A. Siebelt
Verlag Max Leipelt in Warmbrunn
Veröffentlich in der Zeitschrift "Der Bote aus dem Riesengebirge",
bearbeitet und ergänzt von: Karl-Heinz Drescher, Leipzig
Oberhalb Seidorfs, zu Füßen des mächtigen Felsenbaues der Gräber- / Kräbersteine liegt auf waldiger Höhe mit seinen weißen Mauern weithin grüßend, ein kleines Gotteshaus, das Idyll unter den Gotteshäusern gräflich Schaffgotschen Patronats.
Kräber- oder Gräbersteine bei der St. Annakapelle |
St. Annakapelle, Forsthaus und Sanatorium Dr. Schadewald |
Ihre Geschichte reicht weit, bis in die Vorzeit, zurück. Frau Saga war
auch nicht müßig. Die jetzige Kapelle wurde 1718 auf den Ruinen "des
Kirchleins am heiligen Borne" erbaut. Ursprünglich 1316 wie eine Urkunde
vom St. Michaelistage bestätigt.
In jener fernen Zeit verschrieb Herzog Bolko von Schlesien "drei Mark Jahreszins
an dem Hochwalde von Schönau." Gegeben: Datum Warmborn anno domini
M.C.C.C.LX fexto in die sancti Michaelis. Ein Mark erhielt der Pfarrer von Kauffungen
bei Schönau, zwei Mark verblieben zur Unterhaltung der Kapelle. Das Vermächtnis
wurde im ältesten Landbuche von Schweidnitz eingetragen, wo es noch heute
zu finden ist.
Von wem die erste Bornkirche errichtet wurde, darüber fehlen urkundliche
Nachrichten.
Offene Frage: Ob der Brunnen unterhalb der Kapelle sein vorzügliches Wasser
spendet, ein heiliger genannt wird, weil er in der Nähe des Kirchleins
sprudelt oder ob dem Borne in grauer Vorzeit wundertätige Kraft zugeschrieben
ward und deshalb ein Gotteshaus als Wallfahrtsstätte errichtet wurde bleibt
eine offene Frage.
In der Chronik der katholischen Kirche zu Seidorf lesen wir über die Bornkirche
folgendes:
"Im Jahre 1212 kam eine große Wasserflut und schwemmte die Häuser
des alten Bronsdorf zwischen dem heutigen Orte gleichen Namens und den Baudenhäusern
"Gutenbrunnen", deren Kirche unweit der heutigen Annakapelle lag,
fort."
Das Gotteshaus, weil fester gebaut, hielt dem Wasseransturm stand. Es wurde
wohl noch zu gottesdienstlichen Zwecken genutzt, als die Bewohner bereits talwärts
sich, im heutigen Seidorf, angesiedelt hatten. Es gibt aber auch Angaben die
besagen, die Kapelle wurde erst 1418 erbaut. Damals gehörte die Herrschaft
Giersdorf und Seidorf den Herrn von Liebenthal.
1515 kam sie in den Besitz von Hans Schoff Gotsche genannt, Herr auf Kynast
und Greiffenstein. Zu jener Zeit wurde "die Bornkirche" St. Anna geweiht.
Von 1420 bis 1550 war die von Sachsenherübergekommene Blütezeit des
St. Annenkults in Schlesien. Zahllose Kirchen und Kapellen in dieser Zeit hatten
St. Anna zur Patronin. Besonders galt sie als Schützerin des Bergbaus.
Viele weitere Kapellen, die ihren Namen tragen, finden wir auf Bergeshöhen,
wie in Schmiedeberg.
Von 1481 bis zur Neuaufrichtung 1718 gibt es keine Informationen des St. Annen-Kirchleins
am "gutten Berg". Ob sie durch Witterungseinflüsse zerfiel oder
ob Hussitenschwärme sie zerstörten, blieb unbewiesen.
Neues Leben: Graf Christoph Leopold Schaffgotsch hatte auf der Schneekoppe eine
Kapelle errichtet. Da erinnerte man sich des verfallenden Kirchleins am gutten
borne, und Graf Hans Anton Schaffgotsch fasste den Entschluss dasselbe neu aufzurichten.
