Quelle: Riesengebirgs-Buchkalender 1996
von Erhard Krause
Gegen Ende des Jahres 1977 wurde in
dem bekannten Luftkurort und Wintersportplatz Spindelmühle ein Gedenkstein aus
heimischem Granit gesetzt, der daran erinnern soll, dass das Riesengebirge 1963
zum "Nationalpark" (38.400 Hektar groß) erklärt wurde.
Derartige Naturschutzparks, die zum Schütze der Pflanzen- und Tierwelt in besonders
beachtenswerten Landschaftsgebieten eingerichtet wurden, gibt es auf dem Gebiet
der heutigen Tschechoslowakei inzwischen mehrere. Die Naturschutzbestrebungen
im Sudetenland gehen aber schon auf viel ältere Zeiten zurück, denn es waren
die ehemaligen adeligen Großgrundbesitzer, die als erste solche Schutzbezirke
auf ihren Besitzungen einrichteten, um damit die Reste ursprünglicher Landschaft
der Nachwelt unberührt zu erhalten.
So erklärte Fürst Johann Adolf von Schwarzenberg am 1362 Meter hohen Kubani
90 Hektar des Böhmerwaldes "für ewige Zeiten" zum Urwald. Es ist dies
der sogenannte "Lucken-Urwald", der sich am östlichen Abhang des Kubani
von der Luckenstraße bis zu der romantischen Schlucht des Kapellen- oder Idabaches
erstreckt. Hier blieb bis heute, wenn auch im verkleinerten Ausmaß (gegenwärtig
sind es noch etwa 48 Hektar), der ursprüngliche, von Menschenhand unberührte
Zustand des Waldes erhalten.
Die gleichen Bestrebungen wie die Fürsten Schwarzenberg im Böhmerwald verfolgten
die Fürsten Liechtenstein im Altvatergebirge, die dort seit 1905 zwischen Fuhrmannstein
und Kepernik 172 Hektar des Gebirgswaldes mit 100- bis 300-jährigen Baumbeständen,
kleinen Hochmooren und seltenen Pflanzen unter Schutz stellten.
Dieser sogenannte "Liechtenstein-Urwald" wurde zwar nach dem Ersten
Weltkrieg dem Fürsten Liechtenstein enteignet und ging 1926 in Staatsbesitz
über, blieb aber als Naturschutzgebiet erhalten. Mit seinen bizarren Felsformationen
im klüftigen Gneis und den vielen Baumleichen im "Toten Wald" am Kepernik
bietet das Waldgebiet auch heute noch ein sehr urwüchsiges Bild.
Eine 300 Jahre alte Reservation ist der Urwald auf der Nordseite des Kaltenberges
(731 Meter) bei Hasel im Kreis Tetschen. Auch im Isergebirge auf den Besitzungen
des Grafen Clam-Gallas bestand unweit des Jagdschlosses Neuwiese (733 Meter)
noch so ein Stückchen "Urwald", und im Bielengebirge war das sogenannte
"Paradies" (1050 Meter), ein an der Landesgrenze gelegener Buchenhain
mit reicher Flora, seit über 100 Jahren Naturschutzgebiet.
Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges wurden dann auch staatlicherseits Maßnahmen
zum Schutz seltener Flora und Fauna in unseren Heimatgebirgen getroffen. Die
ersten Naturschutzgebiete in den Sudetengebirgen waren dann im Riesengebirge
die Kleine Schneegrube und der hintere Teil des Melzergrunds (Melzergrube),
im Rehorngebirge der Höflbusch bei Maxhütte-Rehornbaude, im Isergebirge das
Hochmoor der Großen Iserwiese und im Adlergebirge das Hochmoor der "Seefelder"
bei Kronstadt.
Nach 1933 kamen weitere Gebiete hinzu, und zwar im Riesengebirge die Große und
die Agnetendorfer Schwarze Schneegrube; die Gebiete um den Großen und Kleinen
Teich sowie die Abhänge der Schneekoppe. Außerdem wurde durch Verordnung den
Preußischen Regierung in Liegnitz vom 03. Mai 1933 das gesamte Riesen- und Isergebirge
auf reichsdeutscher Seite zum Pflanzenschongebiet erklärt.
