Helga Haller-Dommermuth aus Hackelsdorf / Kreis Hohenelbe im Riesengebirge berichtet.
Wir kennen die Burgen und Schlösser
in Böhmen sowie die Burgen und Schlösser in den Gebirgen und Tälern des Grenzlandes.
Wir kennen Wallensteins böhmische Burgen, von denen es etliche im Riesengebirge
gab. Wir kennen die von Kaiser Karl und Kaiser Wenzel, die der Grafen Harrach
und Schafgottsch in Schlesien und die des Grafen Morzin.
Doch auch die kleine Stadt Hohenelbe im Riesengebirge schmückt sich seit
Jahrhunderten mit einem Schloss, das ein schmucker Park umgibt. In seiner Umgebung
bezeugen die kleinen Burgen und die Schlösser in Marschendorf und in anderen
Orten, von Grafen und deren Familien, also von Adligen. Bereits Christoph von
Gendorf, Gründer der Stadt Hohenelbe damals hieß es Gießdorf
residierte schon im Schloss. Vor so vielen Jahrhunderten sah es natürlich
noch anders aus.
Unser Vater erzählte, dass er sie als sehr junger Mensch noch gesehen und
gegrüßt habe, als sie durch die Wälder des Vorgebirges mit Hut,
Hubertusmantel (Lodenmantel) und Stock gelaufen sei: Aloisia, die Hochwohlgeborene
Gräfin, Besitzerin der Herrschaft Hohenelbe, Bensen und seit 1882 Marschendorf.
Das war ihr Gebiet, waren ihre Wälder. Ihr "Volk" musste dafür
statt Freizeit "Off die Rowet giehn", also Anlagen errichten, Feld-
und Waldarbeit verrichten. Die Gräfin, wie sie immer nur bezeichnet wurde,
wohnte im Schloss in Hohenelbe, in Marschendorf oder besuchte die alte kleine
Aichelburg bei Dunkelthal. Im Vorgebirge kannte sie Weg und Steg, die sie oft
selbst angelegt hatte. Wege oder heimliche Steige und Schleichwege hatte sie
errichten lassen. Zum Schmuggeln? Kann man sich nicht denken. Sie ließ
an den Wegen oft Zeichen setzen und Bilder oder Bildstöcke anbringen. Vielleicht
auch das Marienbild an der Beldbuche am Einstieg zum steilen Weg von der Krausemühle
an der Straße nach Spindelmühle aus, nach dem oberen Hackelsdorf.
Das Bild war schon zu unserer Zeit in den Baum eingewachsen, besteht aber nicht
mehr. Doch die Buche steht noch.
Loise, wie sie auch genannt wurde, war sehr tüchtig. Sie war die Tochter
von Rudolf Reichsgraf von Morzin, seinerseits auch tüchtig, indem er den
Schlosspark herrichten und anderes erneuern ließ. Mit ihm erlosch die
männliche Linie von derer von Morzin. Loise war eine verheiratete Gräfin
Czernin von Chudenitz, Steinkreuzordensdame, war aber bekannt unter ihrem Doppelnamen
Czernin-Morzin. Sie ließ die Hohenelber katholische Dekanalkirche erbauen,
die nun unser Stadtbild ziert. Die alte Barockkirche, die man hatte abreißen
lassen, war sehr schön. Den Park ließ die Gräfin erneuern und
das gräfliche Czernin-Morzirnische Mausoleum hinter dem Schlosspark und
Kloster errichten. Hier ist sie wahrscheinlich beerdigt. Außerdem ließ
sie das alte herrschaftliche Bräuhaus abreißen und in der Klostergasse
das Pfründnerhaus errichten.
Unsere Trautenauer Heimatfreundin Erika Kühn besuchte bei Bad Gastein eine
Kapelle und stieß dort auf Gedenktafeln verstorbener Czernin-Morziner:
Emma, sie war wohl die in Graz geborene Schwiegertochter, starb in Marschendorf.
Sie hatte sich sehr wohl in Marschendorf im Riesengebirge gefühlt und den
Ort immer wieder gern besucht. Eine andere Tafel bezeugt den einzigen Sohn der
Gräfin, Rudolf, geboren in Prag und gestorben in Hohenelbe.
Eine Komtesse beschäftigte im 20. Jahrhundert eine Näherin, das war
unsere Aloisia Palme / Wanka vom Schleusenberg in Hohenelbe. Loise Palme, sicher
nach der Gräfin genannt, lebte noch lange unter uns. Sie kochte köstliche
althergebrachte Kuttelsuppe. Loisl erinnerte sich gut an ihre Komtess, schließlich
hatte sie deren Kleider immer vorher anprobieren dürfen.
Wohl eine Urenkelin der Gräfin hatte sich in Spindelmühle zur größten
Skifahrerzeit vor und im Krieg in einen Möhwald-Sohn, er
war Skilehrer und Ski-Springer, verliebt. Die Möhwaldbrüder, Söhne
des Möhwaldbauern aus Hackelsdorf (Kommentar von Schneider-Paula-Bäck:
"Wie ein Aar fliegt er über die Fichten vaflucht, jetz hozn
neigeleht!") gründeten in Spindelmühle ein Sporthaus, das der
Vater gestiftet hatte. Die gräfliche Ehefrau hatte drei Töchter, eine
davon in Schirgiswalde in der Lausitz, die sie während der Vertreibung
zur Welt brachte.
Weitere Nachkommen findet man heute unromantisch im Internet. Sie leben in Österreich,
Bayern, Amerika und in aller Welt verstreut. Noch immer jedoch hält sich
ein Morzin-Czernin gern mal im romantischen Marschendorf auf, der in Oberösterreich
zu Hause ist.
Das Schloss in Hohenelbe wurde schon im Krieg für Amtsräume benutzt.
Fast alle Innenräume blieben unversehrt. Der Park, die Kapelle auf dem
Friedhof und vor allem die letzten Bären in der Halle zeugen noch immer
von gräflicher Macht, unseren Wegen und von den einst wilden gräflichen
Wäldern.
"Auf nun in die Böhmischen Wälder", sagt Friedrich Schillers
Karl Moor in dessen Drama "Die Räuber". Bekannt waren Räuber
nicht im Riesengebirge, deshalb wurden wohl dort auch keine gehängt. Mit
den Räubern war wohl eher der Böhmerwald gemeint. Doch es wurde immer
viel geschmuggelt. "Und fragt man nach den Riesen man findet sie
nicht mehr."