Das Schreiben vom 8. Juli 1718, das an den gräflichen Amtshauptmann Pohl
ging, lautete: "Demselben ist unverhalten wes maßen ich resovieret
an den völlig eingegangenen St. Anna- Kirchle bey dem Seydorfer Brunnen
eine Reparatur vorzunehmen und ein sauberes Capellchen aufrichten zulassen,
all wo die Rudera das alten Kirchels noch befindlich."
Es entstand das Kirchlein, welches noch heut aus dem Waldesgrün hervorschaut.
"Es ist", nach Lutsch (Schlesische Kunstdenkmäler), "ein Gebäude
in Putzformen ausgeführt, elliptischen Grundrisses, durch Pilaster gegliedert,
mit Stich Kappentonnen überdeckt, im Äußeren einfach."
Den Bau führte Baumeister Caspar Jentsch aus Hirschberg aus. Zuvor hatte
er bereits die Kirche von Warmbrunn nach dem Brande von 1711 aufgebaut. Die
innere Einrichtung trägt den Charakter des Barock. Das Altarbild auf Kupferplatte
von Johann Hieronymus Kettenacjer, offenbar ein Zisterzienser aus Warmbrunn.
Am Vorderteile des Altars ist das Wappen des Grafen Hans Anton Schaffgotsch,
diesem zur Seite die Wappen seiner Gemahlinnen Maria Franziska geb. Gräfin
Sereni und Anna Maria Theresia Gräfin Novohradsky von Kollowratz angebracht.
Die Seitenaltäre sind St. Johannes Nepomuk und St. Hedwig mit St. Maria
Margarete Alacoque, geweiht. Die Kapelle besitzt zwei Skulpturen beide St. Anna
"selbstdritt" darstellend. Die Ausführung des rechts vom Hochaltar
an der Wand angebracht, zeigt die kunstlosen Formen des Ausgangs des Mittelalters.
Vielleicht zierte sie einst den Altar der "alten Bornkirche", als
man sie St. Anna weihte. Die zweite Skulptur ist oberhalb des Beichtstuhls angebracht
und gehört in die Barockzeit.
Am 26. Juli 1719, am St. Annentage, fand die Einweihung statt. Die Feierlichkeiten
fanden unter großer Anteilnahme der Bevölkerung statt. Selbst aus
Böhmen waren zahlreiche Gläubige erschienen. Acht Messen wurden gelesen
und hundert Kommunionen wurden gespendet.
Die Zisterzienser aus der damaligen Propstei zu Warmbrunn, welche bereits die
Seelsorge in allen Gotteshäusern die zum Patronat des Grafen Schaffgotsch
gehörten, ausübten, waren nun auch für das Bergkirchlein zuständig.
Anfänglich wurden jährlich 24 Messen gelesen. Als aber 1810 die Propstei
Warmbrunn aufgehoben wurde, hörten die häufigen Gottesdienste auf.
Später gehörte die St. Annakapelle als Filialkirche zu Seidorf, zuständig
zum Kirchenspiel Hermsdorf und Kynast.
Einmal des Jahres, am Sonntag nach dem St. Annentage, wird unter dem Zudrang
der Gläubigen feierlicher Gottesdienst in der St. Annakapelle gehalten.
Das Waldidyll des St. Annakirchleins auf der Bergeshöh, dessen Hüter
der Förster im nahen Forsthause, Bornförster genannt, bildete das
Ziel zahlloser Bergwanderer, die sich an dem anmutigen Kirchlein und dem herrlichen
Blick auf Berg und Tal erfreuen.
