Mühlen im Grüssauer Klosterland

von Tilman Taube, 45 130 Essen

Die Geschichte der Mühlen im Grüssauer Klosterland ist vermutlich noch nicht als separates Thema und in einer umfassenderen Weise behandelt worden. Dies kann auch im Rahmen dieses Artikels nicht geschehen, ich möchte aber wenigstens schon einmal den Anfang machen und die Geschichte der Mühlen allgemein vor allem in der älteren Zeit verfolgen. Für die jüngere Zeit, gerade die letzten 150 Jahre bis zur Vertreibung, bin ich nicht berufen, dies zu tun, da mir die Kenntnisse und die Quellen fehlen. Es gibt aber einige Ansätze, gerade die jüngere Mühlengeschichte der Grüssauer Klosterdörfer zu verfolgen. So hat Heinrich Wesner aus Görtelsdorf im Juni 1958 im Schlesischen Gebirgsboten einen Artikel mit dem Titel "Görtelsdorf, das 3-Mühlen-Dorf" veröffentlicht. In diesem beschreibt er kurz die Verhältnisse auf den drei Görtelsdorfer Mühlen vor 1945. Zur jüngeren Geschichte der Mühle in Oppau (vor 1945 Familie Raschke) soll es ebenfalls chronikartige Aufzeichnungen geben. Auch bei weiteren Mühlen ist anzunehmen, dass sich in der Familientradition Bilder und Überlieferungen erhalten haben. Die bisher ausführlichsten Ausführungen zu den Mühlen des Grüssauer Klosterlandes sind der Wirtschaftsgeschichte des Klosters Grüssau von Franz Mahner zu entnehmen [1]. Die entscheidende Schwäche dieser Arbeit liegt allerdings darin, dass Mahner die Grüssauer Stiftsurbarien offensichtlich nicht zur Verfügung standen, und er sich auf die damals (vor 1913) bereits in Breslau befindlichen Urkunden und Aktenbestände beschränken musste.

Ob es beim ersten (benediktinischen) Kloster Grüssau in Neuen bereits eine Mühle gegeben hat, ist nicht überliefert und vermutlich auch nicht mehr zu ermitteln. Die Lage am Zieder hätte den Betrieb einer Mühle ermöglicht, aber die Bestandsdauer des Klosters war ja relativ kurz, sodass es zur Einrichtung einer dauerhaften Mühle vielleicht gar nicht gekommen ist. In Neuen lässt sich in jüngerer Zeit (ab ca. 1550) jedenfalls keine Mühle mehr nachweisen.

Sicher wurde mit der Wiedergründung des Klosters Grüssau durch die Zisterzienser im Jahre 1292 (am heutigen Standort) dort auch eine Mühle errichtet, denn die Zisterzienserregel sah die Errichtung von Wirtschaftsbetrieben unbedingt vor, und die Verlegung des Klosterstandortes von der Anhöhe in die Aue ist vermutlich gerade aus wirtschaftlichen Gründen erfolgt, vielleicht weil dort die Bedingungen zur Anlage einer leistungsstarken Mühlenanlage vorteilhafter waren [2]. Jedenfalls ist in der Folge die Grüssauer Klostermühle mit dem Klostermüller in den Urkunden und Kirchenbüchern vielfach nachweisbar.

Die Klostermühle war dann auch die Mühle, in der die umliegenden Bauern aus Hermsdorf (Grüssau), Neuen (Altengrüssau) und Lindenau (vermutlich ein etwas jüngeres Dorf mit kleineren Höfen) ihr Brotgetreide mahlen lassen mussten.

