Riesengebirgs-Heimatbuch mit Kalender für das Jahr 1951, "Aus Rübezahls Heimat"

Gebirgsfuhrwerk

Rucksacktragen und Schlittenfahren ist dir gewiss nichts Neues. Aber wenn du wissen willst, wie lebensnotwendig oft derlei Beschäftigung sein kann, musst du den Gebirgler, den Bewohner der hochgelegenen Bauden fragen. Was dir Vergnügen bedeutet, ist ihm meist harte, nur gestähltem Körper mögliche Mühe.

Auf der Kraxe, einem hölzernen Traggestell, oder im Rucksack schleppt er zu Berge, was er für Butter und Käse im Tale an notwendigsten Lebensmitteln und andern Waren eingehandelt hat. Es ist keine Seltenheit, dass er auf diese Weise Lasten bis zu 50 kg und mehr die steilsten Gebirgspfade mit größter Ausdauer emporträgt. Was für Freude und Staunen, wenn er daheim auspackt!

Ebenso unentbehrlich ist dem Baudenmann der Hörnerschlitten, ein vielverwendbares Lasttier, das kein Futter braucht. Die Zierlichkeit seines vornehmen Bruders, des Sportschlittens, geht ihm ab. Dafür ist er mit, seinen zu Hörnern aufgebogenen Kufen äußerst handfest und hält schon einen tüchtigen Puff aus. Zimperlich darf er freilich nicht sein bei seinem harten Dienst.

Schon der Sommer stört ihn zuweilen aus seiner Hundstagsruhe. Da muss er, auf kleine Räder gesetzt, hinauf auf die Hönige, das ist eine ärmliche Hochwiese, die alle 4 bis 6 Jahre einmal kärgliche Ernte kurzen, harten Grases, Wolf genannt, liefert. In große Tücher gepackt, wird das Heu aufgeladen und schnell geht es, wenn auch nicht auf schlittenehrlicher Schneebahn, den Abhang hinab.

Die rechte Schlittenarbeit bringt erst der Winter. Während der Sommer- und Herbstzeit haben fleißige Waldarbeiter allerlei Nutzholz in den meist hochgelegenen Schlägen aufgestapelt. Tief unten im Tale zieht die Straße. Weiter kommt das Fuhrwerk nicht. Nur des Menschen Kraft und Geschicklichkeit sind imstande, die Holzlasten bergniederwärts zu befördern.

Schnell und geschickt ist das Beladen des Hörnerschlittens geschehen, die Last mit Ketten und Stricken wohl gesichert. Der Lenker ist zum "Rücken" bereit. Fest greifen die Hände um die Mitte der Hörner, ein Ruck – und der "Rutsch" geht los. Der Oberkörper wird zurückgebeugt, mit ganzer Sohle stemmen sich die Füße an, um zu lenken und zu hemmen. Da – die Fahrt wird immer rascher – es droht der Schlitten, den Mann zu überrennen: blitzschnell schleudert der Führer eine bereitgehaltene Kette unter die Kufen des Schlittens. Jede Sekunde ist gespanntes Schauen. Jetzt heißt es rechts, jetzt linkshin wenden, jetzt muss gebremst werden, jetzt kann es in voller Fahrt weitergehen! Es gehört jahrelange Übung dazu, einen vollbeladenen Schlitten ungefährdet ins Tal zu bringen, wenn auch noch rückwärts angehängte Klötzer, die "Kluppe", hemmen helfen oder das Langholz mit seinem schwachen Ende auf der Schneebahn schleift. Die mühsam und nicht ohne Gefahr beförderte Fracht deckt später als Schindeln das Bauernhaus ein, kommt in die Holzschleife öder wird dem glühenden Rachen des Ofens geopfert.

Aber auch du kannst dich einmal auf den Hörnerschlitten setzen und eine Talfahrt wagen. Schau dich vorher noch um in Rübezahls Reich! Dort steht eine Baude im Rauhreif. Ist sie in ihrer funkelnden Pracht nicht gleich dem Palaste der Eiskönigin? Dort wieder schimmert der Wald wie ein Weihnachtsmärchen und anderswo staunst du vereiste Wegstangen und Felsblöcke an, die der Berggeist mit seinem Zauberstab in allerlei abenteuerliche Gestalten verwandelt hat.

Doch nun aufgesetzt! Von der böhmischen Grenzbaude bei Kleinaupa geht, die Fahrt nach dem schlesischen Schmiedeberg, und ein Weg, zu dem du marschierend zwei Stunden brauchst, ist in 10 Minuten zurückgelegt. Der Wind saust um die Ohren, fast stockt der Atem, kaum nimmst du zu Seiten der Bahn Wald und Haus wahr, und wenn der Schlitten einen tüchtigen Hops macht, dann ist er mit dir sicher zwei Meter weit durch die Luft geflogen. Staunend guckst du deinen Schlittenführer an. Du bist kein Hasenfuß, aber das kannst du nicht, Hörnerschlittenfahren.

Noch etwas anderes, was jedes Gebirgskind von Jugend auf versteht, magst du versuchen, wenn du Gelegenheit dazu hast: das Schneeschuhlaufen. Noch vor 50 Jahren waren Ski im Gebirge ganz unbekannt, und man benützte Reifen aus Birken- oder Eichenholz. Die mit Schnüren übersponnen waren, um auf dem Schnee zu gehen. Tritt in eine Gebirgsschule zur Winterszeit ein! Oft stundenweit sind die Kinder zutal gekommen von den Baudensiedlungen. Im Vorhause kannst du Schneeschuhe und Rodelschlitten in reicher Zahl schauen, welche die Buben und Mädchen meist im grauenden Morgen, wo sich manch Stadtkind, im Bette noch einmal herzhaft dehnt, dem Schulhause entgegengetragen haben. Und sieh: durch solche Übung wurde das Kind des Riesengebirges ein gesunder, starker und mutiger Mensch, der seine kärgliche Scholle lieb hat, ob ihn auch manchmal der Wintersturm hart anfasste und sein Häuschen mit Schneelast schier zu erdrücken drohte. Wie du freute er sich auf den Frühling, der freilich oft erst im Mai bei ihm einkehrte.

M. Wanka und E. Redlich


Das nachstehenden Foto stellt Franz Kirchschlager, aus Kleinaupa, Schatzerloch Nr. 85 dar.
Auf dem Foto sind sehr schön die Bremsketten sichtbar.
Das Foto wurde von Frau Köstler eingereicht.


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