger beschäftigte, ist zum Besten der Mitwelt schon im vorigen (also 18.) Jahrhundert  verboten worden. Er ernährte in seiner Blütezeit bei 400 Mannsbilder, und zur Erzielung der Waren wurde im Zillertal eine beträchtliche Anzahl bäuerlicher Laboratorien unterhalten. Die Landleute zogen in ihren Gärten Rosmarin und Lavendel; Salbei, Wacholder, Tannzapfen, Kienholz und derartige Stoffe boten die Wälder und Felder. Im benachbarten Ahrntal fand sich ein Gestein, aus dem sie Steinöl gewannen, welches man in Viehkrankheiten als wohltätige Arznei befand. Die Welschtiroler trugen lebendige Skorpione herbei, und die Zillertaler erquetschten daraus das für den Hundebiss gerühmte Skorpionöl. So waren alle drei Reiche der Natur ihrer Ölindustrie dienstbar geworden." Vergleiche: Wanderer Nr. 218, Seite 175 - 177.

[20] Petrak: (Riesengebirge, Seite  54), dem ich dieses Beispiel entlehne, erzählt eine sehr ergötzliche Geschichte, die ihm selbst widerfahren ist, und bemerkt zur Erklärung des obigen Namens: „Der letzte Name in dieser Reihe ist der Franz Richter. Ignaz hieß dessen Vater, Johann der Großvater, Wenzel der Urgroßvater, Georg der Begründer der Dynastie. Unter den Ortsbewohnern sind dann nur diese Namen gang und gäbe, und viele wissen nicht den eigentlichen Namen ihres Nachbars oder gar eines nahen Verwandten." Es währe interessant nachzuforschen, ob und inwieweit diese Sitte auf Familien oberdeutscher Herkunft beschränkt ist. Herr Lehrer Knappe hat mir aus seinem Wohnort Kiesewald noch folgende Beispiele freundlichst mitgeteilt: Loba - Helfa - Augusta - Hermann, Hans - Gota - Sommels - Benje.

[21] Ähnlich und vielleicht unter dem Einfluss jenes Brauches entstanden ist die im Hirschberger Tal sich findende Bezeichnung, auf die mich Herr Knappe aufmerksam machte, dem Vornamen die Beschäftigung des Stammvaters vorzusetzen, z.B. Wagner - Gottels - Wilhelm, Bäcker - Frifa - Augusta -Heinrich. Vergleiche auch Wanderer Nr. 189, Seite 106.

[22] Tiroler Geschichten IV Seite 82.

[23] Die Schauerhütte am Ausgang des Blaugrundes hat wohl von einem solchen „Klausenschauer“ den Namen, wie das Schauertal südlich von Steinberg, östlich vom Achensee. Auch zur Bewachung der bergmännischen Werke mögen frühzeitig (mitteldeutsche) Bergleute selbst den Winter über dageblieben sein.

[24] Recht bezeichnend ist die von Fuß (Topographische Beschreibung des Riesengebirges 1788) erzählte Episode(Petrak Seite 53): In einer der entferntesten Gebirgsbauden harrte ein 90jähriger Greis seiner Auflösung entgegen. Der von Hohenelbe herbeigerufene Priester gab ihm unter anderen geistlichen Tröstungen auch die Versicherung, daß sein göttlicher Erlöser für ihn am Kreuze gestorben sei. „Ach", rief der Sterbende verwundert, „su is dor orme Norla gesturba! Sat liwer Goutsknacht, ha wart wull ne bise sein, weil mer ei dam wilda Gebarga nischt derfährt, dos ich ne uf sei Begrownis ganga bi". Möglicherweise hat hier der Ausdruck „wildes Gebirge" noch oberdeutsche Färbung. Dann würde er  so viel wie „Schneegebirge" bedeuten. Denn „wild" (z.B. in Wildspitze) ist so viel wie  „schneebedeckt" und bildet den Gegensatz zu dem auch in unserem Gebirge gebräuchlichen „aper“ (= schneefrei). Sieger a.a.O. Seite 62, Anmerkung 2.

[25] Malende: Benennung und Einteilung der Sudeten. 2.A. S. 9 Anm.

[26] Mit der Ausübung des Fischfanges und der Jagd wurden von der Herrschaft besondere Leute betraut, welche die herrschaftliche Tafel mit den köstlichen Forellen und dem begehrten Wildbret zu versehen hatten. Im Jahre 1740 bewilligte Graf Alois Harrach dem Johann Erlebach, „bestelltem Jäger und Heger im Riesengebirge, auf daß er wie sein nunmehr alt erlebter Vater die Grenzen und Waldungen fleißig fürnehme und um so ehender einiges Wildbret fällen und einbringen könne", auf der Teufelswiese, die er damals schon gegen Zins im Genusse hatte, den Erbau einer Wohnung nebst proportionierter Viehstallung. Es dürfte dies die gegenwärtige Scharfsbaude sein. Schmid: Statistisch-topographische Beschreibung der Domäne Starkenbach, Seite 16. Wie lohnend damals der Fischfang im Gebirge war, zeigt eine Mitteilung Hüttels (Seite 30), wonach der Vater des Fischers August Fabian eine „große Laxfohre gefangen lenger den ein Klafter ... Darmitte verehrt er die Herrn von Schumburg als ihr Fischer." Diese Jäger und Fischer wachten über ihre wirklichen oder angemaßten Rechte mit derselben gewalttätigen und eifersüchtigen Strenge wie die Alpenjäger in ihren Gemsrevieren. Von dem erwähnten Fischer erzählt Hüttel eine Geschichte, die an die fabelhaften Gewalttaten des „Königs der Bernina" Colani erinnert, Seite 72: "dis jahr (1537) den 3. octobris starb der alte Aust Fabien vatter, der bein den Hern von Schumburg zu Trautnaw is fischer war gewest. Dieser hat off seinem todtbette bekannt, daß er neunzehn person im Risengepirge von jar zu jar ermordet hett, welche im die fische gestolen bei nachte im Risengepirge auf der klein Aupen, er hat gesagt, er wolt noch gerne einen erschlagen haben, daz er die Zaspel hett zugefitzt auf zwanzig." Ein nettes Kulturbild aus der guten alten Zeit!

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