Die etwas weiter entfernt liegenden alten Waldhufendörfer hatten seit Ihrer Gründung alle eine Scholtisei, den Hof des Lokators, später des Dorfrichters oder Dorfschulzen, der das Recht hatte, Handwerker zu beschäftigen und Mühlen zu betreiben. Hermsdorf (Grüssau) und Lindenau werden hier wegen ihrer Nähe zum Kloster eine Ausnahme gewesen sein, hier lässt sich keine Tätigkeit von Handwerkern im Rahmen eines Scholtiseikomplexes nachweisen [3]. Aber bereits in Kleinhennersdorf, Görtelsdorf und Ober-Zieder gab es Mühlen, die jeweils zur Scholtisei gehörten, und in der Ursprungszeit von Dorfschulzen durch angestellte Müller betrieben wurden. Ähnliches gilt für fast alle anderen Grüssauer Klosterdörfer. In einigen Dörfern allerdings scheinen die Wasserverhältnisse den Bau einer Mühle nicht erlaubt zu haben. So erklärt zum Beispiel Wesner das Fehlen einer Mühle in Trautliebersdorf mit dem Mangel an geeignetem fließenden Gewässer. Normalerweise war aber Wasser vorhanden, sodass Mühlen zumeist in der Nähe der Scholtiseien errichtet werden konnten. Beispiele hierfür sind: Görtelsdorf, Buchwald, Kunzendorf. In einigen Orten erlaubten die Wasserverhältnisse nicht die Errichtung der Mühle nahe bei der Scholtisei. In solchen Fällen wurde die Mühle offensichtlich auch abseits in Alleinlage errichtet. Solches lässt sich für Oppau nachweisen, wo die Mühle ursprünglich nicht am Standort von 1945 stand, sondern am jungen Bober hart an der Gemarkungsgrenze zu Tschöpsdorf, wo ein Flurname noch den alten Mühlenstandort verrät. Erst durch die Einrichtung des künstlichen Mühlgrabens von Kunzendorf (Zeitpunkt ist unklar) konnte die Mühle ins Oppauer Niederdorf verlegt werden.

Noch etwas ist bei Oppau sehr interessant, denn hier schein es einmal eine Windmühle gegeben zu haben, den auf einer Flurkarte von ca. 1811 wir der Berg südlich der Kirche als Windmühlenberg bezeichnet. Zu diesem Zeitpunkt stand dort aber schon keine Windmühle mehr. Vermutlich hat sie überhaupt nur sehr kurz bestanden. Vielleicht lassen sich hier noch Details finden. Eine weitere Windmühle ist für Altreichenau überliefert [4].

Die zum Kloster Grüssau gehörige Stadt Schömberg hatte eine eigene Stadtmühle, der Stadtmüller von Schömberg ist vielfach durch Kirchenbucheinträge belegt. Ob diese Mühle mit der Stadtgründung entstand, oder vielleicht das Anhängsel eines zur Stadt eingezogenen Bauerngutes der umliegenden Dörfer war, ist noch nicht bekannt. Letzteres ist jedenfalls auch gut möglich, da vielfach Bauerngüter zur Stadt Schömberg geschlagen wurden. So wurde 1569 auch die Scholtisei von Blasdorf bei Schömberg vom damaligen Besitzer Melchior Geißler an die Stadt verkauft und das Kloster Grüssau "beförderte" daraufhin einen anderen Blasdorfer Hof zur Scholtisei [5]. Auf so eine Weise könnte also auch die Mühle an die Stadt gekommen sein [6]. Ob die Mühle Eigentum der Stadt, Klostereigentum oder Privateigentum war, ist ebenfalls noch nicht bekannt.

Auch die Stadt Liebau hatte ein Stadtmühle [7].

Sehr interessant sind die Mühlen, die im Zusammenhang mit Vorwerken und Lehngütern stehen. Bei Vorwerken handelt es sich um ehemalige Eigenwirtschaften der Grundherrschaft, die zu einem späteren Zeitpunkt an Privatpersonen vergeben (verlehnt) wurden [8]. Diese Höfe standen auch zu späterer Zeit als immer noch so genannte Vorwerke oder Lehngüter weiterhin in einer besonderen Beziehung zur Grundherrschaft. So wurde über den Verkauf der Güter von Generation zu Generation gesondert festgehalten und beurkundet ähnlich wie bei Scholtiseien. Der Unterschied zu einer Scholtisei bestand darin, dass die Scholtisei die niedere Gerichtsbarkeit und das Schankrecht inne hatte und das Recht besaß, Handwerker zu beschäftigen, was die Vorwerke nicht hatten.

