Quelle: "Schlesische Bergwacht" im Februar 1985"
von Erhard Krause
Zwei der bezauberndsten Hochgebirgsidyllen
des Riesengebirges sind die am steilen Nordabfall des Gebirges befindlichen,
von schroffen Felswänden umgebenen düster-großartigen Felskessel der beiden
"Teiche", die durch den breiten Trümmergrat des Zwölferhübel voneinander
getrennt werden. Die Schluchten beider Bergseen sind wie die der Schneegruben
Kesseltäler von prähistorischen Gletschern und der Zwölferhübel stellt nach
Profi J. Partsch die ehemalige Mittelmoräne des Gletschers dar, der einst hier
niederging und die Becken der Teiche "aushobelte".
Der große Teich
Das größere der Wasserbecken, der Große Teich, liegt 1225 m hoch auf der Sohle der unmittelbar
vor der früheren Prinz-Heinrich-Baude (1420 m) 195 m tief jäh abstürzenden Felsschlucht.
Sein dunkler, fast unheimlicher anmutender Wasserspiegel ist 551 m lang, 172 m breit und hat einen Flächeninhalt
von 6,5 Hektar.
Gespeist wird er durch rund ein Dutzend über die Südwand herabrieselnde Rinnsale,
die ihm vom Kamm zufließen. Die Temperatur des Wassers überschreitet selbst
im Hochsommer nie 10 Grad Celsius. Das niedere Nordufer des Bergsees besteht
aus einem gewaltigen, mit Knieholz und Gestrüpp überwachsenen Trümmerwall, welcher
als die jüngste Moräne des Gletschers angesehen wird. Vortrefflich ist die Aussicht,
die man vom oberen Teichrande aus genießt. Nördlich sieht man auf die nahen
Dreisteine, den Mittagstein, die Schlingelbaude und in der Ferne, tief im Tale,
den Kynast.
Bis um die Mitte des 19. Jahrhunderts galt der Teich unter den Gebirgsbewohnern
für unergründlich und man glaubte, dass überhaupt kein lebendes Wesen in ihm
vorkomme. Auch hieß es, dass der Bergsee einen unterirdischen Abfluss habe,
doch ist weder das eine noch das andere der Fall. Die tiefste Stelle, die 23 m beträgt, befindet sich an seiner Südoststrecke,
wogegen der deutlich sichtbare Abfluss am Nordrande liegt. Das Wasser vereinigt
sich mit dem des Kleinen Teiches zur Großen Lomnitz und fließt durch Erdmannsdorf
zum Bober.
Um die Erforschung der Teichfauna und -flora machten sich der Botaniker Prof.
Milde (Breslau) und der Zoologe Dr. Otto Zacharias (Plön)
verdient. Im Auftrage des R.-G.-V. nahm Dr. Zacharias in den Jahren 1884/85
eine gründliche Durchforschung der Wasserfläche vor und erbrachte den Beweis,
dass diese von einer mannigfaltigen Tierwelt, darunter auch Forellen, belebt
wird. Außer verschiedenen Gattungen der Reliktenfauna,
darunter einen als Eiszeitrelikt zu betrachtenden Strudelwurm (Monotus relictus), der sonst nur
noch in den nordischen Gewässern zu finden ist, entdeckte der Zoologe in dem
See die Lachsforelle und zahlreiche niedere Krebsarten, deren Urheimat das nördliche
Europa ist. Das Verzeichnis der Teichfauna wurde 1885 in der Zeitschrift für wissenschaftliche
Zoologie publiziert.
Schon vor dieser zoologischen Untersuchung der Wasserfläche hatte Prof. Milde
im Großen Teich verschiedene Algen und in der Teichschlucht zahlreiche Exemplare
des Alpensalamanders (Triton alpestris) festgestellt. Die Flora der Teichschluchten ist
der der Schneegruben ähnlich; besonders zahlreich sind die Hieracien
vertreten. Als eines der merkwürdigsten Gewächse aus der Abteilung der Sporenpflanzen
beherbergt der Große Teich das Brachsenkraut (Isoetes
lacustris), das sonst nur im hohen Norden vorkommt.
Im Winter kommt es im Großen Teich nicht selten zu Lawinenbildungen und es sind
mehrere Fälle bekannt, wo sich Schneelawinen von den steilen Felsufern lösten
und in den Teich stürzten, wobei sie seine Eisdecke durchschlugen und das Wasser
über den Nordrand hinaustrieben.
