In der Heimat, eine Beilage
zur Trautenauer Zeitung Volksboten, erschien im Jahre 1921 eine Beitrag
von dem Landeskonservator Dr. Kühn aus Prag über die Gestaltung
der noch zu errichtenden Denkmäler zu Ehren der Gefallenen und Vermissten
des I. Weltkrieges:
- Für unsere Gefallenen und die Öffentlichkeit ist das Beste gerade gut genug.
Übereilt daher keine Denkmalserrichtungund lasst dem Künstler Zeit, sein Werk
ausreifen zu lassen. Ihr schafft für kommende Jahrhunderte und nicht für die
Einweihung.
- Wollt ihr unseren Gefallenen Gedenkzeichen errichten, so knüpft an die
Überlieferungen unserer Altvordern an. Begreift den Grund der Wirkung ihrer
Werke, ohne etwa ihre Formen ängstlich und äußerlich nachzuahmen. Die
Sprache in den Schöpfungen unserer Väter war tiefernst und innerlich, sie
war treuherzig, warm und herzenseinfältig, sie klang aus der "Werkstatt"
für das Volk und nicht, wie heute, weltfremd aus dem "Atelier" für
die überreizten und verbildeten Sinne des großstädtischen "Intellektuellen".
Damit bewahren wir in der Kunst deutsche Art, eine Forderung, die heute doppelt
geboten ist.
- Fordert von Künstlern handwerkliche Gesinnung und Erfahrung; sie verbürgt
Wahl des richtigen Werkstoffes und entwickelt aus der Eigenart des Rohstoffes
die künstlerische Form. Das bedeutet: künstlerischen Wert und mit ihm Dauerhaftigkeit.
Durch die handwerkliche Güte, die zugleich ihre Haltbarkeit bedingte, erscheinen
uns die überkommenen Werke unserer Väter fast ausnahmslos künstlerisch so
wertvoll.
- Jedes Denkmal sei eine Besonderheit, wie jedes Dorf und jede Stadt in baulicher
und landwirtschaftlicher Hinsicht ihr Besonderes hat, ebenso wie die Menschen,
die darin wohnen.
- Der Standort bestimme immer die Form des Denkmals, seine Größe, seinen
Werkstoff und seine Stimmung. Stets sei als Standort eine bezeichnende Eigentümlichkeit
des Ortes gewählt, die Dorflinde, die ehrwürdige Kirche oder das alte Rathaus,
ein Glockenturm oder ein malerischer und charaktervoller alter Platz. Der
Allerweltsplatz vor dem Bahnhof und sehr häufig auch der Friedhof unterscheiden
sich nicht von denen der Nachbargemeinden.
- Da also jedes Denkmal von Fall zu Fall besonders zu gestalten ist, so greift
nie zum seelenlosen Massenartikel; zur industriellen Dutzendware, die euch
gewissenlose Händler als „Fertigfabrikate“ anpreisen; das heißt
unsere Gefallenen billig und schlecht, faul und gedankenlos "ehren",
ist keine Ehre und ihrer unwürdig.
- Selbst die bescheidenste Aufgabe sei in die Hände eines Künstlers gelegt.
Auch der einfachste Mann aus dem Volke, der im Kampfe für uns fiel, hat ein
Anrecht darauf, dass ein Künstler und kein Stümper für seinn Andenken schafft.
- Der Begriff "Denkmal" sei nicht "eng" gefasst. Nicht
nur ein figürliches Gebilde, vor allem nicht die trauernde Germania auf dem
Granitsockel als billige Dutzendwiederholung, sondern auch eine Gedenktafel,
ein Brunnen, ein Bildstock, ein Epitaph, ein Glasfenster und ein Wandgemälde
können Denkmal sein.
- Pflanzt keine Heldenhaine! Der gutgemeinte Gedanke ist literarisch und unbildmäßig,
d. h. unkünstlerisch. Denn sie werden aussehen wie Baumschulen, erst in hunderten
von Jahren den Namen „Hain“ verdienen und auch dann in nichts
ihren Zweck erkennen lassen und die Raupen und die Dürre können sie fressen.
Nehmt bei Gedächtnisstätten in der Landschaft die Erde als schier unvergänglichen
Baustoff. Ein in seinem Umriß wohl abgewgener Hügel, den ein einfaches
Steinmal krönt, ein kräftiger Wall, der einen Denkstein umschließt,
heben sich aus der Natur als Werke der bewußt schaffenden Hand heraus
und sich im Gegensatz zu einem Hain als Denkmal kenntlich. Unsere Schuljugend
kann bei ihrem Bau helfen, aber immer nach Plan und Standtortbestimmung eines
Künstlers.
- Vermeidet Allegorien und verwendet allgemein verständliche Symbole, z. B.
eine von klassischen Faltenwurf umflossene Frauengestalt mit einer Keule als
Verkörperung der Stärke ist eine blasse und schwer verständliche Allegorie,
dagegen Jung-Siegfried, der das Schwert schmiedet, ein bildkräftiges Symbol.
- Stellt tunlichst Menschen unserer Zeit und ihrer Tracht und bei ihren Handlungen
in künstlerische Form dar, d. h. vereinfacht ihre Erscheinung durch Hervorheben
des Wesentlichen und unter Fortlassung des Nebensächlichen. Verlangt vom Künstler,
dass er auch der Darstellung der neuzeitlichen Waffe Wirkungen abgewinnt.
Plündert nicht die Welt der Griechen, um einen braven deutschen Bauernburschen
zu ehren, der für die väterliche Scholle fiel.
- Trotz ihrer sonstigen Verschiedenheit sollen alle Denkmalschöpfungen Volkstümlichkeit
genießen, mag über ihnen die Dorflinde rauschen oder der Lärm des Fabrikhofes
sie umfangen, mögen sie am Dorfkirchlein oder im städtischen Dom stehen.
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