Hier bilden die Mühlen allerdings wiederum eine Ausnahme, denn es sind eine Ganze Reihe von Vorwerken und Lehngütern bekannt, zu denen Mühlen gehörten. Hier zum Beispiel das Lehngut von Trautliebersdorf, das Lehngut in Ober Zieder, das Lehngut in Wittgendorf. Im Falle von Trautliebersdorf und Ober Zieder waren die Mühlen scheinbar noch bis ins ins 18. Jahrhundert hinein Teil der Güter, in Wittgendorf wird die Mühle zwar immer geographisch als Mühle beim Vorwerk oder ähnlich bezeichnet, gehört aber schon seit dem frühen 17. Jahrhundert spätestens dem Kloster Grüssau.

Es ist noch nicht bekannt, inwiefern weitere der zahlreichen Vorwerke des Grüssauer Klosterlandes in früherer Zeit Mühlen besessen haben, aber dies ist zu vermuten. Wenn es sich zumindest teilweise bei diesen Vorwerken um ehem. Klostergangrien, also wirkliche Eigenwirtschaften des Klosters gehandelt hat, so ist die Existenz einer zweiten Mühle im jeweiligen Dorf (denn zumeist, Ausnahme Trautliebersdorf, wo dies nicht nachweisbar ist, ist die Vorwerksmühle die zweite Mühle im Ort) erklärlich. Ursprünglich war sie vermutlich zum Mahlen der Produkte der Klostergangrie gebaut worden. Die Bauernhöfe des Dorfes hingegen unterlagen vermutlich dem Mahlzwang der Mühle der Scholtisei. Vielleicht hat es in späterer Zeit dann hier Änderungen gegeben, aber das bedarf noch näherer Recherche.

In diesem Zusammenhang dürften auch die Mühlen interessant sein, die sich bisher keiner der obigen Gruppen zuordnen lassen. Hier sind einmal Mühlen zu nennen, die unabhängig von irgendwelchen Gütern auftauchen, wie zum Beispiel die Mittelmühle in Görtelsdorf [9], oder Mühlen die als Teil von gewöhnlichen Bauerngütern genannt werden, wie zum Beispiel eine Mühle in Albendorf und eine in Tschöpsdorf. Bei wieder anderen Mühlen ist die Zuordnung zu einer Gruppe noch nicht gesichert. Albendorf ist ein Dorf ohne Lehngut oder Vorwerk, sodass es sich bei dem Hof mit der Mühle um den Überrest eines ehem. Vorwerks handeln könnte, aber im Falle von Tschöpsdorf existierte im Dorf noch ein vollwertiges Vorwerk, allerdings ohne Mühle. In erster Linie sehr alte Urkunden, die weit über das Urbar von 1595 [10] hinausgehen, könnten hier Auskunft geben. Hier werden noch weitere Nachforschungen nötig sein.

Ein erster Beitrag zu einer Mühlengeschichte des Grüssauer Klosterlandes soll auch die folgende Geschichte der drei Görtelsdorfer Mühlen sein:

II. Görtelsdorf, ein Dorf mit gleich drei Mühlen

Den Anfang zu einer Mühlengeschichte von Görtelsdorf machte bereits Heinrich Wesner in seinem eingangs genannten Beitrag für den Schlesischen Gebirgsboten. Dieser Artikel beschäftigt sich allerdings eher mit der jüngeren Geschichte der Mühlen. Inzwischen ist gerade zu Görtelsdorf so viel Quellenmaterial zugänglich, dass die Geschichte der Görtelsdorfer Mühlen sehr weit zurückverfolgt werden kann, auch wenn hier noch Fragen offen bleiben und es weiterer Nachforschungen bedarf.

Görtelsdorf grenz mit seiner Gemarkung unmittelbar an Neuen, das in alten Urkunden auch "Altengrüssau" genannt wird. Hier handelte es sich bei der Pfarrkirche St. Laurentius um den Standort des ältesten (benedikinischen) Klosters Grüssau und das Kirchspiel Neuen, zu dem in alter Zeit auch das später abgetrennte Kirchspiel Grüssau / Hermsdorf gehörte, bildete die Keimzelle der Siedlung im Ziedertal in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts. Insofern könnte man in Görtelsdorf alte Mühlen oder zumindest Hinweise auf alte Strukturen erwarten.