Der Kleine Teich
Noch großartiger und imposanter als der düstere Große Teich wirkt der malerische
Bergsee des Kleinen Teiches auf den Beschauer. Von drei Seiten von dunklen,
nahezu 200 m schroff abstürzenden Felswänden eingeschlossen, in deren tiefen
Spalte auch im Hochsommer häufig noch Schnee liegt, bietet er mit der auf schmaler
Wiesenfläche gelegenen, einsamen Kleinen Teichbaude ein Landschaftsbild, das
in seine Naturszenerie an die Alpenwelt erinnert. Sein 241 m langer, 166 m breiter
und 6,5 m tiefer Wasserspiegel, der eine Fläche von 2,9 ha misst, liegt 1183
m ü. M. in der hohen und romantischen Schlucht, die westlich und südlich vom
Kamme des Lahnberges und östlich von dem schroffen Abhang der Seiffenlehne gebildet
wird.
Der Bergsee ist wie der Große Teich ein altes Gletscherkar und birgt viele Forellen.
Mehrere Rinnsale, das stärkste in der Südostecke, führen ihm sein Wasser zu.
Der Teichabfluss, der sich in der Nordwestecke befindet, stürzt, bald vereinigt
mit dem Wasser des Großen Teiches, unter dem Namen "Große Lomnitz"
in einer Hauptgebirgsspalte, dem Großen Lomnitztal, nach Norden, nimmt bei der
Schnurrbartbaude unterhalb Birkigt die Kleine Lomnitz aus dem Melzergrund auf
und fließt durch Erdmannsdorf zum Bober bei Nieder-Lomnitz.
Verschönt und in dem düsteren Ernst der Landschaft gemildert wird der Kleine
Teich durch die an seiner Ostseite befindliche, in ihrem Baudencharakter noch
ganz ursprüngliche Kleine Teichbaude mit Umgebinde
und kleinen Glockentürmchen, dessen Glocken dreimal täglich, früh, mittags und
abends, geläutet wurde. Die Baude lehnt sich an die mächtige Moräne an, durch
die der Teich talwärts abgedämmt wird. Sie gehörte früher dem Kommerzienrat
Richter in Arnsdorf, später zur nahen Hampelbaude. 1923 wurde sie in altschlesischen
Stil umgebaut und bot gute Unterkunft und Bewirtung.
Die Flora der Kleinen Teichschlucht zeichnet sich durch botanische Seltenheiten
aus. Im Sommer kann man auf schmalem Steig den Teich rings umgehen, im Winter
aber besteht Lawinengefahr. Vom Südufer führt der beschwerliche sogenannte "Schmugglersteig",
der in älter Zeit häufig von Paschern benutzt wurde, direkt auf den Kamm, wo
der Hauptkammweg in 1360 m Höhe am Rand der Steilwände die Kleine-Teich-Grube
umgeht und in südlicher Richtung zum Koppenplan und der Schneekoppe verläuft.
Östlich von der Kleinen Teichbaude gelangt man auf steilem Anstieg in 15 Minuten
zu der jenseits des Teiches gelegenen Hampelbaude (1258 m), der ältesten Kammbaude
im schlesischen Riesengebirge, die bereits 1654 urkundlich erwähnt wurde.
Das ganze Gebiet um den Kleinen und Großen Teich ist Naturschutzgebiet, und
das Baden in den Wasserläufen und Teichen, das Abrollen von Steinen und Felsblöcken,
das Klettern an den Felshängen, das Abreißen und Beschädigen von Pflanzen, das
Fortnehmen von Eiern, Nestern und sonstigen Brutstätten von Tieren, wie überhaupt
das Nachstellen, Fangen und Beunruhigen derselben, war in der deutschen Zeit
streng verboten. Auch jetzt wieder sind die beiden Bergseen in den Naturschutzpark
einbezogen, der in dem jetzt unter polnischer Verwaltung stehenden schlesischen
Teil des Riesengebirges in den letzten Jahren geschaffen würde.
Die eindrucksvolle Naturszenerie des Kleinen Teiches hat der Maler der Romantik,
Ludwig Richter, während seiner Wanderung durch das Riesengebirge in einer Skizze
für ein herrliches Gemälde festgehalten, das sich in der Berliner Nationalgalerie
befindet.