Quelle: Riesengebirgsheimat Heimatblatt für die ehemaligen Kreise Trautenau und Hohenelbe 30 Jahrgang Nr. 8
von Erhard Krause, Berlin
Von den drei Schneegruben des Riesengebirges,
die Einbrüche im Granit des Gebirges sind und alte Gletscherkare darstellen,
ist die Schwarze oder Agnetendorfer Schneegrube (1200 m ü. d. M.), deren Sohle
am besten von Agnetendorf aus in zwei Stunden zu erreichen ist, die freundlichste,
denn sie bietet mit ihrer prächtigen Felsumrahmung ein entzückendes, lieblich-romantisches
Landschaftsbild. Ihre längliche, breite Schlucht die eine 157 m tief in den
Mädelkamm eingeschnittene Nische mit steilen Felswänden bildet, ist das Quellgebiet
des in seinem Oberlauf "Tiefer Graben" genannten Schneegrubenwassers
und das typische Muster einer Karbildung.
In der Eiszeit war die Grube, deren grasbewachsene Sohle eine fast ebene, talabwärts
durch einen querziehenden Trümmerwall begrenzte Wiese bildet, mit einem Gletscher
ausgefüllt. Der aus meist losen übereinander geschichteten Felsblöcken aufgetürmte
Wall stellt die Endmoräne des ehemaligen Gletschers dar, hinter der sich eine
weitere, mit Felsblöcken übersäte Grasebene ausdehnt. Der "Tiefe Graben"
des Schneegrubenwassers hat die Moräne "durchsägt" und durchfließt
diese zum Teil unsichtbar unter den Felstrümmern. Zum Unterschiede zur Großen
und Kleinen Schneegrube, in denen während des ganzen Sommers Schneeflecke liegen,
ist in der Agnetendorfer Grube im Sommer nur selten noch Schnee zu finden, weshalb
sie die "schwarze" genannt wird.
Die herrliche und seltene Vegetation, die sich auf der Grubensohle ausbreitet,
hat die Schwarze Schneegrube schon frühzeitig zum Ziele vieler Botaniker gemacht.
Zum Schütze der Bergflora mussten jedoch strenge Naturschutzbestimmungen erlassen
werden, die das Pflücken, Ausreißen und Ausgraben der wildwachsenden eigentümlichen
Hochgebirgspflanzen unter Strafe stellt. Die gleichen Bestimmungen untersagten
auch das Klettern an den Felshängen der Grube, das Abrollen von Steinen und
Felsblöcken, das Zelten und Verlassen der für den Touristenverkehr freigegebenen
Wege, das Baden in den Wasserläufen, sowie jede Störung der frei lebenden Tiere.
Diese Schutzbestimmungen sind, da das Riesengebirge von den Polen und Tschechen
in große Naturschutzzonen eingeteilt wurde, auch jetzt wieder in Kraft.
Im Osten der Grube befindet sich der berühmte, durch ein "W" gekennzeichnete
"Wanderstein", der seinen Namen der Sage verdankt, dass er mehrere
Male seinen Standort gewechselt und nordwärts "gerückt" (nicht gerollt)
sein soll. Die erste "Wanderung" soll der Felsblock, der die Gestalt
eines unregelmäßigen Würfels von 2,8 m Höhe, 9,5 m Umfang und ein geschätztes
Gewicht von 15.000 kg besitzt, im Jahre 1797 angetreten haben. Dabei soll er
sich auf vollkommen ebenem Terrain einhundertvierzig Ellen fortbewegt haben.
Den zweiten "Spaziergang", 94 Ellen weit, habe er 1819 unternommen,
und im Juni 1848 sei er nochmals 30 Schritte weiter nach Norden gerutscht. Bei
allen diesen Wanderungen hat der Wanderstein der Überlieferung zufolge andere
Felsblöcke, die ihm im Wege standen, teils zur Seite geschoben, teils zertrümmert.
Man vermutet, dass Lawinen dieses merkwürdige Phänomen verursacht haben.
Der in die Grube führende Fußweg (Prof.-Nafe-Weg) zweigt von dem aus Agnetendorf
auf den Kamm hochziehenden Korallensteinweg nach etwa 1 Stunde auf einer Waldblöße
links ab und verläuft im Wald am Schneegrubenwasser entlang in dreiviertel Stunden
in die Grube, wo man den prachtvollen Blick auf die 157 m hohen Steilwände des
Felskessels genießt. Ein schmaler Steig geleitet bei einer scharfen Kehre des
Fußweges zum Wanderstein, welcher Pfad aber nur bis zu den Verbotstafeln hinter
dem Stein begangen werden durfte, während der Prof.-Nafe-Weg westlich wieder
in den Korallensteinweg einmündet.
Ein unmittelbarer Aufstieg aus der Grube auf den Kamm ist zwar möglich, teilweise
aber sehr beschwerlich und verboten; entweder am weitesten links in der mit
Geröll ausgefüllten Wasserrinne (der Aufstieg in der Rinne rechts ist gefährlich
und nur für Trittsichere), oder von dem einzelnen Ahornbaum der Grubensohle
ostwärts durch die wildromantische Felswelt auf streckenweise nur schwer erkennbarem
Pfad zum Mädelkamme empor, wo man nach ungefähr einstündigem Steigen auf den
Kammweg zur Peterbaude gelangt. Schöne Einblicke in die Schwarze Schneegrube
gewährt auch der genannte Korallensteinweg, der an der Felsgruppe der verwachsenen
Korallensteine (1070 m) vorüber südlich in steilen Windungen an der Großen Sturmhaube
empor zum Kamm ansteigt.
Erwähnt sei auch der "Joseph-Partsch-Weg", einer der prächtigsten
Wanderwege des Riesengebirges, der an der Dürren Kochel ansteigt und nach 2
Stunden an der Waldgrenze den vom Korallensteinweg kommenden weiß-rot bezeichneten
Weg aufnimmt, dessen Fortsetzung der Prof.-Nafe-Weg in die Schwarzen Schneegruben
ist. Benannt wurde der Weg nach dem berühmten Breslauer und Leipziger Geographen,
Prof. Joseph Partsch, der, gebürtig aus Schreiberhau (Josephinenhütte), die
Vergletscherung des Riesengebirges entdeckt hat und sich um den R.-G.-V. verdient
machte. Von der Waldgrenze zieht der Joseph-Partsch-Weg in fünf steilen Windungen
am Nordhang der Großen Sturmhaube hinan, schräg über den Abhang des Hohen Rades
und zuletzt am wild gerissenen Rand der Großen Schneegrube entlang zur Schneegrubenbaude.