Aber ein Dorf mit drei Mühlen? Görtelsdorf ist das einzige Dorf im Grüssauer Klosterland, für das gleich drei, über weite Zeiträume parallel betriebene, Mühlen urkundlich sind.

Gleich die erste Mühle liefert die Erklärung:


a. Die Görtelsdorfer Obermühle

Die Görtelsdorfer Obermühle liegt am oberen Ende des Dorfbaches nahe an der Grenze zu den Nachbardörfern Trautliebersdorf und Kindelsdorf. Der die Mühle speisende Bach kommt von Trautliebersdorf und entspringt auf dem Gelände des dortigen Vorwerks, wo ebenfalls eine Mühle betrieben wurde.

Im Falle der Görtelsdorfer Obermühle erlaubt es die urkundliche Überlieferung, die Gründung der Mühle fast auf das Jahr genau festzulegen. Im Jahre 1560 nämlich bestätigt das Kloster Grüssau dem Kindelsdorfer Glashüttenmeister Christoph Friedrich und seiner Frau Barbara Ihre Privilegien auf dem Glashüttengut Kindelsdorf. In dieser Urkunde [11] wird Christoph Friedrich auch gestattet, "eine Bretmüle und Melmüle undter dem Foren Teich [12] zu erbauen, dieselben Mülen mit aller Ihrer Nutzunge mit einem freyen Wasserlauff und Graben unvorhinderlich zu genießen undt zu gebrauchen, aldo auch in die Melmüle die Gemein zu Kindelsdorff  zu malen lassen sollen verbunden und verpflichtet sein, außerschloßen die anderen des Stieffts Undthanen in anderen Dörfern ...". Für dieses Mühlprivileg der beiden Mühlen musste Christoph Friedrich fortan dem Stift Grüssau jeweils auf Walpurgis eine Mark und sieben Pfennig Mühlzins zahlen.

Erstmals war Christoph Friedrich im Jahre 1545 mit dem Glashüttengut in Kindelsdorf belehnt worden [13]. Zu diesem Zeitpunkt war zwar schon von dem Recht Handwerker zu beschäftigen, vom Schankrecht und vom Scholzenrecht die Rede, aber noch nicht von einer Mühle. Somit kann davon ausgegangen werden, dass schon zu diesem Zeitpunkt eine Mühle nicht mehr automatisch zu den Privilegien eines Scholzen gehörte. Vielmehr ist die Mühle einer der großen Unterschiede zwischen den Belehnungsurkunden von 1545 und 1560. In der Urkunde von 1560 ist ja auch klar ausgedrückt, dass zu diesem Zeitpunkt die Mühle noch nicht bestand, sondern erst erbaut werden sollte. Ein weiterer Unterschied in den beiden Belehnungsurkunden liegt darin, dass in der Urkunde von 1560 ein Grundstück von 3 Ruthen in Görtelsdorf erwähnt wird, welches als zum Glashüttengut Kindelsdorf zugehörig bezeichnet wird. Das Glashüttengut reicht also schon zu diesem Zeitpunkt (weitere Zukäufe werden in den folgenden Jahrzehnten erfolgen) bis auf das Gebiet des Dorfes Görtelsdorf. Dies erklärt, dass die Mühle des Kindelsdorfer Glashüttengutes auf Görtelsdorfer Gebiet stehen konnte. Schon Lutterotti assoziiert in seinem 1930 erschienenen Artikel "Von der ehemaligen Kindelsdorfer Glashütte" [14] die Görtelsdorfer Obermühle mit der Mühle aus der Urkunde von 1560. Anderer Möglichkeiten sind auch kaum denkbar.

Die Tatsache, dass die Einwohner von Kindelsdorf der neu errichteten Mühle unterstellt werden konnten, ist dadurch zu erklären, dass das Dorf Kindelsdorf vor 1545 wüst gelegen hatte, und erst mit Errichtung der Kindelsdorfer Glashütte wieder besiedelt wurde, und es somit keine älteren Rechte gab, die durch die neue Mühle beschnitten wurden.

1592, bei der Übergabe des Glashüttengutes von Christoph Friedrich an seinen Sohn Adam Friedrich, werden Brett- und Mehlmühle unter dem Fohrenteich wiederum erwähnt. [15] Im Grüssauer Urbar von 1595 [16] ist die Mühle als Brettmühle bei den Besitzungen des Glashüttengutes Kindelsdorf belegt.

