Text und Foto: Ullrich Junker, Mörikestr. 16, D-88285 Bodnegg
10 Wochen vor ihrem 100sten Geburtstag verstarb Lisa Pohl am 17. Januar 2006
in ihrem Haus in Wolfshau. Noch vor einem Jahr konnte Lisa Pohl Gäste in ihrem
Haus empfangen. Die Gäste trafen Lisa Pohl in begnadeter geistiger Frische
und guter Verfassung an. Es war erstaunlich, wie sie sich um das Wohl der Gäste
kümmerte und ihrer Haushälterin die Anweisungen gab.
Der Tod zweier lieber Menschen, ihrer Haushälterin und der eines guten Freundes
und Nachbarn, welcher sich seit 50 Jahren um Garten und Haus kümmerte, hatte
Lisa die Freude am Leben genommen. In wenigen Tagen wird sie ihre letzte Ruhe
auf dem Friedhof an der Kirche Wang finden.
Lisa Pohl war wohl die letzte noch lebende Zeitzeugin, die den großen schlesischen
Dichter und Schriftsteller Gerhart Hauptmann noch persönlich kannte. Im Haus
Wiesenstein in Agnetendorf konnte sie den letzten Geburtstag von Gerhart Hauptmann
miterleben.
Ihr Schwager Gerhart Pohl war ein enger Vertrauter Hauptmanns. Ihm oblag es
die Überführung des toten Gerhart Hauptmanns nach Hiddensee mit einem Sonderzug
in Abstimmung mit den Russen durchzuführen. Lisa Pohl lebte bis zuletzt in dem
vorletzten Haus auf dem Weg zur Schneekoppe in Wolfshau. Gerhart Pohl hatte
dieses Haus 1932/33 von der Familie Citroen erworben. Pohl war mit den Söhnen
befreundet. Sie waren in Berlin als Journalisten tätig. Die jüdische Familie
Citroen sah die Gefahr der braunen Gesinnung kommen und entschloss sich nach
Amerika zu emigrieren.
In dem Roman "Fluchtburg" hat Pohl diesem Haus ein Denkmal gesetzt.
Für Kritiker und Verfolgte der NS-Diktatur war dieses Haus die letzte Station
auf der Flucht aus Deutschland (besonders aus Breslau) über den Riesengebirgskamm
nach Böhmen und weiter in das rettende Asyl. Dichter und Denker, wie Werner
Milch, Jochen Klepper, Will-Erich Peuckert trafen sich zum Gedankenaustausch
im Pohl´schen Haus. Werner Milch; er war Jude; emigrierte nach England, Jochen Klepper suchte mit
seiner jüdischen Frau u. deren Tochter den Freitod um sich der Deportation ins
KZ zu entziehen. Will-Erich Peuckert wurde seine Professur als Volkskundler
in Breslau entzogen. Er hatte an Ministerpräsident Herman Göring wegen eines
bei ihm entlehnten Zitats geschrieben und statt "mit deutschem Gruß"
bzw. "Heil Hitler" für die damaligen Machthaber provozierend mit "ausgezeichneter
Hochachtung" unterschrieben.
Auch Gerhart Pohl war Schreibverbot auferlegt worden. Durch den Einfluss von
Gerhart Hauptmann wurde dieses Verbot wieder aufgehoben.
Das Schicksal hat es so gewollt, dass Lisa Pohl in diesem Haus nach der Aussiedlung
weiterwohnen durfte. 1946 wollte sie der poln. Bürgermeister in Krummhübel aus
dem Pohl´schen Haus vertreiben. Lisa bat den Starosta (Landrat) Wojciech
Tabaka in Hirschberg um Klärung und Unterstützung, dass sie in dem Haus bleiben
dürfe. Lisa hatte den Starosta beim letzten Geburtstag von Gerhart Hauptmann
auf dem Wiesenstein kennen gelernt. Als Lisa eine Woche später auf das Landratsamt
in Hirschberg kam erklärte ihr der Starosta "Frau Pohl Sie können
bleiben" und so wohnte Lisa Pohl bis zu ihrem Tode in ihrem Haus.
Allerdings hat sie das Haus neu erwerben müssen. Und Lisa war glücklich, dass
sie in diesem Haus leben durfte. Die neuen polnischen Nachbarn wurden ihr gute
Freunde. Seit 1946 kümmerten sich Wladek und Fela Kubik um Haus und Garten und
Frau Sitko sorgte bis zu ihrem Tode nahezu ein Jahrzehnt für das leibliche Wohl.
Wer das Pohl´sche Haus besuchte, erlebte mit Lisa Pohl eine großartige
Frau, die am Weltgeschehen rege teilnahm und die Gespräche und Diskussionen
mit ihr waren ein besonderes Erlebnis.
Als ich ihr am Neujahrstag 2004 die Wünsche zum neuen Jahr übermittelte, fragte
Sie mich Sag einmal hat man jetzt Kontakt zur Marssonde
Aktueller und interessierter kann man wohl kaum sein.
Mögen viele bei einem Besuch der Kirche Wang an ihrer letzten Ruhestätte innehalten
und dieser so liebenswürdigen Frau gedenken.Ullrich Junker, Mörikestr. 16, D-88285 Bodnegg