Quelle: "Aus Rünezahls Heimat", Jahrgang 1955
Originalauszüge aus der Zeitung "Bohemia", Prag, vom Jahre 1847.

Die Hungersnot 1847

"Trautenau am 29. April 1847.   Während aus allen Teilen unseres Vaterlandes Nachrichten über den Notstand und Teuerung veröffentlicht werden, so schwiegen wir bisher, nicht etwa deshalb, dass unsere Stadt eine Ausnahme wäre, sondern aus dem Grunde, weil wir es für besser halten, statt viel zu veröffentlichen, in der Tat zu helfen und die Notleidenden zu unterstützen.

Die Not in unserem Riesengebirge nimmt zu, der Erwerb und Handel nimmt ab. Das Baumwollgeschäft, der bisher einzige Erwerb der Lohnweber, wird von Tag zu Tag schlechter. Die Fabrikanten ziehen viele Webstühle ein und es herrscht ein Stillstand im sämtlichen Geschäftsleben. Man sieht bange in die Zukunft. Die Lebensmittel steigen und stehen heute hoch im Preise. So kostet das Korn nach dem Bericht des letzten Wochenmarktes ein Strich 18 fl. 51 Kreuzer Wiener Währung. Im benachbarten Schlesien, wo die Not noch größer ist, sind die Preise noch höher. Für die Erwerbslosen und deren Armut ist ein Ankauf zu solchen Preisen nicht möglich. Auch hierorts hat man, um ein billigeres Brot zu backen, Brotsurrogate versucht. In Kukus hat man Weizenstroh mahlen lassen und dieses Strohmehl dem Körnermehl in kleinen Mengen beigemischt. Im Gebirge stampft man Heu zu Mehl und mischt es mit dem Korn- und Hafermehl. 1 Pfd. Pferdefleisch kostete in der Umgebung 3 – 5 Kreuzer Wiener Währung. In diesen Tagen verendete einem Bauern eine Kuh. Kaum hatte der Wasenmeister die Haut abgezogen, teilten sich die Notleidenden das Fleisch und es war schnell weg, ehe die Polizei imstande war, dies abzuwehren.

Die große Not hat auch noch andere Folgen. Ein Weib hat beim Betteln bei einem Bauern ein Kind zurückgelassen und holte es nicht mehr ab. Nachforschungen ergaben, dass diese Frau aus Starkenbach war und in Ihrer Not gehandelt hat. Gestern fand man auf einer Bank neben der Kirche ein schlafendes Kind, 2 Jahre alt, welches von einer verzweifelten Mutter dorthin gelegt wurde. Diese Mutter konnte nicht ausgeforscht werden. Mitten in diesen herzbrechenden Ereignissen leuchtet Hoffnungsstrahl einer besseren Zukunft. Seine kaiserliche Hoheit, unser innigst geliebter Landeschef, wirkt auch hier wie überall wie ein Schutzengel. Er gedachte auch der Bevölkerung und der Notleidenden des Riesengebirges, indem er den großartigen Bau der Gebirgsstraße ins Leben rief, wodurch der Armut ein Erwerb zukommen wird. Tausende von Händen warten auf den Wink zum Beginn dieser Arbeit. So sendet der Himmel in den größten Tagen der Not seinen Schutzengel, der helfen will. Nebst dem hat auch unser hochverehrter Herr Kreishauptmann mit hoher Genehmigung die Rekonstruierung der landartigen Straße von Trautenau gegen Joromersch an der Elbe eingeleitet, welche sich bisher in unbefahrbarem Zustande befand. Der Bau wird schon in wenigen Wochen beginnen und den ganzen Sommer andauern. Auch bei dieser Arbeit wird die Armut einen Erwerb finden. Für solche liebevolle Vatersorgen dankt die notleidende Bevölkerung mit Tränen, die im stillen fließen."


Bericht aus Marschendorf

(6. 5. 1847)   "Im Riesengebirge hat die Teuerung und Hungersnot so zugenommen, daß täglich große Mengen von Kindern und auch alte arme Leute die Häuser ablaufen und betteln um Brot, um den Hunger zu stillen, da sie sich an Kleie, aus der sie Kuchen (Kleiekuchen) backen, nicht genug satt essen können. Zur Broterzeugung wird, um Roggenmehl zu sparen, Heumehl beigemischt. Dieses Heumehl wird erzeugt durch Zerstampfen des trockenen Heues in großen Mörsern. Ein sehr feines Heumehl wird auch durch Zermahlen des Heues in Handmühlen erzielt; solche Mühlen haben viele Bauern im eigenen Hause zum Mahlen des Getreides. Dieses Heubrot wird gebacken aus einer Mischung von 3 Pfund Heumehl 1 ½ Kr. W. W. = 4 ½ Kr. W. W., 1/8 schwarzes Roggenmehl 48 Kr. W. W., zusammen 52 ½ Kreuzer W. W.

Daraus wurden erzeugt 9 Pfund Brot. So kostet mit den Erzeugniskosten 1 Pfund Mischbrot 6 Kreuzer Wiener Währung. Nach dem Trautenauer Marktpreise hat infolge der Teuerung ein Pfund Schwarzbrot (ohne Heumehl) den Preis von 10 Kreuzern erreicht. Somit bei Mischbrot mit Heumehl eine Ersparnis von 4 Kreuzern bei einem Pfund Brot. In den gegenwärtigen Zeitverhältnissen und der Teuerung ist dieses Mischbrot eine Wohltat für die ohne Geld dastehenden und hungernden Menschen. Trotz der widrigen Farbe hat dieses Brot einen guten Geschmack.

Die Preise der Lebensmittel steigen ständig. Es kosten 1 Strich Kartoffeln 7 fl. 30 Kr. W. W., Kleie 1 Strich 4 fl. W. W., und müssen diese noch meilenweit abgeholt werden. Oft kommt es vor, daß man auch für Geld Kleie und Kartoffel nicht erhalten kann. Die Teuerung und Not hat auch mit sich gebracht, daß viel Lebensmittel gestohlen werden. Man hofft, daß nach glücklicher Einbringung der heurigen Ernte die Not und Teuerung sich mildert und nachläßt."

< Inhalt >

© Copyright 2012, www.riesengebirgler.de