Um das Jahr 1620 [17] ist die Glasproduktion in Kindelsdorf bereits eingestellt, der Glashüttenmeister Caspar Schier (Schürer von Waldheim), vermutlich ein Schwiegersohn Adam Friedrichs, wohnt aber noch auf Kindelsdorf und entrichtet den Mühlenzins. Die Mühle ist also weiterhin in Betrieb, wohl weil Caspar Schürer das Gut jetzt als reine Landwirtschaft betreibt. 1632 ist Caspar Schürer verstorben und seine Witwe verkauft das gesamte Gut, und damit auch die Mühle, an das Stift Grüssau.

Ab dieser Zeit war das Kloster Grüssau Besitzer der Mühle. Im Jahr 1660 gab es noch einmal einen Versuch, das gesamte Gut (vielleicht inclusive der Mühle, aber das ist noch nicht geklärt) zu verkaufen, aber dieser Versuch scheiterte schon nach wenigen Jahren. Spätestens seit diesem Zeitpunkt war die Görtelsdorfer Obermühle Grüssauer Klosterbesitz.

Die Müller auf der klostereigenen Mühle lassen sich anhand der Neuener Kirchenbücher problemlos von ca. 1640 an bis in die jüngste Zeit verfolgen. Ebenso wird sich in den Akten des Archivs Hirschberg nachweisen lassen, dass die Mühle nach der Säkularisierung des Klosterbesitzes in den Jahren nach 1810 privatisiert wurde.

Laut Heinrich Wesner wurde der Mühlenbetrieb schließlich um 1890 eingestellt. Um 1911 hatte die Obermühle die Hausnummer 85 und war im Besitz von Gustav Ansorge, der gleichzeitig auch Amtsvorsteher von Görtelsdorf war [18].

Heute (2004) steht von der Görtelsdorfer Obermühle noch ein jüngeres Wohngebäude (vielleicht ca. 1880 erbaut) und daneben, und das ist interessant, das sehr fein in Bruchstein gemauerte Sockelgeschoß eines kleineren Gebäudes, bei dem es sich um die alte Mühle handeln könnte. Der Feinheit des Mauerwerkes nach ist diese Struktur schon sehr alt. Wenn sie noch aus dem Jahr 1560 stammt, wäre sie der letzte überirdisch sichtbare Rest der alten Kindelsdorfer Glashüttengebäude, denn in Kindelsdorf selbst scheint nach dem Abriß des Gerichtskretschams kein Gebäude aus dieser alten Zeit mehr zu stehen.


b. Die Görtelsdorfer Mittelmühle

Zur Görtelsdorfer Mittelmühle gibt es, und gerade das macht sie interessant, bisher kaum nähere Informationen aus der ganz alten Zeit. Nachdem oben festgestellt wurde, dass es sich bei der Obermühle historisch gesehen eher um die Mühle des Dorfes Kindelsdorf handelte, ist die Mittelmühle eine richtige Görtelsdorfer Mühle.

Geographisch liegt sie mitten im Dorf Görtelsdorf am Dorfbach und lässt sich daher keinem der Görtelsdorfer Bauerngüter zuordnen, insbesondere nicht der Scholtisei oder einem der beiden Vorwerke.

Dem Buch von Mahner ist zu entnehmen, dass dem Kloster Grüssau in Görtelsdorf zwei Mühlen gehörten. Ab 1632 wissen wir dies einmal von der Obermühle (eine Kindelsdorfer Mühle wird nie genannt) und ebenso ist dies für die Mittelmühle zu vermuten, da die Niedermühle vermutlich einen anderen Besitzer hatte (siehe hierzu weiter unten).

In den Akten des Klosters Grüssau und insbesondere in einem im Breslauer Diözesanarchiv befindlichen Abgabenverzeichnis der Dörfer mit Auflistung der Dorfhandwerker aus der Zeit um 1740 [19] werden sich hier sicherlich noch Hinweise finden lassen.

Momentan bleibt nur die Vermutung, dass es sich bei der Görtelsdorfer Mittelmühle um eine sehr alte, klostereigene Mühle handelt, deren Entstehung vermutlich nicht mehr rekonstruiert werden kann.

