Quelle: Riesengebirgs-Buchkalender 1996

Aus der Geschichte alter Riesengebirgsbauden

von Erhard Krause

Als der königlich preußische Ober-Konsistorialrat Johann Friedrich Zöllner, Verfasser eines sehr interessanten Buches über Schlesien, im Sommer 1791 das Riesengebirge besuchte und die Schneekoppe bestieg, befasste er sich in einem Brief, den er am 07. August 1791 aus "Hempels Baude" (Hampelbaude) an seine Frau schrieb, auch sehr eingehend mit den Bauden des Gebirges. Wörtlich schrieb er: "Baude ist die hiesige Aussprache des Wortes Bude (hölzerne Hütte). Solche Gebäude gibt es auf beiden Seiten des Riesengebirges, sowohl der Böhmischen als Schlesischen mehrere. Sie sind die lebhaftesten Bilder von den Sennhütten auf den Alpen ... Alle liegen sie in weiten Entfernungen voneinander, nahe am Rücken des Gebirges, doch nicht ganz auf dem Gipfel desselben, wo sie den Stürmen und den Beschwerden der rauhen Witterung allzusehr ausgesetzt sein würden.

Unter sich haben sie so wenig Zusammenhang, dass nur etwa die nächsten einen besonderen Verkehr miteinander treiben. Eigene Namen führen nur wenige, etwa nach ihren Besitzern, wie diese von den Brüdern Hempel, denen sie gehört, Hempels Baude oder von einen ihrer vorigen Besitzer auch noch Samuels Baude heißt. Die übrigen nennt man gewöhnlich bloß entweder Schlesische oder Böhmische Baude, je nachdem sie auf dieser oder jener Seite liegen, und um sie bestimmter zu bezeichnen, setzt man hinzu, welchem Dorfe sie am nächsten sind. Alle sind sie von übereinanderliegenden Baumstämmen geschrotet. Die in welcher ich dies schreibe, ist ziemlich geräumig. Sie besteht aus einem Flure, einer großen Stube, einer Kammer, einer Küche, einem Kuhstall und einem Heuboden ..."

Außer der Hampelbaude erwähnt Zöllner noch die böhmische Wiesenbaude und die Schnurrbartsbaude (804 m). Von letzterer oberhalb Krummhübel an einem Koppenweg einsam im Walde gelegenen Baudenwirtschaft bemerkt er: "Wir erreichten mit nicht geringer Beschwerlichkeit Christian Georgens oder Schnurrbarts-Baude eine einzelne hölzerne Hütte, dergleichen es auf dieser Höhe des Gebirges mehrere gibt." Näheres über die Entstehungsgeschichte der Schnurrbartsbaude ist nicht bekannt; sie war jedoch sehr alt und zweifellos mit eine der ältesten auf der schlesischen Seite des Gebirges. Der genannte Christian Georgen war sicher einer ihrer früheren Besitzer, während die Bezeichnung "Schnurrbarts-Baude" auf den Spitznamen eines Baudenwirtes hindeutet. Die gemütliche Gastbaude mit Sommerwohnungen und guter Verpflegung war sehr beliebt. Nach einem Brande wurde sie 1923 als Nebenhaus der nebenan gelegenen Teichmannsbaude neu erbaut.

Die Hampelbaude (1253 m), die schon im 17. Jahrhundert das Nachtquartier der Koppenbesteiger war, wird urkundlich 1654 erwähnt. An ihrer Stelle stand ursprünglich eine der ältesten "Winterbauden" auf der schlesischen Gebirgsseite, die als Wohnung für den Wärter des Kleinen Teiches diente. Bis zur Errichtung der Riesenbaude im Jahre 1847 war die Hampelbaude das letzte Einkehrhaus bei den Aufstiegen zur Schneekoppe auf schlesischer Seite und wurde deshalb auch "Koppenbaude", "Letzte Baude" und "Geistliche Baude" genannt. Letzteren Namen führte sie, weil die Mönche aus dem Warmbrunner Kloster, welche den Gottesdienst in der Koppenkapelle hielten, hier übernachteten.

Ansonsten hieß sie anfangs "Tanlabaude" (Tanla Kosename für Christian), dann Daniels-, später Samuelsbaude. Seit dem Jahre 1696 war in ihr ein Buch ausgelegt, in das sich die Gebirgsbesucher eintragen konnten. Es war dies das erste der berühmten "Koppenbücher".

