Im Gegensatz zum böhmischen Teil
des Isergebirges, wo sich in den damaligen Gebirgswäldern zahlreiche Marterln
in Form von Gedenksteinen, Bildstöcken, Wegkreuzen usw. befinden, die an
Unglücksfälle bei der Waldarbeit, Wandern und Klettern, an Wildererbegebenheiten
und sonstige Ereignisse mit meist tödlichem Ausgang erinnern, sind auf
der schlesischen Seite des Gebirges solche einsame Gedenkzeichen nur sehr selten
anzutreffen. Der Grund dafür dürfte darin zu suchen sein, dass die
frühere deutsche Bevölkerung im schlesischen Teil des Isergebirges
überwiegend evangelischen Glaubens war und die Errichtung von Marterln
und anderer religiöser Mahnzeichen meist nur in katholischen Gegenden gebräuchlich
ist, was ja für das böhmische Isergebirge zutraf. Aber einige wenige
solcher Gedenksteine gab es auch auf der schlesischen Gebirgsseite und einer
der ältesten davon befand sich an der von Schreiberhau am Hange des Hohen
Iserkammes unter der Abendburg (1047 in) und des Weißen Flins (1088 in)
entlangführenden Alten Zollstraße, die über die ehemalige Glasmachersiedlung
Karlsthal (825 in) nach Böhmen führt.
Bei diesem wahrscheinlich noch heute vorhandenen Gedenkstein handelt es sich
wohl um das älteste Marterl des Isergebirges überhaupt. Der Denkstein,
ein zugehauener Granitfindling, befand sich in Hinter-Schreiberhau nur wenige
Schritte von der Alten Zollstraße entfernt zwischen dieser und dem Hause
Nr. 229, das in Blatt 11 und 12 von Glumms Schreiberhauer Ortsteilkarten den
Namen "Sender" trägt. Er war aber von der Straße nicht
sichtbar und trug die eingemeißelte Inschrift "H. P. + 1668".
Der Stein erinnerte an den Schreiberhauer Glasmeister Hans Preußler, ehemaliger
Besitzer der alten Schreiberhauer Glashütte im Weißbachtal. Hans
Preußler war der Sohn jenes aus Witkowitz in Böhmen eingewanderten
Wolfgang Preußler, der im Jahre 1617 mit Erlaubnis des Grafen Hans Ulrich
von Schaffgotsch die Glashütte an der Weißbach gründete. Die
Hütte stand dort, wo sich später das Sanatorium "Hochstein"
befand. Das Weißbachtal selbst mit Hinter-Schreiberhau (700 800
in) liegt muldenförmig am Abhang des Hohen Iserkammes am Fuße des
Hochsteinmassivs.
Wolfgang Preußler starb 1620 und hinterließ die Glashütte seinem
1596 in Böhmen geborenen Sohn Hans, dem 1644 der Kaiser (der Schaffgott´sche
Besitz war nach dem Tode von Hans Ulrich von Schaffgotsch vom Kaiser konfisziert
worden) die von Schaffgotsch verbrieften Rechte nicht nur bestätigt, sondern
sogar erweitert hat. So erhielt Hans Preußler ein kaiserliches Privilegium
zur Errichtung einer Mühle, einer Brauerei und Bödnerei. Die Tätigkeit
dieses tüchtigen und umsichtigen Glasmeisters beschränkte sich aber
nicht nur auf Schreiberhau, wo er die Glashütte an der Weißbach mit
Nutzen und Energie bis zu seinem Tode betrieben hat. 1654 kehrte er vorübergehend
in seine Geburtsheimat Witkowitz in Böhmen zurück, wo ihn der Prager
Kardinal Graf Harrach mit dem Wiederaufbau der dortigen im 30jährigen Krieg
zerstörten Glashütte beauftragte, die sein Vater 1616 verlassen hatte.
Auch hier erhielt er viele Privilegien und ein 1044 m hoher Berg am Wolfskamm
wurde ihm zu Ehren "Preußlerberg" genannt.
Die Hüttenglocke in Schreiberhau trug die Inschrift: "Hans Preußler,
Glashüttenmeister 1655". Er starb 1668 im Alter von 72 Jahren an der
durch den Gedenkstein bezeichneten Stelle durch Schlaganfall, als er reitend
von einem Besuch des Quarzsteinbruches am Weißen Flins vom Hohen Iserkamm
ins Weißbachtal zurückkehrte. Erwähnt sei in diesem Zusammenhang,
dass von dem großen Quarzstock am Weißen Flins, der sich durch eine
vorzügliche Reinheit auszeichnete, die Glashütten im schlesischen
Iser- und Riesengebirge jahrhundertelang gezehrt haben, so u.a. auch die von
der Glasmacherfamilie Friedrich 1575 errichteten Hütte am böhmischen
Furt in Schreiberhau.
Wanderte man von dem Preußler-Gedenkstein in Hinter-Schreiberhau die Alte
Zollstraße weiter bergan, so gelangte man auf der Kammhöhe zum Wegstein
Nr. 17, der auch "Branntweinstein" genannt wird und 999,5 m hoch liegt.