Interessant ist die Mühle heute vor allem wegen ihres malerischen alten, immer noch stehenden Mühlengebäudes mit Werksteinumrahmter Eingangstür auf der Südseite. Eine ähnliche Türumrahmung befand sich früher am Kindelsdorfer Gerichtskretscham.

Weiterhin ist es für die Mittelmühle gelungen, eine Genealogie der Müllerfamilien von ca. 1620 bis 1800 aufzustellen, die in vielerlei Hinsicht sehr interessant ist, und als Teil III. dieser Arbeit beigefügt ist.

Um 1911 hatte die Mittelmühle die Hausnummer 86 und der Besitzer war Oswald Kießling [20].

Laut Heinrich Wesner war die Mittelmühle in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts die Mühle für die Orte Kindelsdorf (Obermühle aufgegeben), Trautliebersdorf (offensichtlich auch keine Mühle mehr) und Konradswaldau. Der letzte Besitzer vor der Vertreibung war Robert Kießling.


c. Die Görtelsdorfer Niedermühle

Im westlichen Teil des Dorfes befand sich die Görtelsdorfer Niedermühle. Die Dorfaue mit dem Dorfbach wird kurz oberhalb der Mühle durch einen Damm gekreuzt, oberhalb dessen sich ein großer, Mühlteich genannter, Teich befand. Der Mühlgraben ging südlich am Teich vorbei auf die Mühle zu.

Die Niedermühle lässt sich geographisch am ehesten mit der ebenfalls am westlichen Dorfende befindlich gewesenen Scholtisei in Verbindung bringen. Noch sind mir keine Dokumente bekannt, die diese Mühle eindeutig der Scholtisei zuordnen, aber diese werden sich vielleicht noch finden. Die Scholtisei von Görtelsdorf war jedenfalls, wenn in der Größe auch nicht überragend, den Heiratsverbindungen und Patenschaften nach zu urteilen doch eine der reichsten und prestigeträchtigsten im Grüssauer Klosterland [21]. Der Scholtiseikomplex mit den Handwerkshäusern muß sich östlich der Scholtiseigebäude [22] zu beiden Seiten der Dorfaue, insbesondere vielleicht auf der Südseite, befunden haben, und hier befand sich auch die Niedermühle.

In den Urbarien von 1595, 1620 und 1676 wird nie eine Mühle im Zusammenhang mit der Scholtisei genannt. Dies heißt aber nicht, dass keine Mühle zur Scholtisei gehörte, denn auch bei Kunzendorf zum Beispiel wird keine Mühle genannt, obwohl sicher ist, dass diese bis zum Ankauf der Besitzung durch das Stift Teil der Scholtisei war. Vielleicht war die Mühle in einigen Fällen, wie aus alter Zeit berichtet wird, noch ein integraler Teil der alten Rechte der Scholtisei und wurde somit nicht separat erwähnt, weil auch keine separaten Abgaben zu leisten waren. Im Gegensatz hierzu war die Mühle im Falle des Glashüttengutes kein integraler Teil der Scholtisei mehr, und es wurden für diese separate Abgaben erhoben. Bei Vorwerken mit zugehöriger Mühle scheinen ebenso separate Abgaben erhoben worden zu sein, denn diese ist in den bekannten Fällen (OberZieder, Trautliebersdorf) jeweils mit separaten Abgaben aufgeführt.

Es darf vermutet werden, dass die Niedermühle die Mühle für die Görtelsdorfer Bauern war, aber die Aufgabenteilung zwischen Mittelmühle und Niedermühle ist noch nicht ausreichend erforscht.

Die Genealogie der Niedermüller von Görtelsdorf ließe sich anhand der Kirchenbücher von Neuen ausarbeiten. Im 17. Jahrhundert saß eine Familie Süssenbach über mehrere Jahrzehnte auf der Niedermühle.

Um 1911 war die Niedermühle mit der Hausnummer 87 im Besitz von Robert Petzold, der auch eine Holzhandlung betrieb [23].