Im Sudetenland wurden die Naturschutzgebiete wesentlich vermehrt nach dem Anschluss
ans Reich. Genannt seien hier das Naturschutzgebiet Bösig-Berge wegen seltener
Pflanzen (Steinnelke, Martinshaar, Tollkirsche und Alpenbock), der Hirschberger
See als Naturschutzgebiet für Wasservögel, das Vogel- und Pflanzenreservat Buchtal
bei Michelsberg (Kreis Tachau), die Umgebung der Teiche bei Kummer am See als
Naturschutzgebiet für Sumpfporst, Moorheide, Rauschbeer und Seerose; das Moorgebiet
des Soos bei Fonsau in der Umgebung von Franzensbad, das Spitzberggebiet bei
Gottesgab, die Torfmoore "Haar" und "Buchschacht" bei Graslitz,
der Höllegrund und das Habsteiner Moor bei Böhmisch-Leipa und die Edmundsklamm
bei Herrnskretschen/Elbe.
Im Riesengebirge wurde nach 1938 zum Schutzgebiet erklärt die Schwarze Koppe
wegen des Vorkommens von Enzian, Habmichlieb, Teufelsbart und Knieholz; weitere
Schutzgebiete im Rübezahlreich wurden die "Blauhölle" und der Aupakessel
bei Petzer, die Brunnberge, der Sonnengraben, Löwengrund und Hirschgraben (Wildgehege)
bei Kleinaupa, die Große und Kleine Kesselgrube bei Rochlitz und der Schwarze
Berg bei Johannisbad. Letzterer war Naturschutzgebiet für zahlreiche Alpenpflanzen.
Im Altvatergebiet wurde außer dem Liechtenstein-Urwald unterm Fuhrmannstein
der Große und Kleine Kessel (hier Vorkommen von Gemsen) unter Schutz gestellt.
Ebenfalls Naturschutzgebiet wurde die Gipfelzone des Großen und Kleinen Schneebergs
im Schneegebirge mit einer Fläche von rund 450 Hektar.
Bei Auscha wurde der Wilhoschtberg Naturschutzgebiet, bei Tetschen an der Elbe
Klingborn und Jungfernstein, bei Schlaggenwald das Zechtal für die dort einheimischen
Singvögel, bei Neutitschein die Schneeglöckchenwiese in Sedlnitz, bei Plöß (Kreis
Bischofteinitz) der Plattenberg, in Plan bei Marienbad der Vogelschutzpark im
Amseltale, bei Reihwiesen (Kreis Freiwaldau) das Sumpf- und Moorgebiet Moosebruch
mit dem "Großen Sühnteich", genannt das "schlesischeVineta";
die sagenhafte Dorflehne bei dem versunkenen Kirchlein in Hasel (Kreis Tetschen)
wegen massenhaften Vorkommens der Mondviolen (Lunaria, Silberblatt); und bei
Elbogen die Hans-Heiling-Felsen wegen der eigenartigen Felsgruppen und Vorkommens
von Fischotter und Uhu.
Weiter seien noch erwähnt die berühmten Felsenlandschaften von Adersbach und
Wekelsdorf, der Naturpark beim Schloss Blauda (Kreis Mähr. Schönberg), der Schlosspark
in Bischofteinitz, der Urwald am Großen Eibenberg bei Falkenau-Kittlitz, die
Krandelseegebiete (Latschenkiefer), der Rollberg bei Niemes als Naturschutzgebiet
für wilden Fingerhut, Tollkirsche, Seidelbast, Nestwurz und Salomonssiegel,
und der Basaltfelsen des Zinkensteins am rechten Elbufer in der Nähe der Gemeinde
Reichen wegen der seltenen Flora (Trollblume) und der sogenannten "Eislöcher".
Letztere sind Höhlen in den Basaltblockhalden mit Eisbildung auch im Sommer.
Zu nennen wären auch noch die zahlreichen, unter Schutz gestellten Wildgehege,
wie solche im Riesen- und Isergebirge, im Böhmerwald, im Lausitzer Gebirge und
anderen Heimatlandschaften bestanden sowie die als Naturdenkmäler geschützten
alten Bäume, wie zum Beispiel die 2000-jährige Eibe in Krombach (Kreis Deutsch-Gabel),
die Wunderbuche im Olbatal bei Auerschim, die 1000-jährige Linde im Kessel bei
Oschitz, die Körner-Eiche bei Dallwitz (stärkste Eiche im Sudetenland) und die
alte Grenzbuche in Zinnwald.
Alles in allem kann gesagt werden, dass im Sudetenland vor 1945 schon sehr viel
für den Naturschutz getan wurde und dass sicher noch viel mehr auf diesem Gebiet
getan worden wäre, wenn nicht Krieg und Vertreibung zunächst weitere Maßnahmen
verhindert hätten, die jetzt erfreulicherweise von tschechischer Seite nachgeholt
wurden.