von Mitlöhner
Ziemlich genau zehn Kilometer südlich
der Schneekoppe, von ihr getrennt durch das tief eingeschnittene Tal der Grossen
Aupa, erhebt sich als weit nach Süden vorgeschobener Ausläufer des
Riesengebirgs-Hauptkammes der Schwarzenberg. Sein lang gestreckter Rücken
mit einer Seehöhe von 1300 Meter trägt ein kleines Hochmoor, das auch
in trockenen Sommermonaten einen ausreichenden Wasserspeicher darstellt und
damit wohl die Grundlage für das Entstehen menschlicher Siedlungen abgegeben
hat. Durch den Hauptkamm des Riesengebirges, dessen Baumgrenze bei 1200 Meter
liegt, vor den rauhen Nordstürmen geschützt, ist der Schwarzenberg
bis zu seinem Gipfel dicht bewaldet. Gerade dieser Umstand hat wahrscheinlich
schon in der Frühzeit Holzfäller und Waldarbeiter angelockt, die den
Wald rodeten, Wiesen anlegten, kleine Hütten oder Bauden errichteten, in
welchen sie wohnten und die auch ihren kleinen Bestand an Vieh beherbergten.
So entstanden am Schwarzenberg fünf Gruppen von Siedlungen: am Nordhang
die Schwarzschlagbauden, am Osthang die Zinneckerbauden und Kühnelbauden,
am Südhang die Ochsenbauden und in tieferer Lage die Spiegelbauden. Jede
dieser Siedlungsgruppen hat ihre besondere landschaftliche Eigenart. Der Südhang
mit den Ochsenbauden und Spiegelbauden sowie auch der Osthang mit den Zinneckerbauden
und Kühnelbauden fällt steil ab in die böhmische Ebene und gewährt
einen einzigartigen Fernblick in dieselbe. Der Nordhang mit den Schwarzschlagbauden
gestattet einen imposanten Blick auf den Hauptkamm des Riesengebirges. Von der
Gegend des Liebauer Sattels über die Grenzbauden, Schneekoppe, Brunnberg,
Hochwiesenberg, Ziegenrücken bis weit nach Westen zur Kesselkoppe kann
der Blick ungehindert schweifen, und wer es sich nicht verdrießen lässt
und den am Gipfelpunkt des Schwarzenberges stehenden Holzturm der Landesvermessung
erklettert, kann bei klarer Sicht in weiter Ferne den Jeschken erblicken.
Als gegen Ende des vorigen Jahrhunderts das Wandern und die Touristik immer
mehr Liebhaber fanden, wurde auch der Schwarzenberg ein von vielen Touristen
bevorzugtes Ausflugsgebiet, und bald sollte sich die Notwendigkeit ergeben,
auch hier eine der vorhandenen Bauden zur Beherbergung und Verpflegung von Wanderern
einzurichten. Dies hatte Robert Bönsch, der damals in Gross-Aupa eine Gastwirtschaft
mit Fleischerei betrieb und ein Bruder des Gründers der Wiesenbaude, Vinzenz
Bönsch, ist, bald erkannt. Es gelang ihm, im Jahre 1888 das Haus Nr. 47
auf den Schwarzschlagbauden, das damals als Hegerhaus in Verwendung stand, von
seinem Besitzer Sagasser zu erwerben. Er richtete hier eine Gastwirtschaft mit
Fremdenzimmern ein und benannte dieses Haus von nun ab "Schwarzschlagbaude".
Diese war zunächst nur in den Sommermonaten geöffnet, wie dies auch
bei vielen anderen Riesengebirgsbauden damals der Fall war. Für den dauernd
zunehmenden Fremdenverkehr erwiesen sich bald die vorhandenen Räumlichkeiten
als zu klein und es wurde im Jahre 1900 von der Baude getrennt und östlich
von ihr ein besonderer Speisesaal errichtet. Ein kleiner Aussichtsturm, den
man ihm anfügte und welcher mit Fernrohr und Landschaftsspiegel ausgestattet
wurde, erlaubte einen besseren Rundblick über das weitgespannte Panorama
des Riesengebirgskammes. Dieser Vergrößerung des Restaurationsraumes
folgte im Jahre 1901 auch eine Vermehrung der Fremdenzimmer. Es wurde westlich
von der Baude und ebenfalls von ihr getrennt ein nur mit Fremdenzimmern ausgestatteter
Bau errichtet und-mit dem Namen "Wanderers Ruh´" versehen.
Damit war für viele Jahre die Bautätigkeit im wesentlichen beendet.
Die Baude in dieser Form verfügte über 14 Fremdenzimmer mit 35 Betten
und 15 Schlafplätzen im Massenlager. Im Jahre 1905 erhielt die Baude als
eine der ersten Telefonanschluß an das Postamt Johannisbad.