Der letzte Besitzer vor der Vertreibung war Paul Ermlich. Laut Wesner brannte der Mühlenteil der Niedermühle 1953 ab und wurde nicht wieder aufgebaut. Das Mühlengebäude war in den vergangenen Jahren aber noch also solches zu erkennen. Ebenso war der Damm des Mühlteiches noch gut in der Dorfaue zu sehen.

So weit der Beginn einer Mühlengeschichte des Grüssauer Klosterlandes im allgemeinen und einer Geschichte der drei Görtelsdorfer Mühlen im besonderen. Schon aus dem Text wird deutlich, dass diese Geschichte noch längst nicht abgeschlossen ist, sondern durch weitere Forschungen erheblich ergänzt und vielleicht auch korrigiert werden könnte.



Ich habe begonnen, Informationen zu allen Mühlen des Grüssauer Klosterlandes zu sammeln, und würde mich über Rückmeldungen und Ergänzungen freuen.


[1] Franz Mahner: "Beiträge zur Wirtschaftsgeschichte des Cistercienserklosters Grüssau in Schlesien", Hildesheim 1913.
[2] Vgl. Immo Eberl, Die Zisterzienser, Stuttgart 2002, Seite 227ff
[3] zur Entwicklung der Scholtiseien vgl. Tilman Taube, Die bäuerliche Führungsschicht im Grüssauer Klosterland, Willich 2003
[4] Windmühle gehörig zur klostereigenen Kretschammühle (nach 1656)
[5] StA Breslau, Kloster Grüssau, A66, S. 460
[6] für Schömberg sind im Archiv in Hirschberg sehr alte Kaufbücher/Schöppenbücher erhalten, diese könnten nähere Auskunft geben.
[7] Mahner, Seite 127
[8] für Einzelheiten zu Vorwerken im Grüssauer Gebiet und deren Genealogien vgl. Tilman Taube, Die bäuerliche Führungsschicht im Grüssauer Klosterland, Willich 2003
[9] für Details vgl. die nachfolgenden Ausführungen zu den Görtelsdorfer Mühlen.
[10] StA Breslau, Kloster Grüssau, A361
[11] Breslauer Diözesanarchiv, Kloster Grüssau, Kopialbuch V18, S. 90ff.
[12] Beim Forenteich handelt es sich vermutlich um einen Forellenteich. Dieser ist nicht gleich einem Mühlteich, sondern in diesem Falle hat es sich wohl eher um einen Teich in den Wiesen westlich des Weges von der Görtelsdorfer Obermühle nach Kindelsdorf gehandelt, der später wieder trockengelegt wurde. Dort jedenfalls befindet sich eine Senke, die zur Anlage eines Teiches einlädt und Hinweise auf dem Messtischblatt deuten auch auf einen ehemals vorhandenen Teich.
[13] BDA, Kloster Grüssau, V18, S. 87ff
[14] in: Der Wanderer im Riesengebirge, Heft 9, September 1930
[15] BDA, Kloster Grüssau, V18, S. 112ff. Zur Genealogie der Glasmacherfamilien auf vgl. Tilman Taube: Die bäuerliche Führungsschicht im Grüssauer Klosterland.
[16] Staatsarchiv Breslau, Kl. Grüssau, A361
[17] Urbar von ca. 1620, StA Brelau, Kl. Grüssau A361
[18] Adressbuch Landeshut von ca. 1911, Seiten Görtelsdorf in Kopie bei Tilman Taube
[19] BDA, Kloster Grüssau, V23
[20] Adressbuch des Kreises Landeshut, ca. 1911, Kopie der Seiten von Görtelsdorf: Tilman Taube
[21] für die sehr detailliert ausgearbeitete Genealogie der Scholtisei Görtelsdorf vgl. Tilman Taube: Die bäuerliche Führungsschicht im Grüssauer Klosterland.
[22] Die Scholtiseigebäude sind heute leider bis auf ein paar Grundmauern abgerissen. Ein paar undeutlichen Fotos und Karten nach zu urteilen, muß es sich bei der Scholtisei um einen sehr eindrucksvollen Hof gehandelt haben. Ein gutes altes Foto der Görtelsdorfer Scholtisei wird noch gesucht.
[23] Adressbuch Landeshut von ca. 1911, Seiten Görtelsdorf in Kopie bei Tilman Taube

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