Der Weg, der hier rechts von der Zollstraße abzweigte und über den
Iserkamm ins Queistal führte, hieß im Volksmund der "Kirchweg".
Zur Zeit der Gegenreformation zogen auf diesem Gebirgspfad die evangelischen
Bewohner von Schreiberhau zu Taufen und Hochzeiten über den Hohen Iserkamm
und Flinsberg nach Meffersdorf und andere damals zu Sachsen gehörende evangelische
Zufluchtskirchen in der Oberlausitz. Es war dies die bewegte Zeit der "Buschprediger",
in welcher die des Landes in Schlesien verwiesenen evangelischen Geistlichen
an verschwiegenen Orten in den großen Gebirgswäldern das Evangelium
verkündeten und die Sakrament austeilten, vereinzelt auch aus Böhmen
in die evangelische Lausitz emigrierte Prediger, welche den nach Schreiberhau
geflüchteten Böhmen auch tschechisch predigten.
Als beliebten Versammlungsort der evangelischen Schreiberhauer zu diesen Waldgottesdiensten
nennt der katholische Visitationsbericht von 1687 S. 297 den "Mönchswaldt",
der nahe dem heutigen Eisenbahntunnel auf der Hartenberger Seite des Iserkammes
liegt. Ein junges Brautpaar, welches mit großer Erbauung die Pfingstpredigt
eines "Buschpredigers" gehört hatte wollte sich von diesem protestantischen
Geistlichen in der Kirche in Meffersdorf in der Oberlausitz trauen lassen. Aber
anstatt im Sommer bei der schönen Jahreszeit den beschriebenen Weg über
das Gebirge zu machen, hatte es mit seinem Vorhaben bis kurz vor Weihnachten
gewartet. Inzwischen war aber der Winter eingekehrt. Es bestand damals in der
Stadt Hirschberg schon eine der sechs evangelischen "Gnadenkirchen"
deren Bau den schlesischen Protestanten im Jahre 1706 laut Vertrag zwischen
Karl VII. von Schweden und Kaiser Joseph I. zugestanden worden war. Der Fußweg
von Schreiberhau nach Hirschberg wäre zwar weiter, aber bei der vorgeschrittenen
Jahreszeit besser zu gehen gewesen als der beschwerliche "Kirchweg"
über das Gebirge. Doch das junge Paar hatte sich für die Zufluchtskirche
in Sachsen entschieden.
Es soll wenige Tage vor dem heiligen Abend gewesen sein, als das Brautpaar zu
seiner Kopulierung aufbrach, nachdem es sich zuvor beim katholischen Pfarrer
in Schreiberhau den "Permissionszettel" (Erlaubnisschein) abgeholt
hatte, ohne den auf Grund landesherrlichen kaiserlichen Gebots die Trauung nicht
vollzogen werden durfte. Es hatte im Gebirge noch nicht viel Schnee gelegen,
doch war das Wetter dunstig trüb und kalt gewesen. Bis zum Branntweinstein
auf der Kammhöhe war das sich liebende Paar rüstig vorangekommen,
doch hatte es unterwegs zu schneien begonnen und sich ein starker Wind erhoben,
der sich aber auf der ungeschützten Kammhöhe zum Sturm mit dichtem
Schneetrieben steigerte. Das Vernünftigste wäre nun gewesen, sofort
umzukehren und ins Tal zurückzugehen, doch das junge Paar hoffte offenbar,
nach Überschreiten der Kammhochfläche im Schutze des Hochwaldes wieder
sicheren Weg zu finden. Bei dem mit unbändiger Gewalt tobenden Schneesturms
aber hatte das Brautpaar bald die Orientierung verloren, war vom Wege abgekommen
und stundenlang in dem urigen und felsigen Gebirgsstocke hin und her geirrt,
bis es schließlich vollkommen erschöpft bei einem hohen Felsblocke
mit dachartigem Vorsprung etwas Schutz vor dem rasenden Sturm gefunden hatte.
Hier hatte der Bräutigam, da inzwischen die Dunkelheit eingebrochen war,
eine Höhle in den Schnee gegraben, in der sie die Nacht verbringen und
am frühen Morgen ins Tal zurückkehren wollten. Dabei waren sie eingeschlafen
und erfroren.