Wie gesagt, war die Baude zunächst ein reiner Sommerbetrieb. Seit dem Jahre
1900 aber hatten Rodel- und Skisport einen dauernden Aufschwung genommen. Beide
Sportarten waren volkstümlich geworden, so dass man sich im Jahre 1908
entschloss, die Baude auch im Winter geöffnet zu halten. Es wurden zwei
je vier Kilometer lange Rodelbahnen angelegt. Die eine führte auf dem Glockenwege
nach Johannisbad, die andere durch den Urlasgrund nach Gross-Aupa. Damit war
aus bescheidenen Anfängen ein ganzjährig laufender Baudenbetrieb entstanden,
der sich bei der einheimischen Bevölkerung bald größter Beliebtheit
erfreute und zahlreiche Prager und Breslauer Wintersportler zu seinen Stammgästen
zählte. Viele der älteren Generation werden sich noch an die gemütlichen
Baudenabende erinnern, auf welchen der immer heitere Zitherspieler seine Melodien
zum Vortrag brachte, die Paare sich drehten und der Becher kreiste, bis der
Zeiger der Uhr zum Aufbruch mahnte. Auf schnellem Schlitten, bei strahlendem
Mondschein ging es in wenigen Minuten durch den tiefverschneiten Winterwald
zu Tale. Die Jugend zog es vor, auf schnellem Ski in sausender Fahrt über
die baumlosen Wiesenflächen das Tal zu erreichen.
In der weiteren Aufwärtsentwicklung des Unternehmens trat durch den ersten
Weltkrieg zunächst ein Stillstand ein. Bald nach demselben setzte jedoch
eine um so größere Belebung des Verkehrs, besonders aber des Wintersports,
ein, und als im Jahre 1927/28 die Erbauung der ersten Drahtseil-Schwebebahn
des Riesengebirges von Johannisbad auf den Schwarzenberg Tatsache wurde, war
es Zeit, die alte Schwarzschlagbaude als veraltet zu betrachten und diese durch
einen Neubau zu ersetzen, der allen Anforderungen eines verwöhnten Sportpublikums
entsprechen sollte.
Schon im Sommer 1927, besonders aber im Winter 1927/28, wurde das Baumaterial
angefahren, und im zeitigen Frühjahr 1928 begann der Neubau. Auf einer
Grundfläche von 470 Quadratmeter erhob sich bald ein in vier Geschosse
gegliederter Bau: Kellergeschoß, Erdgeschoß mit Küche und Restaurationsräumen,
zwei Obergeschosse mit Fremdenzimmern, und selbst der geräumige Dachraum
musste noch zwei Zimmer aufnehmen. Ausgestattet mit elektrischer Beleuchtung,
Zentralheizung, fließendem Warm- und Kaltwasser in allen Fremdenzimmern
sowie Bad, war die Baude in der Lage, allen Anforderungen der damaligen Zeit
zu entsprechen. Sie bot in den Gasträumen des Erdgeschosses bequem Platz
für 200 Personen. In den beiden Obergeschossen befanden sich 30 Fremdenzimmer
mit 60 Betten, im Dachraum 2 Fremdenzimmer mit 15 Betten.
Weihnachten 1928 fand die Eröffnung der Baude statt, leider ohne ihren
Erbauer und Begründer. Herr Robert Bönsch, der die Bauarbeiten selbst
tatkräftig mit geleitet und überwacht hatte, war kurz vor Inbetriebnahme
des Neubaues einer nur wenige Tage dauernden Krankheit, die er sich wahrscheinlich
durch Erkältung bei den Bauarbeiten zugezogen hatte, erlegen. Es war ihm
nicht gegönnt, den Aufschwung seines Unternehmens und Lebenswerkes in den
nächsten Jahren erleben zu dürfen. Die Seilschwebebahn hatte den Schwarzenberg
zu einem Treffpunkt besonders der Prager Wintersportler gemacht. Von der "Alten
Baude" wurden der Speisesaal und "Wanderers Ruh´" im Jahre
1930 abgebrochen und aus dem gewonnenen Material eine Liegehalle sowie Holzschupfen
und Eiskeller erbaut. Die eigentliche "Alte Baude" wurde weiterhin
als Abstellraum und die vorhandenen 5 Fremdenzimmer als Notquartier bei Überfüllung
der "Neuen Baude" verwendet.
Die geschäftliche Aufwärtsentwicklung hielt unvermindert an bis zum
Jahre 1933. Von da ab setzte eine rückläufige Bewegung ein, verschuldet
durch die immer stärker um sich greifende Wirtschaftskrise in der Tschechoslowakei,
aber auch durch die von Deutschland verfügte Devisensperre, die es deutschen
Gästen unmöglich machte, den böhmischen Teil des Riesengebirges
zu besuchen. Es kam der Anschluss des Sudetenlandes an Deutschland. Der Kreis
der Gäste wechselte. Vor allen Dingen waren es Schlesier der nahegelegenen
Gebiete, zum großen Teil jedoch Breslauer und Oberschlesier, die das Hauptkontingent
der nunmehrigen Gäste stellten. Aber auch Berliner waren zahlreich vertreten,
und selbst Sportler aus der Gegend von Dresden fehlten nicht. Nicht einmal der
Krieg brachte einen Rückgang der Besucherziffern. Besonders die Seilschwebebahn
wirkte anziehend und besuchssteigernd. Sie ermöglichte es dem Sportler,
einen zweistündigen ermüdenden Anstieg vom Tal in die schneesicheren
Lagen durch eine bequeme, gute Aussicht bietende und nur 15 Minuten dauernde
Seilbahnfahrt zu ersetzen.
Dann kam das Jahr 1945 mit seinem verlorenen Krieg und den verheerenden Folgen
des Zusammenbruchs. Fast sechzig Jahre hatten Robert Bönsch, seine Frau
und seine Kinder am Aufbau dieses Unternehmens gearbeitet. Nichts von ihrem.
erarbeiteten Eigentum durften sie bei der Vertreibung aus ihrer Heimat mit sich
nehmen als 50 Kilo Gepäck und die Hoffnung im Herzen, Heimat und Besitz
vielleicht doch noch einmal wiedersehen zukönnen.