Auch von dem munter sprudelnden Bergquell schöpft man gerne und erfrischt
sich. Erwähnenswert, seit alten Zeiten wird am frühen Morgen eine
Bütte Wasser durch einen Boten ins Schloss Warmbrunn gebracht. Der letzte
Bote war ein gewisser Schmidt, welcher ganz in der Nähe im Haus "Am
Schlagbaum", der Nr. 195, in den Raschkenhäusern wohnte. Schmidt,
Angestellter beim Grafen Schaffgotsch, ging jeden Morgen mit seinem Karren zur
Annakapelle, holte das gute Wasser und brachte es über Seidorf nach Bad
Warmbrunn. Zu dem Namen "Schlagbaum Schmidt" ist es gekommen, da er
oder seine Frau vor ihrem Haus eine Zollschranke bedienen mussten. Graf Schaffgotsch
hatte die Straße von Hainbergshöh über die Brodtbaude nach Brückenberg
privat erbauen lassen und verlangte daher eine Maut. Diese Schranke war noch
1926 in Betrieb, so berichtete es Gerhard Hübner aus Seidorf, Sohn des
dortigen Bäckermeisters, aus eigenem Erleben, wenn er und sein Vater Brot
und Brötchen mit einem Auto (AGA) nach Brückenberg brachten.
St. Annakapelle und Forsthaus |
Haus "am Schlagbaum" in den Raschkenhäusern |
Gute Verpflegung findet der Bergwanderer im gastlichen Forsthaus. Theodor Fontane,
der bekannte Schriftsteller und langjähriger Sommergast in Krummhübel,
Freund einer guten Küche, hat darüber berichtet. 1886 hatten er und
seine Frau einen Ausflug zur Annakapelle unternommen. Neun Stunden waren sie
von Krummhübel aus unterwegs "die Hälfte marschiert", wie
er stolz an seine Tochter schrieb. Entsprechend wird dieser Ausflug am Zielort
gefeiert.
Ein dreigängiges Essen aus "Weinsuppe, Forellen und Eierkuchen"
war der Lohn dieser mühevollen Wanderung."
Wege zur St. Annakapelle:
Außer dem Wege über Seidorf gelangt man mit der elektrischen Talbahn
bis zum Gasthof zur Schneekoppe in Giersdorf, über den Roten Grund, Ober-Seidorf,
Sommerfrische Annahöhe.
Ein zweiter Weg führt vom Gasthaus "Zur Schneekoppe" aus über
Hainbergshöh, Predigerstein, Raschkenhäuser zur Kapelle. Mit der Bahn
bis Himmelreich in Ober-Giersdorf und dann durch das Bächletal über
Baberhäuser, Max-Heinzelstein. Von dort nach Brückenberg, Schlingelbaude
ins Gebirge oder umgekehrt. Von Hirschberg bis Arnsdorf mit der Bahn und von
dort über den Dittrich.
Der Schatz "bem guda Borne". Unter der Schwelle der Pforte durch welche man in das Innere gelangt, ruht ein Schatz in Gestalt eines goldenen Lammes. Ihn zu heben ist nicht leicht, weil das goldene Lamm den Kopf zum Altar zu wendet. Nichts desto weniger wäre dieses Wagnis in vergangener Zeit drei erfahrenden Schatzgräbern aus Giersdorf, Crommenau und Hartau beinahe geglückt. Zu mitternächtlicher Stunde hatten sie umsichtig und schweigsam ihr Vorhaben soweit ausgeführt, dass das goldene Lamm leibhaftig und zum Greifen nahe, vor ihnen lag. Da bellte der Hund vom Bornförster und verschwunden war der Schatz.
Einst gingen piastische Fürsten in den Wäldern des Riesengebirges jagen. Des Weges und der Gegend unkundig, gingen sie irre. Tagelang blieben sie ohne Nahrung. Heftiger Durst ließ ihre Kräfte erlahmen. Da sahen sie an einem Bergabhang, wie ein weidwunder Hirsch sich zu einer Quelle schleppte, dort trank und darauf gestärkt in den Wald zurück eilte. Sie folgten dem Beispiel des Hirsches, gingen zur Quelle, tranken und fühlten sich wunderbar belebt. Zugleich erkannten sie den Ausgang aus dem dichten Wald und kamen auf gebahnte Pfade. Aus lauter Dankbarkeit ließen sie die Quelle fassen und erbauten ein Kirchlein daneben.