Seitdem heißt dieser Felsen am Iserkamm in der Nähe der Abendburg
der "Brautstein" und es war Brauch geworden, dass junge Paare, die
den Bund fürs Leben schließen wollten, vor ihrer Eheschließung
zu dem Felsblock auf der Kammhöhe pilgerten und dort zur Erinnerung an
das sich liebende Paar Blumen niederlegten. Auf dieser historischen Begebenheit
fußend, schrieb während des zweiten Weltkrieges die Dichterin Margarete
Passon-Darge in Schreiberhau die geschichtliche Winternovelle "Der Hochzeitsweg",
die in ihrer schönen Sprache und Schilderung an Adalbert Stifters wundersame
Weihnachtserzählung "Bergkristall" erinnert. Die Dichterin, welche
während ihres Aufenthaltes in Schreiberhau das sogenannte "Berghäuschen"
an der Hochsteinlehne (Iserkamm) nahe der Försterei "Am Schwarzen
Berge" dicht unterhalb der Sudetenstraße Schreiberhau-Flinsberg bewohnte,
wollte mit dieser Novelle, wie sie in ihrem "Schreiberhauer Tagebuch"
bekennt, ihre Dankesschuld dafür abtragen, was ihr diese Landschaft das
Jahr über in die Seele gesungen hatte. Wörtlich schrieb sie: "Der
Landschaft vor allem soll diese Erzählung gelten; das Menschliche soll
ihr würdig sein, einfach und groß, denn darin liegt das Geheimnis
des Echten." Und auf dem Schutzumschlag des Buches, das 1947 im Verlag
P. Kuppler, Baden-Baden bereits in zweiter Auflage erschien und seitdem leider
restlos vergriffen ist, steht: "In diesem edlen und schönen Buch ist
verlorener Heimat ein unvergängliches Denkmal gesetzt. Das Land in dem
solche Dichtung geschrieben wird, mag an äußeren Gütern arm
sein, das Unverlierbare ewigen Geistes strömt in um so vollkommeneren Akkorden."
Die Dichterin erwähnt in ihrer Erzählung den Ort Schreiberhau namentlich
nicht, auch nicht den Namen der beiden Gebirge (Riesen- und Isergebirge), die
das weitläufige Gebirgsdorf umrahmen, der ortskundige Leser aber erkennt
unschwer den Schauplatz der Handlung, z. B. wenn sie vom Isergebirge in der
Einleitung der Novelle schreibt: "Ein Brudergebirge steht ihm (dem Riesengebirge)
nördlich gegenüber, von geringerer Höhe, doch ebenso rauh herben
Wesens. Ehe es westlich entweicht, verbindet sich der niedrigere mit dem höheren
Bergzug. Zwischen ihnen, wie sich öffnende Hände, liegt das Tal; darinnen
das Dorf." Heimatliteraturkundige Leser bemerken sogar, dass Margarete
Passon-Darge die beängstigend kargen, ja widerlichen Lebensverhältnisse
des Bräutigams in dichterischer Freiheit mit eben denselben Farben und
Details ausgemalt hat, mit denen der Schreiberhauer Hauptlehrer Wilhelm Winkler
in "Erinnerungen aus meinem Leben" (1920) seine verzweifelt bedrückende
Weißbachtaler Junglehrerzeit ab 1861 beschrieb. Bemerkenswerterweise ist
von sämtlichen Heimatlandkarten nur in der von ihm für seine Heimatgeschichte
gedruckten Karte 1:25 000 der Brautstein namhaft eingetragen.
Der Titel des Buches "Der Hochzeitsweg" bezieht sich auf den beschriebenen
"Kirchweg" über den Hohen Iserkamm nach der ehemals sächsischen
Oberlausitz mit den damaligen evangelischen Zufluchtskirchen in Meffersdorf,
Gebhardsdorf und Wiesa. Wie der Meffersdorfer Oberpfarrer und Chronist Johann
Ehrenfried Frietsche (1726 1796) berichtet, hielt sich von Schreiberhau,
seitdem die Stadt Hirschberg die evangelische Gnadenkirche zum Kreuze Christi
besaß, nur noch die Glasmacherfamilie Preußler zur Kirche in Meffersdorf,
welche dem Gotteshaus 1686 die Orgel, 1692 mehrere große Glasfenster und
1731 den vor dem Altar hängenden Kronleuchter schenkte. Am Schlusse dieses
Aufsatzes sei noch erwähnt, dass der letzte deutsche Forstmann im Revier
"Hochstein", in welchem der "Kirchweg" zwischen Hochstein
(1058 in) und der Abendburg über die Hochfläche des Iserkammes verläuft,
der Schreiberhauer Heimatfreund Rudolf Rondthaler war (jetzt wohnhaft in Seevetal,
Zum Müllerbek 20), der durch seine zahlreichen Veröffentlichungen
zur Schreiberhauer Heimatgeschichte bekannt ist. Aus einer Anzahl neuer Farbfotos,
die Herr Rondthaler vom Hohen Iserkamm aufnehmen ließ und freundlicherweise
dem Verfasser dieses Beitrages leihweise zur Verfügung stellte, ist ersichtlich,
dass der Wald auf dem Gebirgskamm vollständig abgestorben ist. Das vom
Graswuchs stark überwucherte Kirchwegel, das kaum noch erkennbar ist, führt
unter den gebrochenen und vertrockneten Baumstämmen dahin. Es sind auf
den Bildern auch einige Felsblöcke in der Nähe des Kirchwegels zu
sehen, von denen einer mit balkonartigem Vorsprung der erwähnte "Brautstein"
sein kann. Genaueres müsste jedoch noch von Ortskundigen erkundet werden,
vorwiegend von ehemaligen Waldarbeitern und Holzrückern, die Revierförsteranwärter
Rondthaler 1945 / 46 zum kleinen Teil aus Schreiberhau, zum größeren
Teil aus Seifershau gewonnen hatte.
Vielleicht würden dann die in der alten Heimat