Nach Samuel Breter, der Teichwärter war, erschienen als Besitznachfolger die Brüder Hempel (mundartlich Hampel), nach welchen sie "Hempels Baude" und seit Ende des 18. Jahrhunderts "Hampelbaude" geheißen wurde, welcher Name ihr verblieb. Spätere Besitzer waren Adolph und seit 1862 Franz Krauß. Letzteren veranlasste der durch die Tätigkeit des RGV stark vermehrte Gebirgsbesucherverkehr zu wiederholten Erweiterungsbauten und zeitgemäßen Einrichtungen. In der Nacht vom 31.03. zum 01.04. 1906 geriet das umfangreiche Gebäude in Brand. Bei der großen Entfernung zum Tal kam Hilfe zu spät, so dass die Baude vollständig niederbrannte. Sie wurde daraufhin von den Gebr. Albert in Hirschberg in einem Stil erbaut, der sehr glücklich modernes Hotel und alte Baudenform vereinigte. Als erste Baude des Riesengebirges erhielt das neue Gebäude Eisenbetondecken.

Erwähnung verdient auch, dass die Hampelbaude früher mit über 30 Rindern zu den umfangreichen Gebirgswirtschaften gehörte. Im Sommer 1838 zeichnete sie Ludwig Richter. Die bedeutendste Gebirgsbaude des Riesengebirges war zu Anfang des 19. Jahrhunderts die einsame Kesselhofbaude (1100 m), die über 80 Rinder und 30 Ziegen verfügte. Das große, umfangreiche Gebäude stand auf einer abschüssigen Waldwiese in tiefer Bergeinsamkeit am "Rübezahlweg" zwischen den Schüsselbauden und den Kesselgruben. Später wurde die riesige Bauden Wirtschaft verkleinert, da die Stallfütterung mehr und mehr die Gebirgsweidenährung überflügelte. Danach diente die Gebirgsbaude nur noch als Forstwärterwohnung. Einige Jahre vor dem Ersten Weltkrieg brannte sie ab; ihre Brandstätte ist noch sichtbar.

Als die älteste Kammbaude des Riesengebirges gilt allgemein die Wiesenbaude (1410 m) auf der Hochfläche der Weißen Wiese, da ein der Grundmauer der Baude eingesetzter Baustein die Jahreszahl 1625 trägt. Als "ein echtes Tauernhaus" wurde diese Hochgebirgsbaude mitten im 30jährigen Krieg zur Bewirtung und Beherbergung von Trägern und Handelsleuten erbaut. Später war sie das Hauptquartier der Botaniker im Riesengebirge. Ungefähr um die gleiche Zeit wie die Wiesenbaude dürfte auch die Alte Schlesische Baude (1168 m) in der Einsenkung zwischen Reifträger und Veilchenspitze errichtet worden sein, da diese nach dem Baedeker "Schlesien" (Leipzig 1938) schon 1632 bestand. Sie hieß früher Eliasbaude, nachher Schreiberhauer Baude und wurde zuletzt 1916 nach einem Brand neu erbaut. Auf schlesischer Seite war sie eine der wenigen Gebirgsbauden, die baulich noch ganz die früheren Verhältnisse zeigte.

Die Neue Schlesische Baude (1195 m), die auf weitem Wiesenplan an der Waldgrenze wenige Minuten unterhalb des Kammes stand, erbaute 1787 Hollmann aus Krausebauden. Über sie schrieb Karl Herloßsohn in seinem Werk „Wanderungen durch das Riesengebirge und die Grafschaft Glatz“ (Leipzig 1841): "Sie ist eine Winterbaude, zu unterscheiden von den Sommerbauden, welche bloß in den schönen Monaten des Jahres bewohnt, und wenn das Vieh auf den Bergkämmen, Abhängen und in den Schluchten keine Nahrung mehr findet, verlassen werden. Sie liegt 3638 Fuß hoch über der Meeresfläche am Abhänge des Weiherberges auf einer schönen Bergwiese; ein ziemlich geräumiges Gebäude mit Wohnstuben, Stallungen und Böden." Ausführlich schildert Herloßsohn in seinem Buche die Nacht, die er in einer Nebenstube der Baude mit einer todkranken Wöchnerin verbrachte, während draußen der Sturm tobte und der Regen gegen die Holzwände prasselte.

