Wie sollen wir unsere Kriegsgefallenen ehren?

In der Heimat, eine Beilage zur Trautenauer Zeitung Volksboten, erschien im Jahre 1921 eine Beitrag von dem Landeskonservator Dr. Kühn aus Prag über die Gestaltung der noch zu errichtenden Denkmäler zu Ehren der Gefallenen und Vermissten des I. Weltkrieges:

  1. Für unsere Gefallenen und die Öffentlichkeit ist das Beste gerade gut genug. Übereilt daher keine Denkmalserrichtungund lasst dem Künstler Zeit, sein Werk ausreifen zu lassen. Ihr schafft für kommende Jahrhunderte und nicht für die – Einweihung.


  2. Wollt ihr unseren Gefallenen Gedenkzeichen errichten, so knüpft an die Überlieferungen unserer Altvordern an. Begreift den Grund der Wirkung ihrer Werke, ohne etwa ihre Formen ängstlich und äußerlich nachzuahmen. Die Sprache in den Schöpfungen unserer Väter war tiefernst und innerlich, sie war treuherzig, warm und herzenseinfältig, sie klang aus der "Werkstatt" für das Volk und nicht, wie heute, weltfremd aus dem "Atelier" für die überreizten und verbildeten Sinne des großstädtischen "Intellektuellen". Damit bewahren wir in der Kunst deutsche Art, eine Forderung, die heute doppelt geboten ist.


  3. Fordert von Künstlern handwerkliche Gesinnung und Erfahrung; sie verbürgt Wahl des richtigen Werkstoffes und entwickelt aus der Eigenart des Rohstoffes die künstlerische Form. Das bedeutet: künstlerischen Wert und mit ihm Dauerhaftigkeit. Durch die handwerkliche Güte, die zugleich ihre Haltbarkeit bedingte, erscheinen uns die überkommenen Werke unserer Väter fast ausnahmslos künstlerisch so wertvoll.


  4. Jedes Denkmal sei eine Besonderheit, wie jedes Dorf und jede Stadt in baulicher und landwirtschaftlicher Hinsicht ihr Besonderes hat, ebenso wie die Menschen, die darin wohnen.


  5. Der Standort bestimme immer die Form des Denkmals, seine Größe, seinen Werkstoff und seine Stimmung. Stets sei als Standort eine bezeichnende Eigentümlichkeit des Ortes gewählt, die Dorflinde, die ehrwürdige Kirche oder das alte Rathaus, ein Glockenturm oder ein malerischer und charaktervoller alter Platz. Der Allerweltsplatz vor dem Bahnhof und sehr häufig auch der Friedhof unterscheiden sich nicht von denen der Nachbargemeinden.


  6. Da also jedes Denkmal von Fall zu Fall besonders zu gestalten ist, so greift nie zum seelenlosen Massenartikel; zur industriellen Dutzendware, die euch gewissenlose Händler als „Fertigfabrikate“ anpreisen; das heißt unsere Gefallenen billig und schlecht, faul und gedankenlos "ehren", ist keine Ehre und ihrer unwürdig.


  7. Selbst die bescheidenste Aufgabe sei in die Hände eines Künstlers gelegt. Auch der einfachste Mann aus dem Volke, der im Kampfe für uns fiel, hat ein Anrecht darauf, dass ein Künstler und kein Stümper für seinn Andenken schafft.


  8. Der Begriff "Denkmal" sei nicht "eng" gefasst. Nicht nur ein figürliches Gebilde, vor allem nicht die trauernde Germania auf dem Granitsockel als billige Dutzendwiederholung, sondern auch eine Gedenktafel, ein Brunnen, ein Bildstock, ein Epitaph, ein Glasfenster und ein Wandgemälde können Denkmal sein.


  9. Pflanzt keine Heldenhaine! Der gutgemeinte Gedanke ist literarisch und unbildmäßig, d. h. unkünstlerisch. Denn sie werden aussehen wie Baumschulen, erst in hunderten von Jahren den Namen „Hain“ verdienen und auch dann in nichts ihren Zweck erkennen lassen und die Raupen und die Dürre können sie fressen. Nehmt bei Gedächtnisstätten in der Landschaft die Erde als schier unvergänglichen Baustoff. Ein in seinem Umriß wohl abgewgener Hügel, den ein einfaches Steinmal krönt, ein kräftiger Wall, der einen Denkstein umschließt, heben sich aus der Natur als Werke der bewußt schaffenden Hand heraus und sich im Gegensatz zu einem Hain als Denkmal kenntlich. Unsere Schuljugend kann bei ihrem Bau helfen, aber immer nach Plan und Standtortbestimmung eines Künstlers.


  10. Vermeidet Allegorien und verwendet allgemein verständliche Symbole, z. B. eine von klassischen Faltenwurf umflossene Frauengestalt mit einer Keule als Verkörperung der Stärke ist eine blasse und schwer verständliche Allegorie, dagegen Jung-Siegfried, der das Schwert schmiedet, ein bildkräftiges Symbol.


  11. Stellt tunlichst Menschen unserer Zeit und ihrer Tracht und bei ihren Handlungen in künstlerische Form dar, d. h. vereinfacht ihre Erscheinung durch Hervorheben des Wesentlichen und unter Fortlassung des Nebensächlichen. Verlangt vom Künstler, dass er auch der Darstellung der neuzeitlichen Waffe Wirkungen abgewinnt. Plündert nicht die Welt der Griechen, um einen braven deutschen Bauernburschen zu ehren, der für die väterliche Scholle fiel.


  12. Trotz ihrer sonstigen Verschiedenheit sollen alle Denkmalschöpfungen Volkstümlichkeit genießen, mag über ihnen die Dorflinde rauschen oder der Lärm des Fabrikhofes sie umfangen, mögen sie am Dorfkirchlein oder im städtischen Dom stehen.

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