Wir finden in diesem Werk des Prager Dichters, der 1840 für den Leipziger Verleger Georg Wigand das Riesengebirge bereiste, anschaulich Berichte über die Gebirgsbaudenverhältnisse in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Er beschreibt darin außer der Neuen Schlesischen Baude die Elbfallbaude, Schneegrubenbaude, Wiesenbaude, Spindlerbaude, Hampelbaude und die damals als Herberge für Koppenwanderer dienende Schneekoppen-Kapelle, welche der Gastwirt Siebenhaar aus Warmbrunn bewirtschaftete. Von der 1824 von dem Richter Spindler erbauten Spindlerbaude (1208 m), bemerkt er, dass diese damals außer der Wiesenbaude die einzige massiv gebaute Gebirgsbaude war. Ferner erwähnt er die Alte schlesische Baude, Brotbaude und die Kleine-Teich-Baude. Nicht erwähnt hat er die auf böhmischem Gebiet stehende Peterbaude (1258 m), die aus ihrer ursprünglichen Viehwirtschaft vollständig in Gastwirtschaft übergegangen ist. Diese wurde 1811 von Johann Petermann erbaut, der unweit der Baude im Schneesturm den Tod fand. Die alte Winterbaude ist 1887 und 1903 durch Neubauten wesentlich erweitert worden und galt lange Zeit als Musterberggasthaus. In der Quellgegend des Wossekerbaches am Südhang des Reifträgers entstand gegen Ende des 18. Jahrhunderts eine andere gemütliche Gebirgsbaude, die Wossekerbaude (1250 m), die 1790 urkundlich erwähnt wird. Diese hieß früher "Neue Böhmische Baude" und "Franziskanerbaude". Sie gehörte nach Rochlitz, wurde 1921 verstaatlicht und mit einem tschechischen Gastwirt besetzt. Einen tschechischen Pächter erhielt auch die verstaatlichte Elbfallbaude (1284 m), die 1824 der Graf Harrach erbauen ließ.

Zwei alte Riesengebirgsbauden waren auch die Schlingelbaude und die Brotbaude. Die auf waldbekränzter Hochfläche mit Blick auf die steilen Abstürze der Teichwände gelegene alte Schlingelbaude (1067 m) wurde um die Mitte des 17. Jahrhunderts gegründet und wird urkundlich 1690 erwähnt. 1722 wurde sie erneuert und 1894 ihr gegenüber die neue Schlingelbaude erbaut. Das alte Gasthaus der zu Seidorf gehörigen Brotbaude (820 m), die auf einer Art Pass mit schönem Blick auf den Kamm liegt, hieß ursprünglich "Krebsbaude" und entstand 1668. Neben dieser alten Baude wurde das neue Gast- und Fremdenhaus erbaut. Der Name "Brotbaude" stammt von einem früheren Besitzer Brot oder Brod.

Einen Schimpfnamen, mit welchem der Volksmund eine alte Baude belegt hatte, verdankt die vielbesuchte Geiergucke (1363 m) am Abfall des Hochwiesenberges ihren Namen. An dieser Stelle stand ehemals die "Tannenbaude", in welcher die Grenzaufseher gern einzukehren pflegten, die von der Baude aus Ausguck auf Schmuggler hielten. Die Zollwächter hießen im Volksmund "Geier", daher sagten die Leute, wenn von der Baude die Rede war: "Dort gucken die Geier raus." Die Baude wurde deshalb von der Gebirgsbevölkerung gemieden. Dies verleidete den Bauden-Inhaber den Besitz, so dass er sein Haus um die Mitte des 19. Jahrhunderts verließ, worauf es verfiel, der Spottname jedoch an dem Bergrücken haften blieb.

Auf der Teufelswiese am Südhang des Silberkammes, wo der "Teufelsgraben" oder "Krummseifen" entspringt, der seinen letzten Namen, den hackenförmigen Laufe verdankt, mit dem er sich in das tief eingeschnittene Bett des Weißwassers stürzt, standen auf den dortigen Almenmatten in 1000 – 1300 m Höhe die Teufelswiesenbauden, von denen um die letzte Jahrhundertwende aber nur noch die "alte" oder "Sommer-Baude" bestand, während die "Quellen-" und die "Schnapper-Baude", von Schneelasten wiederholt erdrückt, von ihren Besitzern schon lange verlassen waren.

Einige Jahre danach wurde auch die letzte dieser ehem. Sommerbauden vom Sturm zerstört. Erhalten blieb lediglich die um 1740 erbaute einsame Scharfbaude (1417 m) am Quellbach des Silberwassers, die aber ohne Gastwirtschaft war.

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